T. Terpstra: Trade in the Ancient Mediterranean

Cover
Titel
Trade in the Ancient Mediterranean. Private Order and Public Institutions


Autor(en)
Terpstra, Taco
Reihe
The Princeton Economic History of the Western World
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 275 S.
Preis
$ 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Fellmeth, Universität Hohenheim

Taco Terpstras Buch untersucht den Zusammenhang zwischen staatlichen Institutionen und privatem Unternehmertum, insbesondere dem Handelsunternehmertum in der antiken Mittelmeerwelt. Theoretischer Hintergrund sind für den Autor die Anstöße, die vom Moses Finley und seiner Schule ausgegangen sind und ebenso die Neue Institutionenökonomik, die seit Kenneth North und seinen Schülern großen Einfluss auf die Forschung zur antiken Wirtschaft gewonnen hat.1

In seinem Einleitungskapitel (S. 1–32) geht Terpstra davon aus, dass alle antiken Wirtschaftssysteme, unabhängig von regionalen oder zeitlichen Bedingungen, durch bestimmte gemeinsame Elemente charakterisiert sind, die sich ganz wesentlich aus der Beziehung zum Staat ergeben. Deshalb vermutet er mit der Entstehung des Staates ab dem 7. Jahrhundert v.Chr. auch den Beginn des Wachstums antiker Wirtschaften. Graphiken zur Menge der aufgefundenen Schiffswracks entlang der Zeit von 1.500 v.Chr. bis 1.500 n.Chr. sowie zu den Bleigehalten in arktischen Bohrkernen in derselben Zeitspanne geben Terpstra Anhaltspunkte für den Grad des Wirtschaftswachstums. Beide Kurven beginnen um 700 v.Chr., erleben einen Höhepunkt um die Zeitwende und einen vorläufigen Tiefpunkt um 700 n.Chr. Terpstra vermutet nun einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung antiker Staatlichkeit und den Entwicklungen der Wirtschaft in antiken Gesellschaften, jedenfalls scheint die Zu- bzw. Abnahme von öffentlicher Ordnung dem Wirtschaftswachstum förderlich bzw. schädlich gewesen zu sein.

In der Nachfolge von Moses Finley lehnt Terpstra allerdings die Vorstellung einer dezidierten Wirtschaftspolitik in antiken Staaten ab. Vielmehr habe sich Staatlichkeit immer ohne wirtschaftliche Zielsetzungen entwickelt, sei aber sekundär dann eben auch wirtschaftlich wirksam gewesen. Dabei stellt der Autor nicht in Abrede, dass die rechtliche Ordnung antiker Staaten ein öffentliches Gut darstellte, das wirtschaftliche Transaktionen ganz wesentlich erleichterte, dass jedoch die Durchsetzung von Eigentumsrechten niemals eine genuin staatliche Aufgabe war, sondern vielmehr der privaten Initiative überlassen blieb. An diesem Schnittpunkt vermutet Terpstra eine Überlappung von staatlich-rechtlichen, sozialen und ideologischen Vorgängen sowie ein Zusammenspiel von staatlichen und nichtstaatlichen Gruppen.

In Kapitel 2 (S. 33–82) richtet Terpstra den Fokus auf die Handelsdiaspora im antiken Mittelmeerraum. Anhand von phönizischen Gruppen etwa in Rhodos, Kos, Athen, Delos und Puteoli wird gezeigt, wie antike Städte die phönizischen Diasporagemeinden aktiv unterstützten, ja sogar privilegierten, allerdings weitgehend unabhängig von staatlicher Kontrolle. Die Mittel, mit denen die phönizischen Diasporagemeinden sozialen Zugang zu den Gastgemeinden erlangten, waren die proxenia, der Status als offiziell anerkannter „Wohltäter“ der Gastgemeinde oder über die Kulte, später insbesondere über den Kaiserkult. So, das ist die These von Terpstra, konnten effiziente Brücken zu den Eliten der Gastgemeinden geschaffen werden. Über diese Beziehungsgeflechte konnten die eigentlich rechtlosen Fremden eben doch die für Handelstransaktionen unerlässlichen Sicherheiten hinsichtlich der Vertragserfüllung erreichen. So gesehen wirkt die antike Staatlichkeit in der Tat sekundär fördernd auf die Wirtschaft.

In Kapitel 3 (S. 83–124) richtet Terpstra seinen Blick auf die Interaktionen von staatlichen Institutionen und privaten Unternehmungen im hellenistischen Ägypten. Gestützt auf die Papyri aus dem Zenonarchiv untersucht Terpstra die privatwirtschaftlichen Aktivitäten des oikonomikos (Wirtschafts- und Finanzminister) Apollonios unter Ptolemaios II. So werden etwa die Prinzipal-Agent-Beziehungen bezüglich seiner Handelsunternehmungen im syrisch-phönizischen Raum, die wirtschaftlichen Effekte des – ursprünglich lediglich für fiskalische Zwecke geschaffenen – ptolemäischen Staatsbanksystems, oder die zum Teil doch befremdliche Vermischung von staatlichen Aufgaben als oikonomiokos und privatwirtschaftlichen Interessen bei Apollonios untersucht. Auch in diesem Schritt der Untersuchung kann Terpstra keinen Hinweis auf eine öffentliche Durchsetzung privater Eigentumsrechte erkennen, Fehlverhalten im ökonomischen Bereich wurde durch fein geknüpfte soziale Netzwerke und durch private Initiative geahndet bzw. korrigiert.

Das 4. Kapitel (S. 125–167) befasst sich mit der Durchsetzung privatwirtschaftlicher Ansprüche in der römischen Welt. Obwohl das römische Imperium ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. einen gigantischen Raum weitgehend einheitlicher staatlicher Ordnung geschaffen hat und obwohl staatliche Güter wie Recht, Maße, Währung, Infrastruktur, innerer Friede etc. ganz maßgeblich die Wirtschaft begünstigt haben, rät Terpstra dazu, die Bedeutung der römischen Rechtsordnung auf das alltägliche Wirtschaftsleben nicht zu überschätzen. Namentlich die Durchsetzung privater Eigentumsrechte sei eben nur in Ausnahmefallen Sache des Staates und der römischen Gerichte gewesen.

Anhand der Vertragsarchive von L. Caecilius Jucundus aus Pompeji, der Sulpicii aus Puteoli und einem Archiv aus Alburnus Maior in Dakien zeigt Terpstra, wie die in den nach sozialen Gesichtspunkten formierten Zeugenlisten genannten Zeugen als eine gewissermaßen „außergerichtliche“ Versicherung der Vertragsinhalte, insbesondere hinsichtlich deren Erfüllung gewirkt haben. Hochrangige Personen eines Gemeinwesens versicherten sich ihrer herausragenden sozialen Stellung durch das Bezeugen von diversen Verträgen. Die Vertragspartner hingegen gewannen Sicherheit bezüglich der Vertragserfüllung durch den sozialen Einfluss der Zeugen.

Hier wird deutlich, was Terpstra meint, wenn er die Durchsetzung der Eigentumsrechte als „sozial eingebettet“ ansieht („embedded“ ist ja das Zauberwort der Karl Polanyi-Schule): Die in der politisch-sozialen Ordnung eines Gemeinwesens hochgestellten Personen (Reichsdienst, Magistrate, Decurionen, Augustalen etc.) garantieren nicht als Repräsentanten des Staates, aber als Personen mit großer sozialer Autorität die Erfüllung der Vertragsinhalte.

Im 5. Kapitel (S. 168–210) greift Terpstra den in Kapitel 2 schon entwickelten Gedanken von der Bedeutung der durch religiöse Gemeinschaften in Diaspora-Gemeinden gestifteten Vertrauensbildung in wirtschaftlichen Angelegenheiten erneut auf, betrachtet ihn jedoch nun von seinem Ende her. Ausgehend von der ausführlichen Schilderung der Zerstörung paganer Heiligtümer mit mittelmeerweiter Bedeutung in Gaza, Alexandria, Ostia/Portus und Rom um 400 n.Chr. wird gezeigt, wie die polytheistische Vielfalt der antiken Kulte von der monotheistischen christlichen Religion zum Teil gewaltsam bei Seite geschoben wurde. Diese tiefgreifende Wandlung sieht Terpstra als einen der Gründe für den von ihm konstatierten wirtschaftlichen Niedergang im 4. und 5. Jahrhundert an. Etwas spekulativ mutet die Vorstellung Terpstras an, die öffentliche Diskreditierung der paganen Kulte habe den durch sie vermittelten Netzwerken und schließlich dem „economic trust“ den Boden entzogen: „lt seems clear that the process of forced religious change had negative impact on the Roman economy“ (S. 209).

Ein Epilog (S. 211–225) beschreibt mit vielen Argumenten, aber dennoch nicht ganz überzeugend, den politischen und ökonomischen Niedergang der römischen Welt vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Ein möglicher Zusammenhang von politischem und ökonomischem Niedergang wird von Terpstra zwar implizit angenommen, jedoch nicht thematisiert. Deshalb steht der Epilog etwas außerhalb der Fragestellung, der das Buch nachgehen möchte.

Schlussbemerkungen (S. 226–231), eine ausführliche Bibliographie (S. 233–260) und ein Index (S. 261–274) schließen das Buch ab.

Terpstra will in seinem Buch die Grenzen zwischen staatlicher Ordnung, privater wirtschaftlicher Initiative und wirtschaftlichem Wachstum genauer untersuchen. Sein in den Details und den Quellenbelegen starkes Buch leidet ein wenig daran, dass der/die Leser/in die Stringenz der aus den Details zu ziehenden Schlussfolgerungen vermisst. Wenn zum Beispiel bezüglich der Kernfrage von Terpstras Buch lediglich festgestellt wird, dass die Grenzen zwischen Staat, privatem Unternehmertum, privaten Institutionen und der Wirtschaft „fließend“ waren, fragt man sich nach dem Nutzen einer solchen Erkenntnis.

Anmerkung:
1 Douglass C. North, Structure and Change in Economic History, New York 1981; ders., lnstitutions, lnstitutional Change and Economic Performance, Cambridge 1990; ders., Understanding the Process of Economic Change, Princeton 2005; ders. / Robert P. Thomas, The Rise of the Western World. A New Economic History, Cambridge 1973; Douglass C. North / John J. Wallis / Barry R. Weingast, Violence and Social Orders. A Conceptual Framework for lnterpreting Recorded Human History, Cambridge 2009.

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