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Titel
Die Benediktiner. Geschichte, Lebensformen, Spiritualität


Autor(en)
Breitenstein, Mirko
Erschienen
München 2019: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
€ 9,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nita Dzemaili, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Das hier zu besprechende Buch gehört der Beck‘schen Reihe an und ergänzt diese um die Thematik der Ordensgeschichte. Dem Titel zu entnehmen, behandelt das Buch die Geschichte, die Lebensform und die Spiritualität der Benediktiner. Der Ansatz, den Mirko Breitenstein dafür wählt, konzentriert die Auseinandersetzung mit den Benediktinern auf das den Orden verbindende Element der Regula Benedicti. Diese Engführung, mit der Breitenstein einen breiten Leserkreis anspricht, begründet sich in der Auffassung, die Geschichte der Benediktiner sei zugleich die Geschichte vom Umgang mit der Regel und ihrer Auslegung.

Im einleitenden Kapitel werden die Benediktiner als jene Gruppe von Religiosen definiert, die in ihrer Lebensgestaltung sowie in ihrer Spiritualität nach der Regel des Heiligen Benedikt lebt. Diesem „spirituell wie pragmatischen Grundtext benediktinischer Lebensform“ (S. 10) widmet sich das zweite Kapitel. Darin wird die Funktion der Regel darauf festgelegt, dem Mönch durch klare, auf biblische Texte gestützte Anweisungen eine Lebensform vorzuschreiben, die es ihm erlaubt, sein Tun innerhalb der Gemeinschaft individuell auf das Gebet und die Gottessuche auszurichten (S. 12–13).

In einem Unterkapitel betont Breitenstein die Wichtigkeit des Aufbaus und des Inhalts der Regel, da sich daran deren sukzessive Entstehung ablesen lasse. Die Kapiteleinteilung zeige, so Breitenstein, die praxisbezogene, aus dem klösterlichen Alltag herauswachsende Genese des Textes. Sodann folgt auf den nächsten Seiten eine intensivere Auseinandersetzung mit den einzelnen Ämtern. Der Autor erläutert individuelle Aufgaben, benennt Autoritäten und stellt die Vorrechte des Abtes dar (S. 15–18). Diesem obliegt als Hirte, Arzt, Lehrer, Meister und im wörtlichen Sinne Vater die Verantwortung für die Gemeinschaft, die sich, im stätigen Streben nach dem Himmlischen den weltlichen Bedingungen verhaftet, ihm unterstellt.

Die zwei nachfolgenden Unterkapitel behandeln zum einen den Weg ins Kloster, die Oblation, den Übertritt und den freiwilligen Eintritt und zum anderen das Leben im Kloster (S. 21–24). Hier werden die architektonische Eigenart, das Erscheinungsbild der schwarzen Mönche, die Gebetszeiten und die Handarbeit im 48. Kapitel der Regula besprochen. Im nächsten Schritt bringt der Autor die benediktinische Lebensweise mit der Regula zusammen, indem er in Bezugnahme auf die Überlieferung die quellenmäßig ungesicherte Vita Benedikts sowie den Entstehungsweg der Benediktsregel nachzeichnet. Zentrale Quellen sind hier nebst den Dialogen Gregors des Großen vor allem auch die möglichen Vorlagen und Rezeptionsspuren des Regeltextes (S. 25–36).

Ausführlicher fällt das darauffolgende Kapitel aus, in welchem der Weg zum benediktinischen Monopol abgebildet wird (S. 37–44). Hier bespricht der Verfasser den Siegeszug der Regula Benedicti durch die Einflussnahme der frühmittelalterlichen Herrscher und die für die eigene Herrschaftsfestigung dienliche Romorientierung sowohl Benedikts als auch der Benediktsregel. Breitenstein gelingt es hier, den roten Faden seiner Betrachtung beizubehalten, indem er darlegt, wie die Person Benedikts und sein Wirkungsort Monte Cassino mit der Regel in „symbolischer Verdichtung“ (S. 39) vereinbar werden. Das Bemühen der fränkischen Herrscherfamilie und der späteren Karolinger, den Regeltext als una regula durchzusetzen, wird hier hervorgehoben (S. 39–44). In einer knappen Passage widmet sich dieses Kapitel auch den consuetudines, als verschriftlichte lokale Ergänzung zur Regel, die gerade dadurch ihre Flexibilität in der Übertragbarkeit ihrer Vorgaben verdeutlicht (S. 44).

Deutlich ausführlicher widmet sich Breitenstein der cluniazensischen Klosterlandschaft. Mit der Gründung von Eigenklöstern, die die Stifter bzw. Eigenherren bis ins 12. Jahrhundert hinein von der bischöflichen Jurisdiktion befreiten, ihnen die Verfügungsgewalt über die Ausstattung der Klöster überließ, zum Teil auch Mitsprache bei der Abwahl gewährte und schließlich die klösterlichen Einnahmen zugestand, entstand eine neue Art der Klosterlandschaft und -verwaltung. Dem vom aquatischen Herzog Wilhelm 910 gegründeten Kloster Cluny ist hierbei eine besondere Bedeutung mit weitreichenden Erneuerungen zuzusprechen. Die Ausbreitung der von an Cluny orientierten und auch gebundenen Klöster mündete in einem Klosterverband. Cluny behielt dabei die päpstlichen Privilegien, die andere Klöster der Jurisdiktion der Abtei unterstellten. Der Autor zeigt hier auf, unter welchen Umständen Cluny entstand, wie groß dessen Einfluss auf die Lebensführung anderer Klöster war und welche Erneuerungen die Abtei selbst erfuhr (S. 45–58).

Anschließend wird das Wirken der Benediktiner in der Reichskirche pointiert dargestellt (S. 59–66). Der erste Abschnitt widmet sich den lothringischen Reformzentren Gorze, St. Vanne und Brogne. Im zweiten Abschnitt wird das Schwarzwälder Hirsau in den Blick genommen und in knapper Form dessen Erfolgsgeschichte von der Neugründung durch die Grafen von Calw bis hin zum reformierten Kloster, das sich durch die Aufnahmen von Konversen von den bisherigen unterscheidet. Ausgehend vom ersten Kapitel der Benediktsregel folgt darauf eine Übersicht benediktinisch-eremitischer Entwicklungen am Beispiel der Kamaldulenser (S. 69–71) und Vallombrosaner (S. 72–73). Diese seit dem 10. Jahrhundert einsetzende Rückbesinnung auf den eremitischen Ursprung des Mönchtums erklärt Breitenstein mit der „Krise des zönobitischen Mönchtums“ (S. 67), welches sich durch die Einbindung in weltliche, politische wie wirtschaftliche Zusammenhänge von der vita religiosa zu entfernen drohte.

Mit größerer, sicherlich auch dem Forschungsschwerpunkt des Autors geschuldeter Aufmerksamkeit werden die Zisterzienser behandelt (S. 76–90). Hier erläutert Breitenstein in einleuchtender Weise die Entstehung des Filitationssystems und damit die neue, in der Regel nicht vorgesehene, Ordensstruktur des Klosterverbandes. Begründet mit dem Bestreben nach der kompromisslosen Einhaltung der Regel und des Armutsgebots, entstanden eigenständige Klöster, die sich auf Grundlage eines eigenen Rechtstextes in ihren wesentlichen Grundsätzen konstituierten. Das Eigenrecht der Klöster, die regelmäßigen und rechtsprechenden Generalkapitel sowie die Kontrollinstanz der Visitationen lässt den Verfasser hier von „einem religiösen Orden im eigentlichen Sinne“ (S. 81) sprechen. In einem abschließenden Unterkapitel diskutiert der Autor die Frauenklöster im Umfeld der Zisterzienser und streift dabei die für den Orden bedeutende Rolle des Bernhard von Clairvaux.

Das 8. Kapitel behandelt das neue benediktinische Modell, Klöster in einem Orden zu organisieren (S. 90–105), indem diese durch päpstliche Direktiven an Provinzkapitel und Visitationen und schließlich in einer überregionalen Kongregation gebunden werden. Im Kontext dieser über zwei Jahrhunderte einnehmenden Erneuerungsbewegungen der Benediktiner bespricht das Buch die Problematik der Bildung – ein Aspekt, der in einem separaten Kapitel aufgegriffen wird (S. 105-–114) –, die aufkommenden Widerstände gegen die päpstlichen Weisungen, die Vorbildfunktion der Bettelorden (Silvestriner, Olivetaner, Wilhelmiten und Cölestiner) und die strenge Einbeziehung der Äbte in die Organisation und Durchsetzung der Kongregationsbeschlüsse.

Das 9. Kapitel widmet sich der Diskrepanz zwischen Bildung und Askese im Kontext der Reformation und reicht in einer kursorischen Ausführung bis in das 18. Jahrhundert (S. 105–114).

Das letzte Kapitel bespricht die Geschichte der Benediktiner bis in die heutige Zeit (S. 114–122). Begonnen bei der europaweiten Auflösung der Klöster im 18. Jahrhundert, über die Phase der Neugründung und Restauration, in der die Benediktiner ihre missionarischen Tätigkeiten aufnahmen, bis zur 1893 päpstlich bestätigten Konföderation, die die Benediktiner auf Grundlage der Regula Benedicti vereinen. Abgeschlossen wird das Buch mit einem letzten Verweis auf die Benediktsregel, die als „Richtschnur klösterlichen Lebens“ (S. 122) auch der heutigen Benediktiner ihren Stellenwert für die Durchdringung der Geschichte der schwarzen Mönche nicht verloren hat. Das Überblickswerk schließt mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis, dem eine Zeittafel vorangestellt ist, welche ebenso wie der mit einer Legende abgedruckte Sankt Galler Klosterplan nützlich erscheint.

Insgesamt wird Mirko Breitenstein den Ansprüchen der Reihe mehr als gerecht. Er versteht es, die umfangreiche wie facettenreiche Geschichte der Benediktiner seinem Leserkreis in leicht zugänglicher und sachgerechter Form zu vermitteln. Gerade die bewusste Engführung auf wesentliche Elemente der Benediktsregel erlaubt es ihm, die pragmatische wie auch spirituelle Lebensform der Benediktiner strukturiert und nachvollziehbar zu überblicken.

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