A. Busch: Die Frauen der theodosianischen Dynastie

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Titel
Die Frauen der theodosianischen Dynastie. Macht und Repräsentation kaiserlicher Frauen im 5. Jahrhundert


Autor(en)
Busch, Anja
Reihe
Historia – Einzelschriften 237
Erschienen
Stuttgart 2015: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
€ 56,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Mit der Studie über Fragen von Macht und Repräsentation bei den weiblichen Angehörigen des theodosianischen Kaiserhauses möchte Anja Busch einen Beitrag zur Erforschung des politischen Einflusses der Frauen dieser Dynastie und ihrer Einbeziehung in die kaiserliche Herrschaftsdarstellung im 5. Jahrhundert leisten. Dabei richtet sie ihr Verständnis der Schlüsselbegriffe „Macht“ und „Herrschaft“ (griechisch in etwa basileía und arché) an Max Webers Definitionen aus und fasst das Akzeptanzsystem als die soziopolitische Grundlage des spätrömischen Kaisertums auf.1 Ein wichtiger Orientierungspunkt in der Literatur ist für Busch die Monographie von Kenneth Holum über die Kaiserinnen des theodosianischen Hauses2, die freilich auf die oströmischen Augustae fixiert ist. Als positive Wirkung dieses Buches stellt sie die Wahrnehmung der Kaiserinnen als politisch handelnde Personen heraus. Vorbehalte formuliert sie vornehmlich im Hinblick auf Holums Umgang mit den literarischen Quellen, die dieser zum einen „sehr wörtlich“ (S. 22) nehme und zum anderen auch für Vermutungen nutze, die sich nicht belegen ließen. Dagegen nimmt Busch die theodosianischen Kaiserinnen des Westens und des Ostens gleichermaßen in den Blick, so dass sie zwischen den beiden Reichshälften vergleichen kann. Der erste, größere Teil der Studie ist biographisch orientiert und in chronologischer Ordnung den einzelnen Frauen gewidmet, speziell ihrer politischen und gesellschaftlichen Rolle im Herrschaftsdiskurs und den damit verbundenen Repräsentationsanliegen. Dieser Teil soll als „Überblicksdarstellung“ (S. 23) auch die Lektüre einzelner Kapitel erlauben. Im zweiten, bedeutend kürzeren Teil stellt Busch in einer Art Auswertung der den einzelnen Kaiserinnen gewidmeten Kapitel systematische Gesichtspunkte zur Einbindung der theodosianischen Frauen in die kaiserliche Repräsentation zusammen.

Die ersten beiden der im biographischen Teil besprochenen Kaiserinnen sind Flaccilla und Galla, die 386 bzw. 394 verstorbenen Ehefrauen Theodosius’ I. An Flaccilla macht Busch in Grundzügen auf bestimmte Charakteristika der Repräsentation kaiserlicher Frauen in theodosianischer Zeit aufmerksam. Sie nennt den Augusta-Titel und die in der Münzdarstellung mit aufwendigem Diadem und Paludamentum deutlich werdende „Angleichung der symbolischen Repräsentation […] an die des Kaisers“ (S. 26). Ferner stellt sie hauptsächlich anhand der Leichenrede Gregors von Nyssa die wesentlichen, spezifisch antiken weiblichen und zugleich in ein christliches Verständnis eingebetteten Herrschertugenden zusammen, die die Kaiserin ausgezeichnet und zur idealen Partnerin ihres Ehemannes gemacht haben sollen. Dabei hebt sie die Anknüpfung des Theodosius an Konstantin und die Bemühungen des Kaisers um die Fundierung seiner dynastischen Interessen gerade über die Mutter seiner Söhne hervor, ohne dass diese tatsächlich an der Herrschaft beteiligt worden wäre. Theodosius’ zweite Ehefrau Galla, die Tochter Valentinians I. und Schwester Valentinians II., bot dem inzwischen verwitweten Kaiser die Gelegenheit der dynastischen Verbindung mit der valentinianischen Familie. Galla erhielt aber weder den Augusta-Titel noch ließ Theodosius ihr Porträt auf Münzen abbilden. Die von Busch angeführten möglichen Gründe hierfür bleiben aber bloße Vermutungen.

Auf die mit dem Heermeister Stilicho verheiratete Nichte des Theodosius, Serena, als „fest integriertes Mitglied des theodosianischen Kaiserhauses“ (S. 42) verwendet Busch mit Recht einige Aufmerksamkeit. Allerdings ergibt sich möglicherweise gerade dadurch eine Überzeichnung ihrer Rolle, wenn hier und da die Gelegenheit genutzt wird, den aus unterschiedlichen Gründen nicht immer vertrauenswürdigen Quellen Claudian und Zosimus Hinweise auf den außerordentlichen Einfluss Serenas zu entnehmen, die zunächst als mutmaßlich gekennzeichnet, für weitere Schlussfolgerungen aber als tatsächliche Voraussetzungen verwendet werden. Dies betrifft etwa die bereits von Mommsen zu Recht bestrittene „Vormundschaft“ (S. 42; vgl. S. 45) Stilichos über Honorius3, für die Busch Serena zur gleichberechtigten Teilhaberin ihres Ehemannes macht, und auch die Überlegung, Claudians Laus Serenae sei als Versuch zu verstehen, mit Versatzstücken eines sowohl traditionsorientiert römischen als auch christlichen Frauenbildes Verständnis für „das neue Bild der kaiserlichen Frauen als Teilhaberinnen an der kaiserlichen Macht“ (S. 43) zu wecken.4 Den „starken Einfluß Serenas am weströmischen Kaiserhof“ (S. 47) sucht Busch zudem durch deren Abweichen von der politischen Linie ihres Ehemannes Stilicho5 und durch deren Parteinahme zugunsten der gegen die wirtschaftlichen Interessen vieler Senatoren gerichteten Anliegen Melanias der Jüngeren und Pinians plausibel zu machen. Man fragt sich aber, ob Serena ihr Leben nicht doch eher durch Stilichos Fall als infolge eigener politischer Initiativen verlor. Jedenfalls war sie letztlich doch nicht so stark ins theodosianische Kaiserhaus integriert, dass sie nicht hätte ausgestoßen werden können. Ihre beiden Töchter Maria und Thermantia, die nacheinander mit dem jungen Kaiser Honorius verheiratet wurden, bieten demgegenüber keine Nachrichten, die ihnen ein eigenes Profil verleihen könnten.

Für Arcadius’ Ehefrau Eudoxia, die Tochter des fränkischen Heermeisters Bauto, steht Busch wieder reichlicheres Quellenmaterial zur Verfügung, das es erlaube, ihr „eine wichtige Rolle in der Vermittlung des ‚theodosianischen‘ Herrscherideals“ (S. 59) zuzusprechen. Hierzu führt die Autorin die Übertragung des Namens „Aelia“, den auch Eudoxias Schwiegermutter Flaccilla getragen hat, und Münzbilder mit der Hand Gottes über dem Haupt Eudoxias an, die denen Flaccillas ähneln; eine Selbstdarstellung, die ihre Mutterrolle und ihre tiefe Frömmigkeit betont. Damit wird Eudoxias dynastische Einbindung hervorgehoben und auf das Betätigungsfeld verwiesen, auf dem sie selbständige Akzente setzen konnte, unter denen der Konflikt mit Johannes Chrysostomus am bekanntesten ist, auch wenn ihre Rolle dabei nicht „überschätzt werden“ (S. 82) dürfe. Dennoch sieht Busch in Eudoxia die Teilhaberin an der Herrschaft des Arcadius, nicht zuletzt in Anbetracht der schwachen Position ihres Mannes, und begründet diese Einschätzung mit der „Wahrnehmung ihrer Rolle“, nicht mit „einem juristisch begründeten Herrschaftsanspruch“ (S. 83).

Mit der auch in jüngst erschienenen Monographien6 intensiv erforschten Galla Placidia wechselt Busch in den Westen: Das ebenso theodosianische wie valentinianische dynastische Potential dieser Theodosius-Tochter kam in den Ehen mit Athaulf und angesichts der Kinderlosigkeit ihres Halbbruders Honorius vor allem mit Constantius III. zum Tragen, insbesondere in der Reetablierung des theodosianischen Kaisertums im Westen durch den Ostkaiser Theodosius II. und in der Regentschaft Galla Placidias für ihren unmündigen Sohn Valentinian III. Vieles von ihrer ‚politischen‘ Reputation ist aber der heiklen Lage des westlichen Kaisertums in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts geschuldet. Dennoch zieht Busch das Fazit, den literarischen Quellen zufolge sei „Galla Placidia als politische Akteurin hinter den oströmischen Augustae der theodosianischen Dynastie“ zurückgeblieben (S. 109). Diese Quellen zeichnen ohnehin ein eher unfreundliches Bild dieser Kaiserin.

Damit gelangt Busch zu den kaiserlichen Frauen um Theodosius II., zu dessen Schwester Pulcheria und dessen Ehefrau Eudocia. Grundlage des Einflusses der Kaiserschwester waren ihre Jungfräulichkeit, die verhinderte, dass ein potentieller Ehemann als Konkurrent des Kaisers hätte auftreten können, und ihre betonte Frömmigkeit, mit der sie die christliche Legitimierung des Kaisertums unterstützte.7 Ihre dynastische Bedeutung bewies sie nicht zuletzt durch die Ehe mit Marcian nach dem Tode ihres ohne männlichen Erben verstorbenen Bruders. Das ihr zuerkannte politische Gewicht ist vor allem mit den christologischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit verknüpft. Eudocia, die Ehefrau des Kaisers Theodosius II., schien als Tochter eines Philosophen Pulcherias Stellung nicht gefährden zu können; denn ihre Aufgabe lag primär in der Absicherung der Dynastie durch Nachkommen. Die religiöse Repräsentation Eudocias setzte erst 438/39 mit ihrer Pilgerfahrt ins Heilige Land ein. Wenig später verließ Eudocia Konstantinopel aus nicht sicher zu eruierenden Gründen endgültig, um den Rest ihres Lebens in Palästina zu verbringen.8

Als letzte Augustae behandelt Busch Galla Placidias Tochter Honoria und Valentinians III. Ehefrau Licinia Eudoxia, die Tochter des Ostkaisers Theodosius II. und der Eudocia. Honoria ist hauptsächlich wegen ihrer eigenmächtigen Kontaktaufnahme mit Attila bekannt, aus der dieser einen Anspruch auf Herrschaftsteilhabe im Westen abgeleitet habe. Licinia Eudoxia diente als Verbindung zwischen den beiden Zweigen der theodosianischen Dynastie. Gegen Buschs Annahme, Theodosius II. habe zum Zeitpunkt der Verlobung des jungen Valentinian mit seiner Tochter nicht beabsichtigt, diesen mit der Herrschaft über den Westteil des Imperiums zu betrauen (vgl. S. 178), sprechen dessen unmittelbar vorausgehende Erhebung zum Caesar und naheliegende Schlussfolgerungen aus der Usurpation des Johannes. Die dynastische Funktion der Licinia Eudoxia ist evident; ob aber aus ihrer Stilisierung als Regentin Schlüsse zu ziehen sind, die über eine „zunehmende symbolische Angleichung der Augusta an den Kaiser“ (S. 183) hinausgehen, bleibt mehr als fraglich.

Anhand des systematischen Teils reflektiert Busch anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Frauen des theodosianischen Kaiserhauses. Bestimmte Repräsentationsaspekte wie die Titulaturen der kaiserlichen Frauen, ihre Attribute und Insignien, aber auch äußere Schönheit und Bildung zählen ebenso dazu wie ihre in der Sicherung des Bestandes der Dynastie, in christlicher Fürsorglichkeit, Stiftungstätigkeit, Patronage und optischer Gleichstellung mit dem Herrscher fassbare institutionelle Rolle zugunsten des Kaisertums. Grundsätzlich neue Aspekte, die im ersten Teil nicht schon verstreut zur Sprache gekommen wären, enthält dieser Abschnitt nicht.

Insgesamt liefert Busch auf der Basis des einschlägigen Quellenmaterials und der verfügbaren Literatur ein zuverlässiges Bild vom beachtlichen politischen Einfluss der Frauen des theodosianischen Kaiserhauses. Bedingt durch die Bedeutung des Religiösen, den Rückgang unmittelbarer kaiserlicher Beteiligung an Militäraktionen, das Kinderkaisertum und dynastisches Denken konnte sich daraus eine gewisse Teilhabe dieser Personen an kaiserlicher Macht und Herrschaft ergeben. Zu Recht macht Busch verschiedentlich darauf aufmerksam, diese Mitwirkung der Frauen lasse sich rechtlich nicht greifen. Macht- und Herrschaftsbeteiligung waren also informell und insofern ebenso lage- und situationsbedingt wie persönlichkeitsabhängig. Dadurch ergibt sich bei der Wahrnehmung und Beurteilung der Phänomene eine gewisse Fluidität, die durch voreingenommene erzählende Quellen verstärkt wird, so dass es schwer ist, wirklich sichere Kenntnis zu erlangen. Dies spiegelt sich in der Vorsicht Buschs bei den Schlussfolgerungen aus ihren Beobachtungen, die sie jedoch gelegentlich nicht daran hindern, den Anschein zu großer Gewissheit zu erwecken.

Überlegenswert ist auch, ob die rein chronologische Anordnung der Frauen gegenüber einer Trennung nach Kaiserinnen des Westens und des Ostens wirklich mehr Vorteile bietet. Es drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass sich durch den stetigen Wechsel der Schauplätze zwischen Osten und Westen die in jedem Reichsteil jeweils durchgehenden Linien verlieren. Eine Darstellung der Kaiserfrauen getrennt nach Westen und Osten böte möglicherweise den Vorteil, die reichsteilabhängigen Sonderentwicklungen genauer in den Blick zu nehmen. So scheint der Eindruck insgesamt größerer politischer Aktivität der Ostkaiserinnen doch auch vieles mit der Entwicklung des städtischen Kaisertums im Osten und mit den hier wesentlich intensiver als im Westen geführten dogmatischen Debatten zu tun zu haben. Zu dieser Einschätzung trägt quantitativ und qualitativ nicht zuletzt das verfügbare Quellenmaterial bei. Leichter fiele es dann wohl auch, die gegenüber dem Osten zurückbleibende Macht- und Herrschaftsbeteiligung der kaiserlichen Frauen des Westens zu entwickeln und zu erklären. Ferner legt Buschs Darstellung gelegentlich den Eindruck nahe, dass aus erfolgreich umgesetzter Repräsentation auf wirklichen Einfluss, auf tatsächliche Macht- und Herrschaftsbeteiligung von Kaiserfrauen geschlossen wird. Hier hätte zwischen den Kommunikationsanliegen und der hinter ihnen stehenden Realität ein noch klarerer Trennungsstrich gezogen werden sollen. Alles in allem aber bietet Buschs Studie einen nützlichen Ein- und Überblick zur Rolle der weiblichen Angehörigen der theodosianischen Kaiserfamilie.

Anmerkungen:
1 In Anlehnung an Egon Flaig, Den Kaiser herausfordern, Frankfurt 1992; Steffen Diefenbach, Frömmigkeit und Kaiserakzeptanz im frühen Byzanz, in: Saeculum 47 (1996), S. 35–66; ders., Zwischen Liturgie und civilitas. Konstantinopel im 5. Jahrhundert und die Etablierung eines städtischen Kaisertums, in: Rainer Warland (Hrsg.), Bildlichkeit und Bildorte von Liturgie, Wiesbaden 2002, S. 21–49; Rene Pfeilschifter, Der Kaiser und Konstantinopel, Berlin 2013.
2 Vgl. Kenneth G. Holum, Theodosian Empresses, Berkeley 1982.
3 Vgl. im Einzelnen hierzu Johannes Straub, Parens principum. Stilichos Reichspolitik und das Testament des Kaisers Theodosius, in: La nouvelle Clio 4 (1952), S. 94–115 (wiederabgedruckt in: ders., Regeneratio imperii, Darmstadt 1972, S. 220–239; von Busch nicht herangezogen).
4 In Anlehnung an Brunella Moroni, Tituli Serenae. Motivi di un encomio femminile in Claudiano, C. m. 30, in: Graeco-Latina Mediolanensia, Milano 1985, S. 137–160 (fehlt in Buschs Literaturverzeichnis).
5 In Anlehnung an Santo Mazzarino, Serena e le due Eudossie, Roma 1946, S. 8–14.
6 Vgl. Hagith Sivan, Galla Placidia, Oxford 2011; Joyce E. Salisbury, Rome’s Christian Empress. Galla Placidia Rules at the Twilight of the Empire, Baltimore 2015.
7 Vgl. hierzu vor allem auch Jill Harries, Men without Women. Theodosius’ Consistory and the Business of Government, in: Christopher Kelly (Hrsg.), Theodosius II. Rethinking the Roman Empire in Late Antiquity, Cambridge 2013, S. 67–89.
8 Insgesamt neigt Busch weniger den Positionen Holums (Anm. 2) zu als vielmehr Alan Cameron, The Empress and the Poet. Paganism and Politics at the Court of Theodosius II, in: Yale Classical Studies 27 (1982), S. 217–289.

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