J. Monerie: D'Alexandre à Zoilos

Cover
Titel
D'Alexandre à Zoilos. Dictionnaire prosopographique des porteurs de nom grec dans les sources cunéiformes


Autor(en)
Monerie, Julien
Reihe
Oriens et Occidens 23
Erschienen
Stuttgart 2014: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
225 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reinhard Pirngruber, Institut für Orientalistik, Universität Wien

Der vorliegende Band, die überarbeitete Fassung einer an der Sorbonne vorgelegten Magisterarbeit, bietet eine annotierte Prosopographie von Träger/innen griechischer Namen nach Keilschriftquellen aus Babylonien, hauptsächlich aus den Städten Babylon und Uruk. Dieser Hauptteil des Buches wird durch eine linguistische Analyse der Transkriptionskonventionen griechischer Lehnwörter und vor allem Eigennamen in babylonische Keilschrift sowie einen kurzen Abriss zur Gesellschaft und Kultur des spätzeitlichen Babyloniens ergänzt.

Dass der zeitliche Schwerpunkt des Buches in der Epoche der seleukidischen Herrschaft über das Zweistromland liegt, ist wenig überraschend. Die kurz gehaltene Einleitung gibt einen Überblick zu den seit der neuassyrischen Periode gut belegten Kontakten der babylonischen und assyrischen Welt mit Griechen in vorhellenistischer Zeit sowie einen Grundriss der politischen Geschichte des hellenistischen und parthischen Babyloniens. Abschließend werden die der Prosopographie zugrunde liegenden keilschriftlichen Quellen vorgestellt.

Die linguistische Untersuchung zur Übernahme griechischer Wörter und Namen in Keilschrift ist auch für Historiker bestens verständlich. Die angewandte empirisch-induktive, also von der Evidenz ausgehende Herangehensweise, erweist sich als fruchtbarer Weg, um sich dem Untersuchungsgegenstand zu nähern. Besonders die Berücksichtigung diachroner Entwicklungen zeitigt spannende Resultate, wie zum Beispiel die Feststellung, dass die Transkription einzelner, häufig vorkommender Personenamen, vor allem die Königsnamen der seleukidischen Dynastie, im Lauf der Zeit einem Normalisierungsprozess unterworfen war (S. 37–40 und S. 62), sich also die Anzahl der Schreibvarianten zugunsten einer (oder mehrerer) standardisierten Schreibung(en) verringerte. Eine weitere Beobachtung zeigt, dass sich die babylonischen Schreiber bei der Übernahme von Lehnwörtern und fremden Namen weniger an der originären Schreibung als vielmehr an deren Aussprache orientierten (S. 36 und S. 62). Zur Untersuchung der Schreibungen der einzelnen Konsonanten und Vokale kann man konstatieren, dass Moneries Ergebnisse nur wenig von Rölligs fundamentalem Artikel abweichen.1 Im Detail gibt es jedoch interessante neue Beobachtungen, so vor allem in Hinblick auf die Behandlung der Wortendungen durch die babylonischen Schreiber (S. 57–61). Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen wurden diese zumindest teilweise den Erfordernissen der akkadischen Grammatik angepasst, wie am Beispiel der Lexikalisierung des Lehnwortes istatēr (vom griechischen stater) mit dem regelmäßig verwendeten akkadischen Plural istatērānu gezeigt werden kann.

In den Bemerkungen zur spätbabylonischen Gesellschaft werden nach einer wissenschaftsgeschichtlichen Einleitung zum Begriff des Hellenismus vor allem Gepflogenheiten der Namensgebung2 behandelt und ein kurzer kulturgeschichtlicher Abriss des hellenistischen Babylonien geboten. Der erste Abschnitt ist dem Phänomen der griechischen Namensgebungen in Familien gewidmet, die den lokalen babylonischen Eliten zuzurechnen sind; betrachtet wird hier in erster Linie die Stadt Uruk, was der für diese Stadt besonders ergiebigen Quellenlage geschuldet ist. Monerie postuliert, dass bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. die Verleihung eines griechischen Ehrennamens eine Auszeichnung durch den König gewesen sei, wie das Beispiel des Anu-uballiṭ/Nikarchos und dessen Betonung des Umstands, dass er seinen griechischen Zweitnamen durch Antiochos II. erhalten habe, zeige. In späterer Zeit hingegen sei die Vergabe griechischer Namen keinen Reglementierungen mehr unterlegen, wie am Beispiel des Clans des Anu-uballiṭ/Kephalōn, des höchsten Beamten (rab ša rēš āli) der Stadt unter Antiochos III., im Detail besprochen wird (S. 83–86). Im Gegenteil scheint es hier, als ob der Namensgebung viel eher politisch-strategische Überlegungen der Familienoberhäupter zugrunde gelegen haben: Während ältere Söhne, denen eine Karriere in höheren administrativen Kreisen zugedacht wurde, häufiger griechische Namen getragen hätten, seien bei Töchtern und jüngeren Söhnen (denen vielleicht eher Ämter im kultischen Bereich zufallen sollten) akkadische Namen die Regel gewesen. So sei häufig eine nur oberflächliche Hellenisierung – auf Seite 97 spricht Monerie von einem „hellénisme de ‚bon ton‘“ – der Eliten anzunehmen. Eine dazu passende Beobachtung ist die Tatsache, dass gerade zu Anfang der stärkeren Verbreitung griechischer Namen seleukidische Thronnamen besonders häufig vorkamen, während sich in späterer Zeit und vor allem nach der Neugründung von Babylon und Uruk als poleis das Onomastikon erweiterte.

Dementsprechend versteht Monerie in seiner Behandlung des kulturgeschichtlichen Hintergrunds die Jahrhunderte griechischer Oberhoheit als Periode eines langsamen Verschmelzungsprozess, der schließlich zur Entstehung einer regionalen Identität geführt habe, wobei er Babylon klar in die hellenistische koiné integriert sieht (S. 107). Die Betonung, dass die parthische Eroberung Babylons keineswegs das Ende griechischer Kultur in der Region bedeutete, verdient angesichts der Vernachlässigung dieser Periode sowohl von althistorischer wie auch von assyriologischer Seite besonderen Nachdruck. Der sprichwörtliche ‚elephant in the room‘ dieses Abschnitts sind freilich die aramäischen/westsemitischen Komponenten der spätbabylonischen Kultur. Dies ist zum einem wohl dem Thema des Buches geschuldet; zum anderen auch der äußerst dürftigen Quellenlage. Die Einbettung des seleukidisch-parthischen Babyloniens in den weiteren vorderasiatischen Kulturkreis der hellenistischen und römischen Epoche wäre aber ein lohnender Forschungsgegenstand, der neues Licht auf die bekannten Quellen zu werfen vermag.

Das umfangreichste Kapitel des Buches ist schließlich die kommentierte Prosopographie. Zu jeder vermerkten Person werden grundlegenden Informationen wie Schreibungen des Namens, zeitliche Einordnung und Belegstellen samt dem Kontext, in welchem die Person nachgewiesen ist, geboten. Das publizierte Textmaterial wurde erschöpfend behandelt und die Liste ist handwerklich gut gemacht. Zwei Addenda seien angefügt: Für die in den Texten des Rahimesu-Archiv auftretenden Marion und Xenon gibt es mittlerweile weitere Belegstellen.3 Auch der sogenannte Lehmann-Text, eine Kopie aus der Regierungszeit Antiochos’ IV. einer Landschenkungsurkunde, die in die Herrschaft Seleukos’ II. datiert, enthält zwei – oder vielleicht auch drei – weitere Träger griechischer Namen.4 Als Empfänger von Ländereien und dazugehörigen Steuerbefreiungen werden unter anderem die drei Kinder des Schatzmeisters Mār-bīt-Nanāja genannt, von denen zwei griechischen Namen haben, Theogenes (geschrieben Tu-ú-gi-né-su) und Kalli- (geschrieben Qa-li-), dessen Name nur unvollständig erhalten ist. Bemerkenswert – da gegen die übliche Orthographie verstoßend – ist die Schreibung der vokalischen Sequenz griechisch eo mit K(onsonant)u-ú im Namen des Theogenes (vgl. S. 57). Weiteres werden auch ein gewisser Susamarus und seine nicht namentlich genannten Söhne als Nutznießer einer ähnlichen Verfügung erwähnt. Ein Interpretation dieses Namens als Sosimachos, wie bereits in der ursprünglichen Publikation eines Teil des Textes5 vorgeschlagen, ist reizvoll, angesichts der Schreibung Su-sa-mar-us aber nicht ganz unproblematisch (erwarten würde man Su-sa-ma-ku-us oder ähnlich).

Als Fazit bleibt, dass man dem Autor nur zu seinem gelungenen Werk gratulieren kann.

Anmerkungen:
1 Wolfgang Röllig, Griechische Eigennamen in Texten der babylonischen Spätzeit, in: Orientalia 29 (1960), S. 376–391.
2 Als Ergänzung der Bibliographie zum Thema könnte man an dieser Stelle hinweisen auf den Artikel von Johannes Hackl, Frau Weintraube, Frau Heuschrecke und Frau Gut – Untersuchungen zu den babylonischen Namen von Sklavinnen in neubabylonischer und persischer Zeit, in: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 103 (2013), S. 121–187.
3 Publiziert sind sie in dem noch in Druck befindlichen Beitrag: Johannes Hackl, New additions to the Rahimesu archive: Parthian texts from the British museum and the world museum Liverpool, in: Kristin Kleber / Reinhard Pirngruber (Hrsg.), Silver, money and credit. A tribute to Robartus J. van der Spek on occasion of his 65th birthday on 18th September 2014, Leiden 2015, S. 79–102.
4 Der in zwei sich teilweise überschneidenden Kopien erhaltene Text wurde nun vollständig publiziert in Ira Spar / Michael Jursa, Cuneiform texts in the Metropolitan Museum of Art, Bd. 4: The Ebabbar temple archive and other texts from the fourth to the first millennium B.C., New York 2014, S. 213–227 (Texte Nummer 148 und 149).
5 Carl Friedrich Lehmann, Noch einmal Kassû: Kíssioi, nicht Kossaíoi, in: Zeitschrift für Assyriologie 7 (1892), S. 328–334.

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