Cover
Titel
Sparte. Histoire politique et sociale jusqu'à la conquête romaine


Autor(en)
Lévy, Edmond
Reihe
Points. Histoire 329
Erschienen
Anzahl Seiten
364 S.
Preis
€ 9,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Schubert, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Sparta hat Konjunktur: Sammelbände, Studienbücher, Einführungen, Monografien sind in den letzten Jahren in immer schnellerer Abfolge erschienen. Ob Sparta auf dem Weg ist, das Paradigma Athen abzulösen, ist noch nicht abzusehen, aber immerhin scheint die Geschichte Spartas eines der neuen Lieblingsobjekte für das Erproben der Konstruktions- bzw. Dekonstruktionsinstrumentarien zu sein. Die extremen Unterschiede in Datierungen (z.B. im Falle des Grunddokuments der politischen Ordnung, der Großen Rhetra, oder der messenischen Kriege) und Bewertungen politischer, gesellschaftlicher und sozialer Phänomene (z.B. der Entstehung des Ephorats, der spartanischen Eunomie, der Krypteia, der Oliganthropie usw.) weisen auf unterschiedliche Methoden im Hinblick auf die antike Quellenlage hin.

Das alles mag zum Ausgangspunkt eines modernen Mythos taugen oder nicht, jedenfalls ruft die Position, die Lévy in seinem Vorwort angesichts dieser Kontroversen einnimmt, bei der Rezensentin doch ein erhebliches Unbehagen hervor: Die Gegensätzlichkeit wird von Lévy in der Gegenüberstellung eines 'blinden Vertrauens' in die antiken Quellen, insbesondere Plutarch und Pausanias, einerseits und einer radikalen Abkehr von diesen Quellen durch den Ersatz einer modernen Rekonstruktion andererseits charakterisiert. Er stellt diese konträren, wissenschaftlich jedoch breit verankerten Herangehensweisen im Folgenden allerdings in ein anderes Licht: "Cette dernière attitude (sc. reconstruction moderne) risque de déboucher sur le 'négationnisme': si l'on ne peut connaître que des opinions, il y a ceux qui disent qu'Auschwitz a existé et ceux qui disent que ce n'est qu'un mythe [...] et je ne peux conclure" (S. 7). Damit spricht Lévy den Vertretern einer radikal kritischen Position, die im Übrigen gerade in der deutschen Altertumswissenschaft eine lange und fruchtbare Tradition hat, in einer Weise die wissenschaftliche Seriosität ab, die nicht gerechtfertigt ist. Diese Eingangsbemerkung ist für die Rezensentin umso unverständlicher, als Lévy im Verlauf seiner Darstellung auch die neueren, durchaus nicht wenigen, dem Sparta-Mythos gegenüber sehr kritischen Untersuchungen ausführlich und angemessen berücksichtigt.1

Die Stärken des Buches liegen in den Kapiteln, die sich systematisch mit der Struktur von Politik, Gesellschaft und Sozialsystem befassen, während diejenigen Kapitel, die eher chronologisch das historische Geschehen darstellen, fast kursorisch und teilweise auch lückenhaft wirken. Trotz eines beschränkten Umfangs ist es aber durchaus möglich, beiden Anliegen gleichermaßen gerecht zu werden.2 Bei Lévy ist es jedoch angesichts seiner anderen Werke, insbesondere zur Geschichte des 5. Jahrhunderts v.Chr., durchaus verständlich3, dass er gerade diese Zeit hier etwas stiefmütterlich behandelt hat.

Lévy beginnt mit einem kurzen Überblick zur Herkunftsfrage der Spartaner (Achäer/Dorier), in dem er weniger auf die spätere Ausgestaltung des eigenen Herkunftsmythos als auf die schwierigen und sich über eine lange Zeit erstreckenden Versuche der Spartaner eingeht, die Dominanz auf der Peloponnes zu erreichen. Dazu rechnet er auch die messenischen Kriege, wobei er den ersten messenischen Krieg an das Ende des 8. Jahrhunderts und den Zweiten vor der Mitte des 7. Jahrhunderts v.Chr. datiert. Auch die Große Rhetra, die er als Fixierung einer territorialen Organisationsstruktur ähnlich der kleisthenischen Verfassung interpretiert - wobei die Überlieferung bei Plutarch seiner Ansicht nach eine ältere Version als diejenige bei Tyrtaios darstellt -, und das Werk des Tyrtaios schließt er in dieses Kapitel ein. 'L'organisation social' umfasst dann eine Erläuterung der agoge, der Syssitien, der Besitzfragen, der Stellung spartanischer Frauen, des religiösen Lebens sowie der Heloten und Periöken. Dieses und das folgende Kapitel über die Könige und Ephoren, denen sich kurze Bemerkungen über die Gerusia sowie die Volksversammlung anschließen, stellen den Hauptteil des Buches dar. Im Hinblick auf die verschiedenen politischen Gewichte betont Lévy weniger die Konkurrenz als ihr Zusammenwirken, vor allem zwischen Gerusia und Ephorat, das von Thommen 4 neuerdings sehr treffend als 'korporative Regierung' bezeichnet worden ist.

Die Darstellung der politischen Geschichte in den beiden folgenden Kapiteln gliedert sich nach den zwei Perioden vom 6. Jahrhundert bis zum Jahr 362 v.Chr. (Schlacht von Mantineia) sowie vom 4. Jahrhundert bis zum Jahr 146 v.Chr. (Unterwerfung durch Rom). Das letztere Kapitel widmet sich hauptsächlich den Umstürzen und Reformversuchen unter den spartanischen Königen Agis IV. (244-241/0 v.Chr.), Kleomenes III. (235-222 v.Chr.) und Nabis (207-192 v.Chr.), wobei Lévy die gemeinsame Linie in den sozialreformerischen Ansätze hervorhebt, die auf eine Ausweitung des Bürgerverbandes vor allem durch Helotenbefreiung hinauslief. Die letztliche Erfolglosigkeit dieser Reformprogramme sieht Lévy in der spartanischen Neigung zum Archaismus begründet, die eine rechtzeitige Anpassung an veränderte militärische und gesellschaftliche Bedingungen verhindert habe.

Anmerkungen:
1 So z.B. Kennells Untersuchungen zur agoge, vgl. Kennell, Nigel M., The Gymnasium of Virtue. Education and Culture in Ancient Sparta, Chapel Hill 1995.
2 Vgl. nun insbesondere Thommen, Lukas, Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis, Stuttgart 2003.
3 Lévy, Edmond, La Grèce au Ve siècle. De Clisthène à Socrate, Paris 1995; Ders., Athènes devant la défaite de 404, Paris 1976.
4 Vgl. Anm. 2.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Land
Sprache der Rezension