Cover
Titel
The Trilateral Commission and Global Governance. Informal Elite Diplomacy, 1972–82


Autor(en)
Knudsen, Dino
Reihe
Cold War History
Erschienen
London/New York 2016: Routledge
Anzahl Seiten
XIII, 240 S.
Preis
135,83 €
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Reichherzer, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam

Geheime Weltregierung; exklusiver Stammtisch mächtiger weiser und/oder auch weißer Männer; Wichtigtuerei sich selbst überschätzender Polit-Snobs oder ein effizientes Netzwerk und Forum, das sich zwischen verschiedenen Gruppen von Eliten des „Westen“ aufspannt – die Trilateral Commission wurde bereits zeitgenössisch und auch in der sozial- und geschichtswissenschaftlichen Forschung mit vielen Etiketten versehen. Die Dynamiken, die die Kommission nach ihrer Gründung 1972 in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens entfaltete, untersucht der Kopenhagener Historiker Dino Knudsen in seiner in der Reihe Cold War History erschienenen Studie, die auf seiner Dissertationsschrift aus dem Jahr 2013 aufbaut.

Jedem, der sich mit der Trilateral Commission beschäftigt, wird schnell klar, dass es sich bei ihr um ein sehr komplexes und damit ebenso interessantes Phänomen handelt. Viele Fragestellungen können an sie und das von ihr produzierte Material mit dem Versprechen auf einen hohen Erkenntnisgewinn herangetragen werden. Knudsen möchte dies in seiner Arbeit entlang der Schlagworte tun, die im Titel anklingen: „global governance“ und „informal elite diplomacy“. Ausgangspunkt für Knudsen ist seine These, dass private Organisationen ein wichtiger – in seinen Augen oft vernachlässigter – Bestandteil der internationalen und transnationalen Beziehungen sowie des Prozesses der „Globalisierung“ und ihrer Geschichte(n) sind. Private oder halbprivate Organisationen wie die Trilateral Commission und ihre Mitglieder hätten als „informal governance actors“ – so der von Knudsen geformte Analysebegriff – einen nicht unerheblichen Anteil an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung in den Arenen der (internationalen) Politik und Diplomatie.

An dieses Programm anknüpfend entwickelt Knudsen seine Argumentation in acht systematisch gegliederten Kapiteln. In den ersten beiden Kapiteln schildert er zunächst chronologisch die Entwicklung der Trilateral Commission und der ihr zugrundeliegenden Ideen. Die Gründung der Commission ist für Knudsen nur denkbar vor dem Hintergrund der Turbulenzen der 1970er-Jahre: mit den Verwerfungen in der internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg – manifestiert in den „Nixon-Schocks“, der Sicht einer von Interdependenz geprägten Welt und, wenn man es auf eine Punkt bringen will, einer tiefen Identitätskrise des Westens. Knudsen zeichnet den Weg zur Gründung der Commission und den intensiv geführten Debatten nach und beschreibt den wachsenden Kreis von Personen aus den USA und Kanada sowie aus Westeuropa und Vertretern aus Japan, der sich um den Kern des Bankiers und außenpolitisch mehr als nur interessierten David Rockefeller und den Harvard-Professor und Außenpolitikexperten Zbigniew Brzezinski bildete.

Auf das Zusammenbringen, die Kooperation und wenn möglich Koordination der liberal-demokratisch verfassten Industrienationen mit ihren drei Eckpunkten Nordamerika, Westeuropa und Japan (die trilaterale Welt) war die Kommission in ihrer Struktur ausgerichtet, wie Knudsen in den folgenden organisationsgeschichtlichen Kapiteln darlegt.

Hier leuchtet er zunächst die Machtverhältnisse in der Kommission aus. Auch wenn die Trilateral Commission nicht als „US-Enterprise“ erscheinen sollte und wollte, identifiziert Knudsen das Kraftzentrum doch klar beim US-amerikanischen Teil der Kommission. Eine angemessene Form für die Arbeit der Kommission waren die sogenannten Reports. Sie wurden von Mitgliedern oder sehr oft und im Regelfall von Experten außerhalb der Kommission verfasst. Ein feiner aber wichtiger Unterschied war, dass die Reports im Titel nicht von sondern für die Trilateral Commission verfasst worden waren. Im Entwurf wurden sie dann auf den Treffen der Kommission ausführlich diskutiert und dann publiziert. Im Bereich der Finanzierung sieht Knudsen eine Mischung mit starkem Gewicht auf der Ford-Foundation und anderen Stiftungen, aber auch auf Privatpersonen wie David Rockefeller, Regierungen und (meist) multinational agierende Industrieunternehmen. In der Frage der Mitgliedschaft macht Knudsen zudem vor allem bei den US-amerikanischen Vertretern im Laufe der ersten zehn Jahre den Wandel von den „alten“ Machteliten des außenpolitischen Establishment der Ostküste zu einer immer stärker fragmentierten, professionalisierten und politisierten Funktionselite aus. Alles in allem wird in der Organisation der hybride Charakter der Kommission als geschätzter informeller außenpolitischer Akteur deutlich.

Die beiden letzten Kapitel knüpfen hier an und konzentrieren sich auf den Einfluss der Trilateralen Kommission und ihrer Arbeit auf Entscheidungen und Handeln in der Politik. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den US-Präsidenten und ihren Administrationen aber auch in der Wirkung der Kommission auf westeuropäische Regierungen und die japanischer Politik. Auch Effekte auf internationalen Organisationen werden thematisiert.

Hier wird – wie bereits in frühen Kapiteln angesprochen – erkennbar, dass die Trilateral Commission sich im Laufe der Zeit von ihrem Ziel eines eher direkten, auf Aktionen orientierten Ansatz (action oriented) hin zu einem eher deliberativen auf Austausch und Konsensbildung ausgerichteten Netzwerk und Forum entwickelte. Eben hier, wenn Knudsen auf die wichtige Frage nach der Wirkmächtigkeit der Trilateral Commission zielt, wird der zentrale Punkt seiner Studie deutlich. Er läuft hier nicht Gefahr, die Antwort in einer plakativen Über- oder Unterschätzung des Einflusses der Kommission zu finden. Knudsen liefert ein eher strukturelles Argument, wenn er die Trilateral Commission in ihrer hybriden Konstruktion beschreibt. Denn so arbeitet er überlappende Netzwerke und Möglichkeiten zur Zirkulation von Wissen zwischen informellen und formellen, zwischen staatlich-hoheitlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren überzeugend heraus.

Vorstöße wie die von Dino Knudsen in die Grauzone von nationaler Politik, internationalem System und die transnationalen Beziehungen mit ihren Arenen sowie damit gekoppelt in die Kontaktzonen von Politik und Zivilgesellschaft (privat sector/civil society) sind nur zu begrüßen. Sein Buch ist ein gelungener Blick auf eine wenig bekannte, oft nur am Rande thematisierte aber bedeutende Schnittstelle, die bei der Entwicklung von Politik in den langen 1970er-Jahren eine wichtige Rolle gespielt hat. Auf Basis von Akten aus dem Umfeld der Trilateralen Kommission zeichnet Knudsen das Bild dieser Organisation im Speziellen und der internationalen Politik im Allgemeinen nicht wesentlich anders, aber in nicht unerheblichen Bereichen schärfer, als es die Forschung bis dato getan hat.

Die Verbindung des Gegenstandes Trilateral Commission in den Jahren von 1972 bis 1982 und das Konzept der informellen Diplomatie sowie die Arbeits- und Wirkungsweisen in den diskursiven, organisatorischen und persönlichen Zwischenräumen und die Rolle der Trilateral Commission als Knoten in einem Netzwerk, das Knudsen erarbeitet, hätten allerdings durchaus deutlicher zusammengeführt, verallgemeinert und mit wissenssoziologischem Material unterfüttert werden können. Hier wäre der Raum gewesen, nicht nur wunderbare und für sich einzelne wichtige Ergebnisse zu präsentieren, sondern auch sein Versprechen einzulösen: nämlich etwas ganz Neues aufzuzeigen. Einen weiteren Schritt zu gehen und den Fokus so zu weiten, hätte den positiven Eindruck der Forschungsleistung Knudsens verstärkt und die Arbeit noch anschlussfähiger an bestehende, laufende und kommende Forschungen aus dem direkten thematischen Umfeld und auch darüber hinaus machen können.

Kommt man zurück zum Eigentlichen, der Trilateral Commission, hilft die Lektüre des Buches sehr, um nicht nur einen Über-, sondern auch einen Einblick in die Arbeit der Trilateralisten zu bekommen. Knudsens Buch zur Trilateral Commission ermuntert und weckt die Hoffnung, dass seiner Studie weitere, aus verschiedenen Perspektiven geschriebene Arbeiten folgen werden.