P. Schmelzer: "Black and White, unite and fight"

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Titel
"Black and White, unite and fight". Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party


Autor(en)
Schmelzer, Pablo
Erschienen
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 30,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michaela Hampf, Freie Universität Berlin

Pablo Schmelzers gut geschriebene Studie untersucht die Wahrnehmung der Black Panther Party (BPP) in der bundesdeutschen Studierendenbewegung im Spannungsfeld des Internationalismus der BPP und des Aktivismus in Deutschland stationierter afroamerikanischer GIs. Die Quellenbasis dieser theoretisch avancierten Arbeit bilden die in der Bundesrepublik veröffentlichten Untergrundzeitungen, die in der Regel von „afroamerikanischen GIs verfasst und von deutschen Studierenden gedruckt, vertrieben und auch rezipiert“ wurden (S. 43), sowie interne Protokolle der Unterstützer:innenszene. Schmelzer versucht die kurzfristige „intensive Zusammenarbeit“ zwischen BPP, afroamerikanischen GIs und Studierendenbewegung zu rekonstruieren, die zwar nur von einem kleinen Teil der in Deutschland stationierten afroamerikanischen Soldaten und einer Minderheit der westdeutschen Studierenden getragen wurde, aber dennoch eine Gegenöffentlichkeit etablieren konnte.

Die Studie ist nach der ausführlichen Einleitung in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es um die Grundlagen der Kooperation zwischen Studierenden und schwarzen GIs, im zweiten um die Transferprozesse zwischen den Akteur:innen in den USA und der Bundesrepublik, während der dritte Teil die „performativen und habituellen Effekte“ (S. 46) der diskursiven Wechselbeziehungen thematisiert. In einer tiefgehenden Analyse der Dokumente schildert Schmelzer die Entwicklung der Kooperation zwischen BPP, GIs und Studierenden. In beeindruckender Weise belegt er im zweiten Teil des Buches die Verbindungen der Diskurse zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA. Schmelzer nennt dies zutreffend ein „entlastende[s], exkulpatorische[s] Bedürfnis“ (S. 79). So geht er in einer dichten Beschreibung der Entwicklung der bundesdeutschen Linken nach, die sich der Sprache und des Bildervorrats der BPP bediente, ohne zu verstehen, welche Relevanz die BPP innerhalb der Bürgerrechtsbewegung für die Entwicklung antirassistischer Positionen hatte (S. 117–124). Bezeichnenderweise wurde immer wieder auf den von Ende 1968 bis 1975 im Exil lebenden Eldridge Cleaver rekurriert, während die kalifornischen „Panther“ aus dem Blickfeld verschwanden. Auch die Diskussion des hypermaskulinen Texts „Soul on Ice“ von Cleaver zeigt noch einmal, wie weit die westdeutsche Linke von der Realität der Black Community in den USA entfernt war. Cleavers testosteronvergifteter Erguss aus dem Jahr 1968, in dem er zur Vergewaltigung weißer Frauen aufrief, war von der BPP längst kritisiert worden, während er in der Bundesrepublik immer noch als Teil einer Befreiungsstrategie gefeiert wurde.

Schmelzer gelingt im dritten Kapitel seiner Arbeit eine quellengesättigte Analyse des „Doing Gender“ sowohl bei Cleaver wie auch in der bundesdeutschen „68er“-Bewegung: Die Illusion der „sexuellen Revolution“ im deutschen radikalen Umfeld wird dekonstruiert als Einschreibungsprozess einer links gewendeten, homophoben Männlichkeit im Dienste der „Wiedergewinnung“ des männlichen Körpers. Während Huey P. Newton, zusammen mit Bobby Seale 1966 Gründer der BPP, sich eindeutig für die Emanzipation auch queerer Menschen in den USA aussprach, setzten große Teile der deutschen Linken auf die mobilisierende Wirkung einer hegemonialen Sexualpolitik und der ideologischen Laktifizierung in Gestalt des „White Negro“. Wie das Fazit des Buches zusammenfasst, unterlag die „Übersetzung entsprechender Diskursfäden innerhalb der [deutschen] Unterstützerszene“ bemerkenswerten „Brüchen, Verschiebungen und Ausblendungen“ (S. 181). Dies deutlich zu machen, ist Schmelzers Verdienst.

Ob man eine Geschichte der „Wahrnehmung“ der BPP in der Bundesrepublik schreiben kann, ohne auf die Historie der Partei in den USA näher einzugehen, ist allerdings eine offene Frage. Die Frühgeschichte der BPP war geprägt von überraschenden ideologischen Volten, persönlichen Auseinandersetzungen sowie der Spaltung der Partei in einen „Realoflügel“ mit Sitz in Oakland und einer verbalradikalen Auslandsfraktion, die sich nach Algier abgesetzt hatte. Das Ende der Kooperation zwischen deutschen „68ern“ und amerikanischen GIs bzw. der BPP war mithin ebenso dieser Spaltung geschuldet wie den innerdeutschen Problemen der Studierendenbewegung. Später wurde die BPP in der Regel bestenfalls als gescheiterter Versuch gedeutet, die schwarze Gemeinschaft zu stärken, und schlimmstenfalls als ein Zusammenschluss kommunistischer oder krimineller Radikaler wahrgenommen. Diese Einschätzung der BPP basiert nicht zuletzt auf einer fehlerhaften Chronologie, die die „offizielle“ Geschichte der Partei 1972 oder 1974 enden ließ.

Die Entscheidung Schmelzers, lediglich das in Deutschland verfügbare Material zu nutzen, hat Konsequenzen. Das seit den 1990er-Jahren zugängliche kalifornische Archivmaterial, etwa die umfangreichen Bestände der Huey P. Newton Papers in der Green Library (Stanford, CA) und anderer Sammlungen, hätte ein anderes Licht auf die Spaltung zwischen der Cleaver-Fraktion und dem Newton-Flügel sowie auf den „Bedeutungsverlust der BPP“ (S. 18) geworfen. Die in Kalifornien ansässige Newton-Sektion der BPP versuchte mit gewissem Erfolg, die Anziehungskraft der Partei auf die schwarzen Massen zu erweitern. So arbeitete sie intensiv mit anderen politischen Gruppierungen (Student Nonviolent Coordinating Committee, SNCC; National Association for the Advancement of Colored People; NAACP) und der Demokratischen Partei zusammen, stellte Kandidat:innen für Wahlen auf und registrierte Wähler:innen für die Präsidentschaftswahlen. Eine neue Chronologie würde somit das Ende des kalifornischen Flügels der BPP eher auf das Jahr 1984 festlegen1 und konstatieren, dass die Spaltung der Partei weitreichende Folgen für die Kooperation mit deutschen Studierenden hatte.

Obwohl sich Schmelzers Untersuchung auf eine breite Grundlage veröffentlichter Quellen, „unveröffentlichter“ Flugblätter und der in Deutschland leicht zugänglichen Sekundärliteratur stützt, fehlen die einschlägige US-amerikanische Forschung zur Geschichte der BPP sowie der Rekurs auf die Akten des FBI über die BPP, die im Rahmen des Counterintelligence Program angefallen sind. Archivquellen wie der Nachlass Huey P. Newtons, der auch die Briefwechsel mit den „Auslandsorganisationen“ der BPP enthält, oder die Bücher von Hugh Pearson und Charles E. Jones hätten Aufschluss über wichtige Aspekte des Internationalismus der BPP geben können.2 So erstaunt es nicht, dass die Einschätzung der BPP als „marxistisch-leninistische Kaderpartei“ (S. 13) kaum mit der tatsächlichen Entwicklungsgeschichte in Einklang zu bringen ist.

Schmelzer konzentriert sich wie gesagt ganz auf die „Wahrnehmung“ der BPP in der bundesdeutschen „Studentenbewegung“ (S. 21). Verdienstvoll ist es, wie er die produktiven Missverständnisse der Studierendenbewegung aufgreift. SDS-Funktionär:innen rezipierten allzu oft, aus Sicht der BPP, überholtes Material der Partei und hinkten der sich schnell entwickelnden parteiinternen Diskussion immer einige Takte hinterher. So stammte der von Newton – nicht von Cleaver, wie Schmelzer schreibt (S. 105) – verfasste Text „In Defense of Self Defense“ aus dem Jahre 19673, wurde aber erst 1971 von der Untergrundzeitschrift „Voice of the Lumpen“ abgedruckt ¬– zu einer Zeit, als er ideologisch längst überholt war. Besonders deutlich wird die verzögerte Rezeption der BPP in Deutschland im Kontext der Diskussion um das „Lumpenproletariat“, die für die an Marx und seinem „18. Brumaire“ orientierten SDS-Kader weitgehend unverständlich bleiben musste. Wie Cleaver in „On the Ideology of the Black Panther Party“ darlegte, war der Rückgriff auf das Lumpenproletariat das Brainchild Newtons. Dieser gab dem Begriff einen „uniquely Afro-American content“.4

Pablo Schmelzers Untersuchung – und das ist eine ihrer Stärken – dient demzufolge auch als Prisma einer Erkundung der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse der „Bonner Republik“, die von einem „(Nicht-)Verhältnis zum eigenen Weißsein“ geprägt gewesen sei (S. 41). Leider unbeachtet bleibt die Zusammenarbeit westdeutscher Studierender mit der algerischen Front de Libération Nationale (FLN) in den frühen 1960er-Jahren, die sich wie ein Vorläufer der Beziehungen zwischen afroamerikanischen GIs und „68er“-Szene ausnimmt.

Anmerkungen:
1 Vgl. bereits Norbert Finzsch, „Picking up the gun“: Die Black Panther Party zwischen gewaltsamer Revolution und sozialer Reform, 1966–1984, in: Amerikastudien/American Studies 44 (1999), S. 223–254, URL: <https://archive.org/details/finzsch-black-panthers (20.01.2022)>.
2 Hugh Pearson, The Shadow of the Panther. Huey Newton and the Price of Black Power in America, Reading, MA 1994; Huey P. Newton, War against the Panthers. A Study of Repression in America, New York 1996 (Buchfassung der Dissertation von 1980); Charles E. Jones, The Black Panther Party (Reconsidered), Baltimore, MD 1998.
3 The Black Panther, Vol. 1, No. 4, July 3, 1967.
4 Eldridge Cleaver, On the Ideology of the Black Panther Party, Part 1, S. 2. Hektografierte Flugschrift, Bancroft Library, University of California, Berkeley.

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