T. Grotum (Hrsg.): Die Gestapo Trier

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Titel
Die Gestapo Trier. Beiträge zur Geschichte einer regionalen Verfolgungsbehörde


Herausgeber
Grotum, Thomas
Reihe
Gestapo – Herrschaft – Terror. Studien zum nationalsozialistischen Sicherheitsapparat
Erschienen
Köln 2018: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
365 S.
Preis
€ 30,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Elisabeth Boeckl-Klamper, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien

Der vorliegende Band ist das vorläufige Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes zur Geschichte der Gestapo Trier, das 2011 in enger Kooperation zwischen der Universität Trier/Fach Geschichte und der Trierer Staatsanwaltschaft begonnen wurde. Neben zwei Beiträgen des Herausgebers, der das Forschungsprojekt auch leitet, enthält die Publikation 14 Beiträge, die auf Staatsexamens- bzw. Masterarbeiten basieren, die in diesem wissenschaftlichen Arbeitszusammenhang entstanden sind. Da die Quellenlage zur Geschichte der einzelnen Gestapodienststellen äußerst lückenhaft ist – relevante Schriftstücke wurden bei Kriegsende entweder von Angehörigen der Gestapo systematisch vernichtet oder durch Bombenschäden zerstört –, bauen die studentischen Arbeiten in erster Linie auf Dokumenten auf, die im Zuge der Forschungsarbeiten erst in mehr als 35 in- und ausländischen Einrichtungen erschlossen werden mussten.1

Die Themenauswahl der einzelnen Aufsätze erfolgte daher, wie Thomas Grotum im Vorwort schreibt, nach den „zu diesem Zeitpunkt ermittelten und erschlossenen Quellen“ sowie den „inhaltlichen Interessen der Beteiligten“. Diese pragmatische Vorgehensweise mag der Grund dafür sein, dass der Band keine thematische Gliederungsstruktur aufweist.

Eine Stärke der Beiträge liegt darin, dass es den Autoren gelungen ist, die spezifischen Kompetenzbereiche der Gestapo Trier zu rekonstruieren, die maßgeblich von der Grenzlage der Stadt zum Saarland sowie zu Luxemburg, Belgien und Frankreich geprägt und eng mit der nationalsozialistischen Expansionspolitik nach Westeuropa verbunden waren.

Bereits vor der Saarlandabstimmung war die Abteilung III („Abwehr“) der Trierer Staatspolizeistelle, wie Justus Jochmann in seinem Artikel darlegt, durch das Einschleusen von Spitzeln am Ausspionieren der deutschen Exilorganisationen im Saarland und in Luxemburg ebenso federführend beteiligt wie am Ausforschen von Luxemburger Antifaschisten. Die so gewonnenen Informationen ermöglichten es der Staatspolizei Trier nach der Besetzung des Großherzogtums, sowohl bei umfangreichen Verhaftungen Luxemburger Antifaschisten maßgeblich mitzuwirken als auch nach jenen Deutschen zu fahnden, die in Luxemburg für den französischen Geheimdienst („Poste d’Alerte Luxembourg“, abgekürzt „Polux“) gearbeitet hatten. Diese staatspolizeilichen Erfahrungen waren wohl auch ausschlaggebend dafür, dass die Gestapo Trier einen Großteil der Angehörigen des Einsatzkommandos Luxemburg (EKL) stellte, das am 16. August 1940 gegründet und ab dem Frühjahr 1941 vom Chef der Staatspolizeistelle Trier geleitet wurde. Enge personelle Verflechtungen bestanden auch, wie Katharina Klasen in ihrem Beitrag aufzeigt, mit dem SS-Sonderlager/Konzentrationslager Hinzert, in dem ab Sommer 1940 vor allem politische Gefangene aus den Beneluxländern und Frankreich interniert waren.2 Das Lagerpersonal wählte der Trierer Gestapochef und Leiter des EKL aus, wobei er es teilweise auch aus der Gestapo Trier selbst rekrutierte.

Im Fokus der meisten Beiträge steht die Tätigkeit der Gestapo Trier im Bereich der Verfolgung und Überwachung von Personengruppen, denen das nationalsozialistische Regime eine Gegnerschaft bzw. Gefährdung seiner Herrschaftsstabilität zuschrieb.

Zu diesen Gruppen zählten, wie der Beitrag von Ksenia Stähle zeigt, auch die nach Deutschland zurückgekehrten ehemaligen Angehörigen der Fremdenlegion, die von der Gestapo Trier zwar überprüft und eine Zeitlang überwacht, aber dennoch erstaunlich rasch in die Wehrmacht integriert wurden. Ein Spezifikum der Gestapo Trier stellte, wie der Artikel von Felix Klormann belegt, die Begutachtung von „Wiedereindeutschungsanträgen“ dar. Derartige Anträge konnten polnische Zwangsarbeiter, die wegen ihrer Beziehungen zu „deutschblütigen“ Frauen straffällig geworden waren, an die Gestapo stellen. Wie relevant dieser Kompetenzbereich angesichts der drakonischen Strafen, die „Ostarbeiter“ im Verlauf des Krieges bei kleinsten Vergehen zu erwarten hatten, letztlich war, ist fraglich, zumal Klormann in seinem Beitrag nicht angibt, wie viele derartige Fälle die Gestapo Trier innerhalb welchen Zeitraums tatsächlich bearbeitete.

Der Untersuchung des kommunistischen Widerstandes und dessen Verfolgung durch die Gestapo widmen sich zwei weitere Beiträge. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass dieser Widerstand bereits im Jahr 1936 zerschlagen wurde. In weiteren Artikeln werden zwar die Ahndung von Rundfunkverbrechen sowie die Überwachung der katholischen Kirche und der Bauernschaft zwischen 1934 und 1938 durch die Gestapo beschrieben, doch eine Zusammenschau sämtlicher Beiträge lässt darauf schließen, dass es aufgrund des weitgehenden Konsenses der einheimischen Bevölkerung mit dem NS-Regime kaum organisierten Widerstand in der Region Trier gab. Als Erklärung für diesen Umstand werden sowohl historische als auch soziologische Gegebenheiten wie beispielsweise die weitgehend agrarischen Strukturen der Region sowie die starke Bindung der Einwohner an die einflussreiche katholische Kirche angegeben.

Die Tätigkeit der Gestapo Trier erfuhr jedoch mit der massiven Ausweitung der Zwangsarbeit von verschleppten ausländischen Arbeitskräften sowie Kriegsgefangenen eine gravierende Veränderung. Deren Überwachung und Verfolgung machte, wie Martin Spira anhand der Tagesrapporte der Gestapo Trier aufzeigt, den „Hauptanteil“ der alltäglichen staatspolizeilichen Tätigkeit aus.

Spira orientierte sich bei der Kategorisierung der in den Tagesberichten erwähnten Personen nach eigenen Angaben an der (online zugänglichen) Datenbank der Tagesberichte der Gestapoleitstelle Wien. Diese basiert allerdings auf der von der Staatspolizei vorgenommenen Kategorisierung und spiegelt nicht nur die Aufgabenbereiche der Gestapoleitstelle Wien, sondern auch die Feindbilder der nationalsozialistischen Ideologie wider.3 Indem Spira die in den Tagesberichten getroffene Kategorisierung nach eigenen Angaben „verfeinert“, verzerrt er sie nicht nur, sondern bewirkt auch, dass in dieser Jüdinnen und Juden, die Hauptopfer der nationalsozialistischen Verfolgung, nicht mehr repräsentiert sind.

Es ist ein Defizit des vorliegenden Bandes, dass zwar in drei Beiträgen die Geschichte der Trierer Jüdinnen und Juden besprochen wird, nicht aber die Rolle der Gestapo bei deren Verfolgung und Beraubung. Dadurch blenden die Autorinnen und Autoren die Rolle der Gestapo als „Rassepolizei“, eine ihrer wichtigsten Funktionen, aus. Lediglich Benjamin Koerfer erwähnt diese Tätigkeit kurz in seinem Beitrag über die Deportation der Trierer Jüdinnen und Juden in das Ghetto Litzmannstadt.

Den Autoren des vorliegenden Bandes gelingt es zwar, einzelne Aspekte der alltäglichen Tätigkeit der Gestapo Trier zu beleuchten, ihre Konturen als nationalsozialistischer Behördenapparat bleiben jedoch unscharf, da weder die Organisationsstrukturen noch der personelle Aufbau behandelt werden. Grundlegende Merkmale, beispielsweise die personelle Dynamik, die wesentlich zur Effizienz der Gestapo beitrug, da personelle Ressourcen je nach Arbeitsanfall sowohl innerhalb der Abteilungen einer Gestapo(-leit-)stelle als auch zwischen einzelnen Gestapo(-leit-)stellen hin- und hergeschoben werden konnten, bleiben unberücksichtigt.

Trotz dieser Schwächen ist der vorliegende Band ein für die zeitgeschichtliche Forschung wertvoller Beitrag, dem hoffentlich wie angekündigt weitere Arbeiten folgen werden.

Anmerkungen:
1 Als besonders relevant erwiesen sich die 3.533 Personenakten der Gestapo Trier aus dem französischen Militärarchiv in Vincennes.
2 Später wurden im SS-Sonderlager/ Konzentrationslager Hinzert Gefangene aus ganz Europa interniert.
3 Elisabeth Boeckl-Klamper / Thomas Mang / Wolfgang Neugebauer, Gestapo-Leitstelle Wien 1938–1945, Wien 2018, S. 91.

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