Cover
Titel
Barbarische Bürger. Die Isaurier und das Römische Reich


Autor(en)
Feld, Karl
Reihe
Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 8
Erschienen
Berlin u.a. 2005: de Gruyter
Anzahl Seiten
VII, 411 S.
Preis
€ 78,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tassilo Schmitt, Institut für Geschichte, Universität Bremen

Die ursprünglich als Dissertation an der Freien Universität Berlin entstandene Arbeit präsentiert sich als "Lehrstück über ethnische Identität in der Spätantike": Feld will die Beziehungen zwischen den Isauriern und dem Römischen Reich untersuchen (S. 2). Der Einleitungsteil (S. 1-13) unter dem Titel "Fragestellung und Methode" besteht aus einer sehr knappen Skizze der allgemeinen Zielsetzung vor dem Hintergrund der jüngeren Forschung. Außerdem wird der Stoff chronologisch in vier Abschnitte eingeteilt: (a) Eroberung durch die Römer, (b) Integration, (c) neue Selbständigkeit seit dem 3. Jahrhundert und (d) der Versuch zur Zeit Kaiser Zenons, Isaurier in erfolgreiche Stellungen zu bringen, der unter Anastasios endgültig scheitert. Schließlich werden die (literarischen!) Quellen und Forschungstitel bis hin zu Reiseberichten und Lemmata in Lexika summarisch abgehandelt.

Das zweiten Kapitel "Siedlungsgebiet, ethnische Identität und Religion der Isaurier" (S. 13-55) enthält einen Überblick über "das geographische Profil" (S. 13ff.) des Landes, in dem neben Weidewirtschaft und Transhumanz auch "städtische Entwicklung" und Landwirtschaft möglich gewesen seien. Der betrachtete Raum entspricht dabei dem der spätantiken Provinz Isauria nebst der anschließenden lykaonischen Gebiete (S. 16ff.). Eine Karte, auf der auch die im Folgenden aufgelisteten "Städte" (S. 19-34) und "Nachbarvölker" (S. 35f.) hätten eingetragen werden können, fehlt. Dass es überhaupt eine ethnische Identität gegeben habe, scheint Feld gegen Zweifel in der Forschung deswegen erweislich, weil neben Namen von Einzelstämmen auch ein übergreifendes Ethnikon existiert habe und weil die Isaurier mit den aus dem Mythos bekannten Solymern identifiziert worden seien: Angesichts der "Zeugnisse für eine Fremdbezeichnung ist davon auszugehen, dass die Isaurier sich auch selbst von einem sehr frühen Zeitpunkt an selbst als Volk gesehen haben müssen." Feld gesteht zu, dass sich "ein ethnisch reiner Kern" nicht herausschälen lasse (S. 40f.), und wendet sich dann der luwischen Sprache zu, die sich bis in die Spätantike gehalten habe. Kulte sowie materielle und epigraphische Quellen belegen ein "ausgeprägte(s) religiöse(s) Empfinden" (S. 44).

In diesen Ausführungen ist die inzwischen seit Jahrzehnten intensiv geführte wissenschaftliche Diskussion über Ethnizität und Ethnogenese beinahe vollständig ignoriert; nur in dem wenig überzeugenden Versuch, ein isaurisches Selbstverständnis als Volk zu erweisen, ist noch ein Reflex davon zu erkennen. Dominiert wird Felds Gedankenführung hingegen von obsoleten Vorstellungen einer sich nicht zuletzt in Sprache und Religion ausdrückenden, die Zeiten überdauernden Eigenart. Diese kann aber so nicht erwiesen werden, zumal die angeführten Kriterien sich nicht klar und eindeutig auf die Isaurier beziehen lassen. Der hier wie schon im Einleitungskapitel zu konstatierende Verzicht auf theoretische Reflexion führt dazu, dass Feld den zentralen Gegenstand seiner Untersuchung nicht überzeugend zu konstituieren vermag. Statt des intendierten "Lehrstückes" handelt es sich bei seiner Arbeit um eine Sammlung von Einzelbetrachtungen, die einerseits dadurch veranlasst sind, dass in den Quellen von Isaurien oder Isauriern die Rede ist oder die andererseits auch nur in den geografischen Raum gehören, der in der römischen Kaiserzeit als isaurisch gilt.

Im Abschnitt mit dem irreführenden Titel "Die römische Verwaltung Isauriens" (S. 56-118) polemisiert Feld zunächst gegen Shaws These, dass (das später so genannte) Isaurien nie hinreichend beherrscht wurde.1 Dafür blickt er bis in die Bronzezeit zurück. Diese Rückblende ist voller Mißverständnisse und Irrtümer: Beispielsweise werden im Zusammenhang mit den hethitischen Verhältnissen die erst im ersten vorchristlichen Jahrtausend belegten Namen Que/Hue und Hilakku eingeführt; die Behauptung, dass die Assyrer seit dem 9. Jahrhundert "in das Hethiterreich" eingefallen seien, ist – Jahrhunderte nach dessen Untergang – absurd (S. 57). Eine frühe griechische Kolonisation der Gegend ist zumindest umstritten. Auch die weitere Geschichte der Region bis zum römischen Eingreifen wird in knappen Strichen und mit zufällig herangezogener Literatur behandelt. So läßt sich keine solide Basis für eine These legen.

Ausführlich schildert Feld die Geschichte der römischen Eroberung und Verwaltungsgliederung des Gebietes bis hin zur Einrichtung der Provinz Isauria unter Diokletian. Neuere Überlegungen zu "Cilicia" in der frühen Kaiserzeit konnten dabei nicht mehr berücksichtigt werden.2 Die Darstellung ist generell plausibel, wenn die schwierige Quellenlage im einzelnen häufig auch andere Rekonstruktionen zuläßt: Muß man beispielsweise wegen CIL III 6783 wirklich annehmen, dass Gordian III. die diokletianische Provinz bereits vorweggenommen hat, oder könnte es sich hier bei "Isauria" nicht um eine der als Eparchien belegten Untereinheiten Kilikiens handeln? Die Lokalisierung der Kieten im Ebenen Kilikien, weil diese Gegend in assyrischen Quellen "Que" heißt (S. 80, Anm. 145; vgl. 57), ist unbegründet, die Charakteristik ihrer Kämpfe gegen die Römer als "Rebellion" oder "Aufstand" bleibt gerade dann unverständlich, wenn es sich um "Widerstand einheimischer Stämme gegen die Übernahme durch ein großes Staatsgebilde" (S. 81) handelt.

Zu den Besonderheiten der spätantiken Ordnung Isauriens gehört es, daß in dieser Provinz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten im übrigen Reich zivile und militärische Zuständigkeit vereinigt blieben. Feld hält es für möglich, dass neben dem comes et praeses hier auch noch ein dux amtiert haben kann, "sofern der comes diese Funktion nicht selbst ausübte" (S. 89). Diese Vermutung hätte angesichts dessen, daß ein Nebeneinander von comes und dux in den Quellen nicht belegt ist, eine ausführlichere Erörterung verdient. Militärische Unterwerfung, vor allem aber Straßenbau und Urbanisierung führten in der Hohen Kaiserzeit zur Befriedung des Landes; auch im Landesinneren waren Täler und Ebenen Keimzellen der civilitas. Das komplementäre Verhältnis von Stadt und Land widerlege die übliche These von zwei getrennten Welten. Feld trägt in diesem Abschnitt eindrückliche Zeugnisse für Prosperität zusammen. Doch müssen von dem nachweislichen Wohlstand keineswegs alle hinreichend profitiert haben: Begrifflich bleibt vieles problematisch wie etwa die Aussage, dass die "die gegenseitige Abhängigkeit der Hirten als Produzenten von städtischen Märkten und der Städter von den Hirten als Konsumenten [...] als Beleg für eine fortgeschrittene Romanisierung gelten" könne (S. 118).

"Die großen Aufstände" (S. 119-206), denen der nächste Hauptabschnitt gilt, charakterisiert Feld als Folge der Unfähigkeit des Reiches im 3. Jahrhundert, Sicherheit zu gewährleisten. Vor allem Schapurs Feldzug im Jahre 260 bis weit nach Isaurien habe sich katastrophal ausgewirkt, weil sich diese Region anders als Großstädte eben nicht so leicht davon erholen konnte. Die ökonomische Krise sei in eine "Rebarbarisierung" gemündet, die Feld nicht zuletzt an der Darstellung der Usurpation Trebellians diagnostiziert, auch wenn er die geschilderten Ereignisse selbst für unhistorisch hält. Von der Forschung als Symptome für politische Verselbständigungstendenzen gedeutete Begebenheiten wie die sich schließlich um Kremna konzentrierenden Auseinandersetzungen unter Probus müßten als "Verzweiflungstat einer durch die sich überstürzenden Ereignisse in die Defensive gedrängten Räuberbande" (S. 131) gelten. Neben dem Perserkrieg hätten auch die Züge von Goten und Herulern die Ordnung destabilisiert und viele Bewohner in Piraten- und Banditenexistenzen gedrängt. Dabei hätten sie zwar überregionale Kommunikationsstrukturen, nicht aber einen selbstständigen politischen Raum geschaffen.

Ebenso seien die Aufstände in der Zeit der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert wesentlich durch äußere Einflüsse, hier durch die Raubzüge in Folge der Gainas-Krise, veranlasst worden. Der Umgang mit den Goten liefert Feld aber auch umgekehrt das Modell dafür, wie die weitere Gestaltung des Verhältnisses zwischen dem Reich und den Isauriern verstanden werden kann: Nach dem Muster der Föderaten habe man die rebarbarisierten Isaurier wiedereinzugliedern versucht. Auch in diesem Abschnitt kann Feld vermeintliche Gewißheiten der Forschung in Frage stellen. Auch hier aber leiden seine eigenen Thesen grundsätzlich an begrifflicher Sorglosigkeit. Feld lehnt die Erklärung ab, dass "Tribalismus" eine Rolle gespielt habe, und verweist auf die vorausgehende Romanisierung und auf den zu geringen Organisationsgrad der Aufständischen. Was bedeutet es dann, dass in den Quellen aber immer von den Taten der "Isaurier" die Rede ist? Sind das nur polemische Reminiszenzen? Worin drückt sich nach der angeblich starken Romanisierung dann aber die ethnische Identität aus, die doch elementar dafür sein muss, dass Feld diese Entwicklungen überhaupt im Zusammenhang mit der früheren Geschichte der Isaurier behandelt? In welchem (dynamischen?) Verhältnis stehen Fremdbezeichnungen und Selbstverständnis? Kühn erscheint auch die Ansicht von einem föderatenähnlichen Modus vivendi gerade dann, wenn man vorab tribale Verselbständigung in Abrede stellt.

Im Kapitel über "Isaurier im Machtzentrum" (S. 207-338) behandelt Feld Aufstieg und Schicksal des älteren Zenon und seines jüngeren Namensvetters, des späteren Kaisers. Überzeugend werden die Wurzeln in regionalem Landbesitz und in der Rolle als Militärbefehlshaber beleuchtet. Weiterhin ist zuzugeben, dass in den Konflikten insbesondere um den Kaiser Zenon dessen Herkunft aus Isaurien in den Quellen immer wieder angesprochen wird und dass er Unterstützung in seiner Heimat gesucht und gefunden hat. Wenn man aber überdies berücksichtigt, wie stark Zenon umgekehrt durch politische Allianzen und Heiratsverbindungen in den Militäradel seiner Zeit eingebunden war und dass auch seine Rivalen in Isaurien starke Machtbasen errichten konnten, wird zweifelhaft, ob diese Auseinandersetzungen als Lehrstück über isaurische ethnische Identität richtig eingeordnet sind. Auch die Nennung der Isaurier im Rahmen der Gesetzgebung über die Buzellarier lässt kaum direkt auf ein Bewußtsein eigener Identität schließen, "welche einer erneuten Integration [also des rebarbarisierten Volkes] im Wege stand" (S. 234). Diese Regelungen lassen eher an Wehrunternehmer denken, die unter dem kampfprestigeträchtigen Namen "Isaurier" ihre Dienste anboten. Ganz gewiss sind manche, auch wesentliche Eigenarten von Zenons Politik durch seine Herkunft aus Isaurien (mit-)geprägt. Feld unterlässt es aber, systematisch zu differenzieren, inwiefern hier Entscheidungen und Reaktionen eines Herrschers vorliegen, der eben nicht aus der Hauptstadt, sondern aus einer entfernten Provinz stammte.3

Erst Zenons Nachfolger Anastasios habe die Isaurier erfolgreich als Machtfaktor ausgeschaltet. Danach habe es nur mehr einzelne Banden gegeben. Gefahr sei von ihnen nicht mehr ausgegangen. Die Isauriertruppen Justianians, die im Rahmen des knappen Kapitels "Fortleben" (S. 339-348) angesprochen werden, ließen sich nicht als neuerliche Reintegration deuten, sondern wären eher als Fremde im Heeresdienst zu verstehen. Im Einzelnen schweifen die Betrachtungen in diesen Abschnitten oft weit vom zentralen Untersuchungsgegenstand ab und wachsen sich zu einer Gesamtanalyse der Herrschaft Zenons (inklusive eines Appendix zur Folgezeit) aus. Sie enden in einer positiven Gesamteinschätzung des Kaisers, dem es um Integration seines Volkes, um die finanzielle Unabhängigkeit von den Persern, um einen Ausgleich mit Westrom und um die Kanalisierung des Monophysitismus gegangen sei. Viele komplizierte Fragen der Reichs- und der Religionspolitik können in diesem Rahmen gar nicht befriedigend besprochen werden. Feld hätte auf große Teile davon besser verzichtet. Denn wie oben in den Ausführungen über die ältere Zeit vor der römischen Eroberung, schleichen sich schwere Fehler ein: Kyrill von Alexandria etwa wird als "Monophysit" bezeichnet (S. 293)! Umgekehrt vermisst man eine eindringliche und nicht nur kursorische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der "Isaurian builders" (Cyril Mango).

Unter dem Titel "Ergebnis: Die Gründe für die Barbarisierung der Isaurier" (S. 349f.) formuliert Feld noch einmal seine zentrale These vom Scheitern der Integration der Isaurier durch die Krisen des 3. Jahrhunderts, ein Scheitern, das dann auch unter einem isaurischen Kaiser nicht mehr geheilt werden konnte, weil die Isaurier sich nunmehr dem kollektiven Gedächtnis als "Barbaren" eingebrannt hatten. Als Tafeln sind dem Band eine chronologisch geordnete Tabelle der Quellenstellen zu den Konflikten mit den Isauriern, eine Liste der praesides und comites Isauriae mit Belegstellen, eine Kartenskizze und die Kopie des Titelsblattes für den comes Isauriae in der Notitia dignitatum beigegeben. Literaturverzeichnis und Register schließen den Band ab.

Es ist bedauerlich, dass Feld sein Thema theoretisch nicht schärfer bestimmt und dann konziser verfolgt hat. In der Auseinandersetzung mit Positionen der Forschung begnügt er sich zu oft damit, auf vermeintlich widersprechende Aussagen in den Quellen zu verweisen. Er berücksichtigt zu wenig, dass diese zunächst in ihren Kontexten zu verstehen sind, also gerade nicht unmittelbar auf moderne Fragen antworten, und dass analytisch zwischen Nachrichten über (nachprüfbares) Handeln und solchen über Motivationen unterschieden werden muss. Mit Recht hat Feld die Frage nach den "Isauriern" auf die Tagesordnung der Forschung gesetzt und mit im Einzelnen beachtlichen Ergebnissen erste Antworten gegeben. Es bleibt aber noch viel zu tun.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa: Shaw, Brent D., Bandit highlands and lowland peace. The mountains of Isauria-Cilicia, JESHO 33 (1990), S. 199-233, 237-270.
2 Schmitt, Tassilo, Provincia Cilicia. Kilikien im Imperium Romanum von Caesar bis Vespasian, in: ders.; Schmitz, Winfried; Winterling, Aloys (Hrsg.), Gegenwärtige Antike – antike Gegenwarten. Kolloquium zum 60. Geburtstag von Rolf Rilinger, München 2005, S. 189-222.
3 Vgl. auch: Croke, B., Dynasty and ethnicity: Emperor Leo I and the eclipse of Aspar, in: Chiron 35 (2005), S. 147-203, der nun auch die Bedeutung der Ethnizität als eines die Politik entscheidenden Faktors bestreitet.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension