: Messrelationen. Geschichte der deutsch- und lateinischsprachigen "messentlichen" Periodika von 1588 bis 1805. Bremen 2016 : Edition Lumière, ISBN 978-3-943245-43-1 391 S. € 44,80

: Messrelationen. Biobibliographie der deutsch- und lateinischsprachigen "messentlichen" Periodika von 1588 bis 1805, Bd. I. Bremen 2018 : Edition Lumière, ISBN 978-3-943245-44-8 VIII, 832 S. € 59,80

: Messrelationen. Biobibliographie der deutsch- und lateinischsprachigen "messentlichen" Periodika von 1588 bis 1805, Bd. II. Bremen 2018 : Edition Lumière, ISBN 978-3-943245-45-5 VI, 750 S. € 59,80

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Bellingradt, Institut für Buchwissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Innerhalb der historischen Medien- und Kommunikationsforschung zur Frühen Neuzeit gilt die Frühphase von regelmäßiger (seriell-periodischer) Publizität als bedeutsames und zugleich relativ unbearbeitetes Forschungsgebiet. In den letzten Jahren erfuhr dieser – sich etwa von 1500 bis 1800 erstreckende – Zeitraum international verstärkte Forschungskonjunktur, und die beginnende Rhythmizität von geschriebenen und gedruckten Publikationsformaten geriet ebenso erneut in den Fokus wie generell die oftmals dazugehörige bibliografische Grundlagenarbeit. Esther-Beate Körbers Beiträge zu den „Messrelationen“, eine monografische „Gattungsgeschichte“ (2016), die hier zusammen mit den beiden später und gesondert veröffentlichten Biobibliographien (2018) besprochen wird, sind in diesen Forschungszusammenhängen zu verorten. Mit den „Messrelationen“ gerät ein mittels einer Drucktechnik hergestelltes Nachrichtenmedium in den Mittelpunkt, das, abgesehen vom jährlichen Rhythmus der seit 1541 erscheinenden gedruckten (Schreib-)Kalender, die erste periodisch „im Druck“ erscheinende Publikationsform des deutschsprachigen Europas – und vermutlich der Welt – war.

Um eine anvisierte „Gattungsgeschichte“ der Messrelationen schreiben zu können, reflektiert Körber zunächst in der Einleitung den Gegenstand ihrer Forschung (Messrelationen), den Quellenwert dieser Medien für eine historische Kommunikationsforschung und die ausgewählte Methodik des Ermittelns und Beschreibens von Messrelationen. In der Beantwortung der selbstgestellten Einleitungsfrage „Was waren Messrelationen?“ wiederholt die Autorin in einem ersten Schritt den bisherigen Kenntnisstand: „Messrelationen waren frühneuzeitliche periodische Nachrichten-Zusammenfassungen“, die zwischen dem späten 16. und frühen 19. Jahrhundert zwei- bzw. dreimal jährlich, regelmäßig anlässlich der Handelsmessen in Frankfurt und später auch in Leipzig, also im Frühjahr und Herbst (sowie zu Neujahr in Leipzig) im Quartformat publiziert wurden. Da diese Kompilationsprodukte des zeitgenössischen Medienverbundes mit dem jeweiligen (schwankenden) Beginn der Messetermine erschienen, lässt sich eine „messentliche“ Periodizität ausmachen, die erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts dazu führte, dass sich die Bezeichnung „Meßrelation“ einbürgerte. Folgt man den Quellen oder blickt man demutsvoll in die 1.330 Einträge umfassenden biobibliografischen Auflistungen der beiden von Körber erarbeiteten Begleitbände, so sind „Messrelationen“ unter diesem Namen eigentlich nicht erschienen. Vielmehr legen die typischen Titelvokabeln („Relata historia“, „Eigentlicher Warhafftiger vnd Kurtzer Bericht“, „Relationis Historicae“ etc.) Zeugnis darüber ab, was da regelmäßig publiziert und inhaltlich zusammengetragen wurde: nämlich berichtete Zeitgeschichtsschreibung, die auf Dauer – in Quellensprache: „in Continuatio“ – ausgerichtet war. Im Wortlaut der Zeit waren es „schrifftwürdige“ Ereignisse, die großteils aus Zeitungen, Flugpublizistik, Schreibkalendern und Chroniken stammten und nun in einer neuen „Warhafftigen Beschreibung“ mit Abstand von etwa sechs Monaten sachlich-additiv erneut berichtet wurden. So infomiert etwa die Frankfurter Messrelationenreihe „Calendarij Historici Relatio“ (1595)1 im Titel, dass sie ausgewählte und bereits publizierte Berichte („Historien [...] auß glaubwürdigen Schrifften“) enthält. Körber vermutet, dass Messrelationen als Publizistikformat erfolgreich waren, weil sie umfangreich, das heißt mit bis zu 160 Seiten im Quartformat, berichteten und somit als „Konvolut“ (S. 12) einen einzigartigen Zugang zur Nachrichtenfülle der letzten Monate für viele Interessenten anboten. Einzigartig waren Messrelationen, weil die von professionellen Kompilatoren beobachteten Medienmeldungen nicht nur ausgewählt, sondern bisweilen sinnvoll veredelt wurden. Beispielsweise konnten in der eigenen Darstellung Fehlmeldungen des frühen Nachrichtenwesens leicht korrigiert werden; gültige Einordnungen wurden prinzipiell erst möglich in der längeren Betrachtungsperspektive. Die hier ausgemachten Organisationsleistungen der Verfasser von Messrelationen, nämlich „Sichten, Bewerten, Auswählen, Ordnen und Neuzusammenstellen“ (S. 13), bauen deutlich auf den von Esther-Beate Körber und Johannes Arndt vor einigen Jahren theoretisch angeregten Überlegungen zu frühneuzeitlichen „Mediensystem“-Dynamiken und jener systemtypischen Aktivität des umsichtigen Kompilierens durch Autoren des Nachrichtenwesens.2

In den weiteren einführenden Bemerkungen zum Quellenwert von Messrelationenreihen positioniert Körber übergeordnet die historische Presseforschung innerhalb verschiedener historiografischer Forschungstraditionen und -erkenntnisinteressen. Lesenswert sind diese Ausführungen, weil hier nochmals am konkreten Beispiel Erläuterung findet, welche Erkenntnishorizonte und Analyseebenen eine kulturhistorisch auf den zeitgenössischen Medienverbund, dessen Medialität, Akteure und kommunikativen Rahmenbedingungen ausgerichtete, umsichtig konzipierte Kommunikationsforschung prinzipiell zu erreichen vermag. Mit Anschluss an buchhandelshistorische und buchwissenschaftliche Herangehensweisen, welche auf das jeweilige Artefakt eines Schrift- und Bildmediums fokussieren, gelingt es Körber in knappen Verweisen, den hohen Quellenwert von Messrelationen für eine noch zu schreibende Kommunikationsgeschichte der Frühen Neuzeit anzudeuten.

Mit den Ausführungen zur ausgewählten Methodik des Ermittelns und Beschreibens von Messrelationen beginnt eigentlich bereits die doppelbändige Biobibliographie. Die von Körber beschriebenen Strategien, um Messrelationen bibliografisch zu ermitteln, autoptisch nachzuweisen und systematisch in ihren Reihen beschreiben zu können, vermitteln wohl nur eine schwache Vorstellung von der Kärrner-, Glück- und Detektivarbeit, die hinter diesem beeindruckenden Nachschlage- und Grundlagenwerk stehen. In der harmlosen Aussage, dass Messrelationen „außerordentlich verstreut überliefert ‚sind‘“ (S. 33), verbirgt sich nur schlecht die aufgebrachte Arbeitsleistung dieses von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojektes. Jede der ermittelten 1.330 Messrelationen wird bibliografisch dokumentiert, großzügig beschrieben (z. B. mit etwaigen Innentiteln, „Schwesterpublikationen“ etc.) und mit Standort- und Literaturnachweisen ausgewiesen. Versehen sind die Bände zudem mit Registern zu Themen und Sachen, zu Titeln (der Messrelationen), zu inhaltlich genannten Orts- und Personenangaben sowie zu Druckern, Verlegern und Kompilatoren.

Die 2016 publizierte „Gattungsgeschichte“ der Messrelationen basiert auf dem Fundament der beiden biobibliografischen Bände. In den Kapiteln zur „Entstehung und Konkurrenz der Messrelationen (1576–1642)“, „Die Messrelationen im Jahrhundert ihrer Kategorisierung (1643–1730)“ und „Die Frankfurter Messrelationen als übriggebliebene Reihe (1731–1805)“ vermag Körber eine neu akzentuierte Geschichte der Anfänge von Periodizität und Serialität in den mittels einer Drucktechnik hergestellten Nachrichtenmedien der Frühen Neuzeit zu vermitteln. Dass 1583 Michael von Aitzing in Köln die erste Messrelation (unter dem Titel „Relata historia“) publiziert habe, wird gleich zu Beginn korrigiert. Als Vorläufer dieser Messrelation sieht Körber nun eine 1576 in Basel als „Neuwe zeitung“ verlegte Publikation, deren Format und Aufmachung wohl in Köln aufgefallen und nachgeahmt worden war. Mit quellengesättigten Verweisen breitet Körber auf 300 Seiten eine Geschichte der (Basler) Vorläufer, (Kölner) Anfänge und schließlich (Frankfurter, Leipziger, Heidelberger, Aschaffenburger etc.) Blütezeit und Vielfalt an Messrelationsreihen aus. Der Experimentierfreudigkeit der ideellen und technischen Hersteller von Messrelationen begegnet Körber generell mit einem abwechselnd überschauenden Panoramablick und, wenn nötig, mit akribischer Genauigkeit. Auch wenn an einigen Stellen mehr (internationale) Forschungsverweise möglich gewesen wären, ist diese „Gattungsgeschichte“ beeindruckend quellennah formuliert. In der historischen Medien- und Kommunikationsgeschichte könnte der "dreifache Körber" vor allem Anregungen zu einer Neubewertung der Nähe von Chronistik, Nachrichtenproduktion und medialer Verbreitung bieten. Ebenfalls dürften die bisherigen, vielfach in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft rezipierten Überlegungen zum Nachrichtenwert als immaterielles Gut mit temporaler Attraktivität bzw. monetärer Wertigkeit neu justiert werden. Wenn ein Erfolgsformat wie die Messrelationen „alte“ Nachrichten aufsammelte, sie jedoch up-recyclete, dann muss der Faktor Nachrichtenwertigkeit deutlicher als das Ergebnis kompilierter Organisationsleistungen konturiert werden.

Während Esther-Beate Körber eindrucksvoll demonstriert, welche Forschungspotentiale, Erkenntnismöglichkeiten und unberührte Quellenbestände in einer vom (publizierten) Artefakt ausgehenden Medien- und Kommunikationsgeschichte der Frühen Neuzeit schlummern, schwindet die historische Kommunikationsforschung allmählich leise aus den Lehrplänen und Forschungsinstituten. Das DFG-Projekt, das die Forschungen von Körber finanzierte, wurde am Institut für Deutsche Presseforschung in Bremen, welches sich als einzige Forschungseinrichtung der Sammlung, Erschließung und Kontextualisierung von periodisch-seriellen Schrift- und Bildmedien gewidmet hatte, eingeworben. Zum Zeitpunkt der Publikation von Körbers Ergebnissen präsentierte sich das Bremer Institut bereits als von Professoren und Mitarbeitern entleertes Scheininstitut.

Anmerkungen:
1 Vgl. den Eintrag Nr. 178 zu dieser Messrelation in Körber (2018), Bd. 1, S. 269–270.
2 Johannes Arndt / Esther-Beate Körber (Hrsg.), Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit (1600-1750), Göttingen 2010.

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