M. Cerman u.a. (Hgg.): Soziale Strukturen in Böhmen

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Titel
Soziale Strukturen in Böhmen. Ein regionaler Vergleich von Wirtschaft und Gesellschaft in Gutsherrschaften, 16.-19. Jahrhundert


Herausgeber
Cerman, Markus; Zeitlhofer, Hermann
Reihe
Sozial- und wirtschaftshistorische Studien
Erschienen
Anzahl Seiten
317 S.
Preis
€ 44,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wulf Wäntig, Philosophische Fakultät, Technische Universität Chemnitz

Böhmen, Tschechien, Ostmitteleuropa: Seit dem Umbruch von 1989 und auf dem Weg zur Osterweiterung der Europäischen Union geraten die östlichen Nachbarn des deutschen Sprachraums zunehmend in den Blick auch der allgemeinen Geschichtswissenschaft - zögernd wird das über Jahrzehnte durch den Eisernen Vorhang abgeschirmte, von wenigen Spezialisten beackerte Gebiet der heutigen Tschechischen Republik als Teil des europäischen Geschichtsraums (wieder-)entdeckt. Natürlich war Böhmen in der Zwischenzeit kein historiografisch unbestelltes Terrain. Neben politischen Opportunitäten waren es jedoch meist Sprachgrenzen, die eine umfassende Einbindung der reichhaltigen tschechischen (tschechoslowakischen) Forschung in komparative oder geografisch übergreifende Studien verhinderten, die im deutschen Sprachraum entstanden. Nach 1989 taten institutionelle Hindernisse wie Veröffentlichungsbedingungen und Finanzierungsmodalitäten das Ihre, um den Dialog zwischen deutscher und tschechischer Forschung zu erschweren. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit blieb damit auf die Initiative einzelner Institutionen und Forscher angewiesen, ihre Ergebnisse fanden entsprechend reduzierte Verbreitung.

Vor diesem Hintergrund hat ein internationales (hauptsächlich tschechisch-österreichisch-deutsches) Projekt Maßstäbe gesetzt, das unter dem Titel „Soziale Strukturen in Böhmen“ seit 1992 (Pilotphase) bzw. 1996 eine Reihe von Historikerinnen und Historikern dieser Länder zusammenführte und damit an mehreren der geschilderten ‚Problemzonen‘ tschechisch-deutschsprachiger Forschungskooperation ansetzte. Beteiligt waren Institute der Universitäten von Wien, Salzburg, Cambridge, Prag und Ceské Budejovice (Böhmisch Budweis), das Collegium Carolinum in München und das Státní ústrední archiv (Staatszentralarchiv) in Prag. Auf diese Weise wurden institutionelle Brücken geschlagen und Foren geschaffen, die deutschsprachige und tschechische Forschung in Dialog brachten; zugleich wurde Böhmen als bis dahin zu wenig beachtetes Territorium in den Fokus aktueller Fragen zur allgemeinen Frühneuzeitgeschichte gerückt. Offiziell abgeschlossen wurde das Projekt 1999. Der zu besprechende Band stellt die überarbeitete Fassung des Abschlussberichtes dar, der die Ergebnisse der Kooperation zusammenfasst und die derzeit in Form mehrerer Dissertationen erscheinenden Erträge der Teilprojekte in übergreifende Problemzusammenhänge integriert. 1

Das methodische Konzept des Projekts zeichnet sich bereits im Titel des Buches ab. Gelesen vor dem Hintergrund traditioneller Schwerpunktsetzungen in der neueren deutschen Wissenschaftsgeschichte, kündigt seine Formulierung einen methodischen Spagat an. Auf der einen Seite ein Verweis auf ‚soziale Strukturen‘ und damit auf den zentralen Gegenstandsbereich der klassischen Historischen Sozialwissenschaft; auf der anderen Seite der Bezug auf frühneuzeitliche Gutsherrschaftsgesellschaften, die seit den 1990er-Jahren untrennbar mit der Potsdamer Arbeitsgruppe um Jan Peters und damit mit einer historisch-anthropologisch überformten Sozialgeschichte verbunden sind. Die Einleitung (Markus Cerman, Hermann Zeitlhofer, S. 9-14) offenbart, dass diese Assoziation nicht zu weit greift: Ziel des Buches ist es, beide Lesarten von Sozialgeschichte zu integrieren und anhand einer Verknüpfung von Struktur- und Alltagsgeschichte zu einer „neuen Perspektive“ auf die „regionale Entwicklungsdynamik“ Böhmens in der Frühen Neuzeit zu gelangen (S. 9f.). Angesichts der früheren, scharf geführten Kontroversen und vor dem Hintergrund der problematischen - weil die jeweils andere Seite weitgehend ignorierenden - aktuellen Koexistenz zwischen beiden Richtungen stellt dies einen hohen Anspruch dar.

Obwohl jedoch die Befunde des Buches insgesamt überaus einleuchtend und für die Forschung bereichernd sind, wird ausgerechnet diese methodische Vorgabe nicht in dem Maß erfüllt, das die Einleitung verspricht. In insgesamt 17 Beiträgen stellen neun Autoren in zwei Durchgängen sechs böhmische Gutsherrschaftskomplexe vor. Der erste Durchgang gilt den strukturellen - politischen, ökonomischen, sozialen, demografischen - Gegebenheiten in den Fallstudienregionen. Ziel dieses Teils ist es, vergleichbare Größen zu präsentieren, anhand derer sich die soziale Entwicklung Böhmens aus der Perspektive der über das ganze Land verteilten Fallstudienregionen darstellen lässt. Im zweiten Teil des Buches wird an jeweils einer der Regionen ein thematischer Schwerpunkt intensiv untersucht. In beiden Teilen liefert der Band den Beweis, in welchem Umfang sich neue und alte Fragen der Frühneuzeitforschung beantworten lassen, wenn eine nahezu ideale Quellenlage und das geeignete methodische Instrumentarium aufeinander treffen. Den gemeinsamen Quellenbestand, aus dem alle Studien schöpfen, bildet eine Kombination mehrerer aufeinander folgender landesweiter Bevölkerungs- und Steuerverzeichnisse der Zeit zwischen 1650 und 1750. Angefangen mit dem ‚Untertanenverzeichnis nach dem Glauben‘ (Soupis poddaných podle víry) von 1651, einer der ältesten flächendeckenden Bevölkerungserhebungen Mitteleuropas, bis zur Okularvisitation zum Theresianischen Kataster, die gegen 1730 abgeschlossen war, wurden verknüpfte Datenbanken erstellt, die um weitere zur jeweiligen Herrschaft vorhandene, für Böhmen bislang wenig benutzte Quellen - Gerichts- und Grundbücher, Amtsprotokolle, Kirchenbücher - erweitert wurden. Das auf diese Weise entstandene umfangreiche Sample, das nach Grundbesitz wie auch prosopografisch-familienbezogen ausgewertet wird, erfüllt zum einen die Anforderungen an eine regionenübergreifende Vergleichsbasis, wie sie der noch genauer zu besprechende erste Teil des Bandes voraussetzt; zum anderen bietet es die Grundlage für die sehr unterschiedlichen thematischen Fragestellungen des zweiten Teils.

Diese Fragestellungen reichen von der Untersuchung des Gesindes als bislang für die Frühe Neuzeit schwer greifbarer Bevölkerungsgruppe (Eduard Maur, S. 111-125) über die Grundfragen einer typologischen Unterscheidung zwischen agrarischen und protoindustriellen Wirtschaftsregionen (Lenka Matušíková, Alena Pazderová, S. 126-144), des Zusammenhangs von sozialer Differenzierung, Wirtschaftstypus und Ausprägungsgrad der Gutsherrschaft (Markus Cerman, S. 174-191) und des Besitztransfers im Spannungsfeld zwischen Kauf und Erbschaftspraxis (Alice Velková, S. 228-239, Hermann Zeitlhofer, S. 240-261) bis hin zur Rekonstruktion von Lebensläufen in Gutsherrschaftsgesellschaften (Josef Grulich, S. 192-205). Hier werden eine Reihe von Grundannahmen der bisherigen Forschung aufgeweicht, die sich zum einen auf Böhmen beziehen (so über die generelle Verschärfung der Erbuntertänigkeit bzw. Entstehung einer „Zweiten Leibeigenschaft“ nach 1650 oder über die Ausformung des Systems der Gutsherrschaft als überwiegend agrarisch geprägtes System im 17. und 18. Jahrhundert), zum anderen aber auch übergreifende Geltung beanspruchen (so zur ‚Krise des 17. Jahrhunderts‘, zu den Auswirkungen der Gutsherrschaft auf Alltagsleben und untertänige Wirtschaft, zur Sozialdisziplinierung, zu Verläufen des Wandels in der ländlichen Sozialstruktur der Frühen Neuzeit, zur Bedeutung von Anerben- versus Realteilungsrecht, zu sozialer Mobilität in der ‚ständischen Gesellschaft‘, um nur die wichtigsten zu nennen). Berührt werden Fragen aus Sozial- und Agrargeschichte, Historischer Demografie und Familienforschung ebenso wie solche aus der bäuerlichen Protestforschung. Insgesamt gesehen belegt dieser zweite Teil überzeugend, welcher Erkenntniswert der mikrohistorischen Perspektive für makrohistorische Fragestellungen zukommt. Wenn etwa Dana Štefanová zeigen kann, dass das häufig dem Typus der Gutsherrschaft zugeschriebene Kennzeichen reduzierter untertäniger Selbstverwaltung auch in einer Phase weitgehend ausgebildeter Gutswirtschaft keinesfalls die Regel darstellte (S. 206-227), so ist dies der intensiven Auswertung von Schöppen- und Grundbüchern zu verdanken. Indem sie nachweist, über welche Handlungsspielräume Untertanen und Gemeinde über den gesamten Untersuchungszeitraum hin verfügten, stellt sie in kleinräumiger Untersuchung einen Bestandteil der etablierten Definition von Gutsherrschaft nachhaltig in Frage.

Während die Vielzahl an Anstößen für die Forschung, die von der zweiten Buchhälfte ausgehen, geeignet ist, die böhmischen Verhältnisse in einen europäischen Horizont einzubinden, zielt der erste Teil auf die dezidiert innerböhmischen Entwicklungen des Betrachtungszeitraums. Den Kernbefund aus dem überregionalen Vergleich zwischen den Fallstudienregionen bildet dabei der Satz aus der Zusammenfassung zu diesem Abschnitt (Markus Cerman, Eduard Maur), „Vielfalt war eines der wichtigsten Merkmale der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Böhmen in der frühen Neuzeit“ (S. 101). Mit dieser Feststellung werden vor allem diejenigen Annahmen zur böhmischen Frühneuzeitgeschichte erschüttert, die auf schematischer Charakterisierung von Phänomenen und vereinfachter Typologisierung von Regionen aufbauen: Eine sozioökonomische Zweiteilung Böhmens in Kernland und Gebirgszone, eine soziostrukturelle Entpolarisierung der ländlichen Gesellschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg, eine allgemeine Phase des Niedergangs nach Krieg und Rekatholisierung, einen linearen Zusammenhang zwischen sozialer Differenzierung und Protoindustrialisierung hat es in den bisher angenommenen Formen nicht gegeben. Die zukünftige Beschäftigung mit diesen Fragen muss daher, so das zentrale Postulat, über die umfassende Analyse möglichst vieler Faktoren führen, von denen die sozialen Gegebenheiten in der jeweiligen Region beeinflusst wurden. Dies liegt als Ergebnis des mikrohistorischen Zugriffs auf einer Linie mit den Chancen, die dieser Perspektive originär innewohnen; zudem folgt es einem grundsätzlichen Trend der Forschung, demzufolge zunehmend versucht wird, anstelle zeitgenössischer Normen deren Echo in der sozialen Realität zu erfassen. Neu ist hier, in welchem Maße dem Ergebnis eine sonst selten zu erreichende Dichte ‚statistischer Daten aus vorstatistischer Zeit‘ zugrunde liegt, die aus der synchronen wie diachronen Auswertbarkeit des oben beschriebenen Samples resultiert. So werden die Ergebnisse - etwa die erstmals geschlossen dokumentierten grundsätzlichen Veränderungen der ländlichen Sozialstrukturen im Betrachtungszeitraum - mit bislang nicht verfügbaren empirischen Datenreihen untermauert. Auch wenn die quellenkritischen Überlegungen zu den einzelnen hier eingeflossenen Verzeichnissen nicht in allen Beiträgen gleich transparent erscheinen (vgl. etwa S. 133 gegenüber S. 97, 112: ist das Soupis poddaných von 1651 nun als vollständiges Verzeichnis mindestens der beichtfähigen Bevölkerung anzusprechen, oder ist - im jeweiligen Fall oder generell - von nicht gekennzeichneten Lücken in der Erfassung auszugehen? Ähnlich S. 62 u.ö.), stellt dies eine der vielen bemerkenswerten Leistungen des Projektes dar.

Bei allen Rückgriffen auf die kleinräumige Perspektive bleiben allerdings hinsichtlich des grundsätzlichen Verhältnisses von Mikro- und Makrogeschichte, das laut Einleitung eine der methodischen Pointen des Buches ausmacht, gerade im ersten Teil viele Fragen offen. Wo liegt, wenn die Notwendigkeit kleinräumiger Differenzierung jenseits von Großeinheiten ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen darstellt, der Nutzen statistischer Auswertung nach den historischen (politischen) Kreisen des Königreichs (S. 106f.)? Welche Rolle spielt Böhmen als Bezugsgröße, wenn sich in einzelnen Regionen die Beziehungen und Parallelen zu Nachbargebieten anderer Territorien (Oberlausitz, S. 50 u.ö, Oberösterreich, S. 20 u.ö.) als ebenso wichtig oder wichtiger für das Verständnis der jeweiligen Sozialstruktur erweisen, als die zur böhmischen Nachbarschaft? Wie binden sich die stark differierenden Einzelbefunde in eine Dichotomie „typisch“/„untypisch“ ein (S. 98)? In welchem Verhältnis stehen sie zu traditionell definierten Wirtschafts- und Ökotypen (S. 101), wie sie als Untersuchungsfolie und zur Begründung der Fallstudienauswahl herangezogen werden? Der Band löst das methodische Grundproblem von Ausschnitt und Ganzem letztlich in ein Nebeneinander auf, wodurch eine Chance, die die außergewöhnliche Quellenbasis für diese Frage bietet, ungenutzt bleibt. Hier bleibt es späteren Forschungen vorbehalten, das empirische und methodische Angebot des Buches aufzugreifen.

Dass jedoch auch zur Dekonstruktion einzelner überkommener Thesen, wie sie in den Studien des Projekts mustergültig vorexerziert wird, die Gegenüberstellung von Makrotheorie und Mikrobefund nur dann wirklich beiträgt, wenn sich beide in ein nachvollziehbares Verhältnis zueinander bringen lassen, erweist sich am Beitrag von Sheilagh Ogilvie (S. 145-173): Der Versuch, wirtschaftswissenschaftliche Theorien der bäuerlichen Ökonomie (herangezogen werden Cajanov, Sombart, Shanin, Mironov u.a.) durch die Untersuchung herrschaftlicher Amtsprotokolle zu widerlegen, erscheint streckenweise wie ein Kampf gegen selbst aufgestellte Pappkameraden. Die Tatsache, dass sich die Bewohner der nordböhmischen Herrschaft Friedland/Frýdlant ihre Arbeit entlohnen ließen, dass sie über ein Kreditsystem verfügten und in individuelle Marktbeziehungen eingebunden waren, bietet an sich noch keinen für die aktuelle Agrargeschichtsforschung erstaunlichen Befund. Die von Ogilvie festgestellte Divergenz zwischen Theorie und Empirie ist hier in erster Linie auf Probleme der Kompatibilität zwischen Historiografie und ökonomischen Theorien zurückzuführen. Dagegen haben im eigentlichen Sinne wirtschaftsgeschichtliche Theoretiker wie die ebenfalls herangezogene Göttinger 'Protoindustrialisierungsgruppe' (Kriedte/Medick/Schlumbohm) die für Friedland erhobenen Zusammenhänge keinesfalls bestritten. Das von ihnen postulierte „vorkapitalistische Reservat“ einer ländlichen Wirtschaftsweise zu widerlegen, wie Ogilvie dies anstrebt (S. 149), wäre überzeugender ausgefallen, wenn sie anstelle der präsentierten Befunde weiterführende Nachweise beigebracht hätte, die belegt hätten, dass - etwa im Fall von Arbeits- und Produktionskosten - der wirtschaftliche Horizont der Landbevölkerung auch solche Größen zueinander in Beziehung setzte, die außerhalb des unmittelbar lebensweltlich Erfahrbaren lagen. Diesen Nachweis jedoch bleibt der Beitrag schuldig, so dass die eigentlichen Ergebnisse der Quellenauswertung - die durchaus beachtlichen und innovativen Erkenntnisse darüber, wie „die ökonomische Welt der Untertanen“ (Titel des Beitrags) aussah und funktionierte - durch die fehldimensionierte Fragestellung in den Hintergrund geraten.

Unbefriedigend bleibt der gelegentliche Rekurs auf historische Anthropologie (explizit S. 206) und Alltagsgeschichte. Obwohl an verschiedenen Stellen in Einleitung, Zusammenfassung und einzelnen Beiträgen alltagsgeschichtliche und lebensweltliche Zusammenhänge beschworen werden, finden sich Problemfelder wie etwa persönliche oder Familienstrategien, deren Ausprägung als soziale Praxis hätte untersucht werden können, auf ihre äußeren, letztlich strukturell übersetzten Aspekte reduziert. Dagegen bleibt die „Disposition und Realität menschlichen Verhaltens im allgemein-historischen und konkret-lebensweltlichen Zusammenhang“ (Jan Peters) 2 nur implizit gegenwärtig, obwohl Ansätze dazu aufgezeigt werden. So bringt Josef Grulich in das Verhältnis zwischen Untertanen und Herrschaft mit Person und Funktion der Hauptleute eine Dimension erfahrbarer obrigkeitlicher Macht ein (S. 88-91; S. 95), und Dana Štefanová plädiert in ihrem Beitrag zur Stellung der Untertanen in der Gutsherrschaft dafür, dieses Verhältnis nicht allein über ökonomische und obrigkeitliche Rahmenbedingungen, sondern ergänzend aus der Perspektive der Untertanen darzustellen - was aber eben nicht allein hinsichtlich ihrer Institutionen geschehen kann (S. 206, 213, 216).

Der Großteil dieser Einwände mag in erster Linie dem Ausschnittcharakter des Bandes geschuldet sein, der zwar Ergebniszusammenfassung, aber keinesfalls Gesamtdarstellung zu den Einzelstudien des Gesamtprojekts sein will und kann. Aus dieser spezifischen Aufgabenstellung heraus kommt dem Buch an vielen Stellen der Charakter eines Leitfadens zu, der Themen und Befunde des Projekts präsentiert und zur bisherigen Forschung in Beziehung setzt. Zum weiteren Beleg im Einzelnen und zur Vertiefung der angeschnittenen Probleme findet sich der Leser dagegen auf die in den Anmerkungen und der Bibliografie angeführten Einzelstudien der Projektmitarbeiter verwiesen. Dennoch ist hier zugleich ein übergreifender Einstieg mit Handbuchqualitäten entstanden, der als Orientierung über die Thematik auf aktuellstem Forschungsstand nachdrücklich zu empfehlen ist. Angesichts der einleitend erwähnten kommunikativen Defizite in der grenzüberschreitenden Forschungsdiskussion bietet er mit seiner umfangreichen Auswahlbibliografie und als grundlegende Auseinandersetzung mit zentralen Fragen der böhmischen Frühneuzeitgeschichte einen ergiebigen Zugang zur Sozialgeschichte des Landes. Parallel dazu liegt hier ein essenzieller Beitrag zu den behandelten Grundproblemen der Frühneuzeithistoriografie vor, der sein Thema nachdrücklich in einen gesamteuropäischen Forschungshorizont einordnet. Projekt und Abschlussband geben damit Impulse für die Sozialgeschichte, die - so ist zu wünschen - über die Beschäftigung mit Böhmen hinaus auf Resonanz stoßen werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. im Überblick die Projektdarstellung unter http://www.univie.ac.at/Wirtschaftsgeschichte/P_BoeSozialstruktur.html. Dort auch ein ausführliches Verzeichnis der aus dem Projekt hervorgegangenen Publikationen.
2 Peters, Jan, Gutsherrschaftsgeschichte in historisch-anthropologischer Perspektive, in: Ders. (Hg.), Gutsherrschaft als soziales Modell. Vergleichende Betrachtungen zur Funktionsweise frühneuzeitlicher Agrargesellschaften, München 1995, S. 3-21, hier S. 5.

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