E. Nathans: Peter von Zahn's Cold War Broadcasts to West Germany

Cover
Titel
Peter von Zahn's Cold War Broadcasts to West Germany. Assessing America


Autor(en)
Nathans, Eli
Reihe
Palgrave Studies in the History of the Media
Erschienen
Anzahl Seiten
XXI, 334 S.
Preis
€ 96,29
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reinhild Kreis, Historisches Institut, Universität Mannheim

Wie wird man zu einem bundesweit bekannten Star des Rundfunks, den Millionen kennen und regelmäßig hören? Neben Talent sind interessante Themen sowie günstige Umstände vonnöten. Alle diese Faktoren kamen zusammen, als Peter von Zahn (1913–2001) in den beiden Jahrzehnten nach 1945 zu einem der bekanntesten Journalisten der jungen Bundesrepublik aufstieg. Das Talent brachte er mit, die interessanten Themen fand er in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), aus denen er als erster fest angestellter Auslandskorrespondent wöchentlich berichtete; die günstigen Umstände ergaben sich aus dem Hunger nach Informationen über die USA in der Nachkriegszeit sowie der Dominanz des Hörfunks zu einer Zeit, als das Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte.

Im Mittelpunkt der Studie von Eli Nathans stehen die Person Peter von Zahns und seine Berichterstattung aus den USA. Jenseits von Memoiren ist der Fokus auf einen einzelnen Journalisten eher ungewöhnlich in einem Forschungsfeld, das sich dem Thema Auslandsjournalismus meist über Netzwerke und Gruppenzugehörigkeiten oder über Transformationen von Öffentlichkeit und Medienlandschaft nähert.1 Eine Biografie will Nathans jedoch nicht vorlegen. An der Person Peter von Zahns soll zwar erstens exemplarisch der Wandel von den militaristisch-elitären Einstellungen eines Bewunderers Ernst Jüngers hin zu einem überzeugten Stützpfeiler der jungen Bundesrepublik untersucht werden. Zweitens geht es aber um die bereits vieldiskutierte Frage, wie Westdeutschland nach Kriegsende zu einer fest in das westliche Bündnis integrierten Demokratie wurde, und drittens interessiert Nathans, wie Peter von Zahn seinen westdeutschen Hörern (später auch Zuschauern) die USA als verlässlichen Bündnispartner im Kalten Krieg vorstellte.

Der erste Teil der Studie ist biografisch angelegt und stellt Peter von Zahn als mitunter aufmüpfigen Sohn einer bürgerlichen Familie vor, die wenig Begeisterung für die Weimarer Republik zeigte. Er promovierte bei Gerhard Ritter über die Wiedertäufer, strebte aber bereits Journalismus als Berufsziel an. Einen Tag vor Beginn des Zweiten Weltkrieges heiratete er eine Britin, zwei Tage nach Kriegsausbruch wurde er eingezogen. Ohne je Parteimitglied zu werden, war er ab 1942 in der Ukraine als Teil einer Propagandakompanie der Wehrmacht stationiert und für zwei Monate auch einem SS-Sonderkommando zugeordnet. Nach Flucht und Kriegsgefangenschaft gelangte Peter von Zahn zum Nordwestdeutschen Rundfunk, wo er schnell Karriere machte und zu einem ebenso bekannten wie für Vorgesetzte und Politiker oftmals unbequemen Journalisten aufstieg. Karriere und Konflikte gipfelten 1951 in seiner Entsendung als Auslandskorrespondent in die USA. Von dort sendete von Zahn für ein Jahrzehnt „Berichte aus der Neuen Welt“, später auch „Bilder aus der neuen Welt“.

In einem zweiten Schritt stellt Nathans knapp die Netzwerke Peter von Zahns vor, der gute Kontakte in diplomatische Kreise unterhielt, und ordnet seine Sendungen in den Kontext früherer Amerikaberichte ein. Der Schwerpunkt liegt auf amerikakritischen Studien der 1920er- bis 1940er-Jahre, wohingegen positive Beschreibungen und Berichte jenseits von umfangreichen Büchern unbeachtet bleiben. Auf diese etwas einseitige Darstellung zeitgenössischer Amerikabilder folgt auf knapp einhundert Seiten die Analyse von „Peter von Zahn’s America“ (S. 169). Das Spektrum dieser Sendungen umfasste alles von Beschreibungen des amerikanischen Alltags über die Funktionsweise von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft bis zu tagespolitischen Ereignissen. Hier wählt Nathans aus und fokussiert auf Berichte über die USA zwischen Tradition und Moderne, die öffentliche Meinung, die politischen Organe der Vereinigten Staaten sowie die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerungsteile und die Bürgerrechtsbewegung. Die Studie endet mit kurzen Schlaglichtern auf die Zuhörerschaft und deren Reaktionen auf die Sendungen sowie einem Ausblick auf die streckenweise etwas holprige journalistische Karriere nach Peter von Zahns Kündigung, der ein Konflikt mit seinem Sender, dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), vorausgegangen war, und seine Rückkehr nach Deutschland wenig später.

Eine große These hält das Buch nicht bereit. Es ist wenig analytisch, sondern beschreibend angelegt. Die Stärken der Studie liegen daher dort, wo der Autor aus dem Vollen schöpfen kann, zum Beispiel, wenn Peter von Zahns Gedanken und Erfahrungen als Jugendlicher, Student und Soldat geschildert werden, insbesondere aus den Kriegsjahren in der Ukraine. Da er und seine Familie sorgfältig auswählten, was als Nachlass ins Bundesarchiv gelangte, muss einiges dennoch im Dunkeln bleiben. Neues erfährt die Leserin auch in den Kapiteln zu Peter von Zahns Reportagen, die bisher nicht in dieser Breite untersucht wurden. Deutlich werden von Zahns geopolitisch geprägte Perspektive, die stets nach der Stabilität der deutsch-amerikanischen Beziehungen fragte, aber auch sein Sinneswandel bei der Beurteilung der Rassentrennung. Zeigten frühere Berichte ein gewisses Maß an Verständnis für die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung – ohne diese zu befürworten –, kritisierten spätere Sendungen solche Praktiken deutlich und waren voller Bewunderung für den gewaltfreien Protest der Bürgerrechtsbewegung.

Dennoch fällt das Resümee zwiespältig aus. Bietet eine interessante und auch prägende Figur wie Peter von Zahn genügend Stoff für gut 300 Seiten? Ja und nein. Eli Nathans hat tatsächlich keine Biografie geschrieben, denn nach 1945 bleibt der private Peter von Zahn außen vor; es geht fast ausschließlich um seine berufliche Tätigkeit und Berichterstattung. Auch als Beitrag zur Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen bleibt die Studie etwas blass. Um hier einen genuinen Beitrag leisten zu können, hätte von Zahns Berichterstattung stärker in den zeitgenössischen Strom an Berichten über und persönlichen Erfahrungen mit den USA eingeordnet werden müssen, statt sie nur chronologisch zu früheren Beschreibungen abzugrenzen.

Schließlich verschließt der enge Blick auf den Protagonisten auch die Möglichkeit, anhand dieser „Stimme der ersten Stunde“ den Wandel medialer Strukturen und Gewohnheiten in der Bundesrepublik nachzuvollziehen. Peter von Zahn sah und nutzte früh die Möglichkeiten des Fernsehens, war also sowohl zu hören als auch zu sehen – wie bespielte er diese Kanäle und gestaltete Medienformate, auch in Zusammenarbeit mit der Redaktion des NDR? Auch über seine ausgedehnte Reisetätigkeit oder die Suche und Auswahl von Interviewpartnern erfährt man wenig, ebenso über viele der Alltagsthemen, die häufig in den Reportagen zur Sprache kamen und durchaus interessante Perspektiven auf von Zahns Gesellschaftsvorstellungen ermöglichen. Gerade Gender-Themen hätten sich angeboten, sprach von Zahn doch häufig und mit einer gewissen Distanziertheit über „die Amerikanerin“. Als zentrale Figur des westdeutschen Nachkriegsjournalismus ist von Zahn sicher eine Untersuchung wert, doch stärker vergleichende und einordnende Bezüge hätten geholfen, seine Bedeutung profilierter auszuloten.

Anmerkung:
1 Vgl. etwa Dominik Geppert, Pressekriege. Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen (1896–1912), München 2007; ders. / Frank Bösch (Hrsg.), Journalists as Political Actors. Transfers and Interactions between Britain and Germany since the late 19th Century, Augsburg 2008; Norman Domeier / Jörn Happel (Hrsg.), Auslandskorrespondenten: Journalismus und Politik 1900–1970. Themenheft der: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 62 (2014), H. 5; Sonja Hillerich, Deutsche Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert. Die Entstehung einer transnationalen journalistischen Berufskultur, München 2018; Annika Frieberg, Peace at all Costs. Catholic Intellectuals, Journalists, and Media in Postwar Polish–German Reconciliation, New York 2019 (im Erscheinen).

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