Cover
Titel
Very Deeply Dyed in Black. Sir Oswald Mosley and the Resurrection of British Fascism after 1945


Autor(en)
Macklin, Graham
Reihe
International Library of Political Studies
Erschienen
London 2007: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
£ 45.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernhard Dietz, German Historical Institute, London

Die Faschismus-Forschung hat ein Comeback erlebt. Darin waren sich auch die Teilnehmer einer Tagung „Controversies on Twentieth-Century Fascism“ am Deutschen Historischen Institut in London im Mai 2008 einig. Doch für die zentralen theoretischen Fragen fielen die Antworten weiterhin äußerst vielseitig aus, auch wenn die Kontroversen nicht mehr in Form ideologischer Grabenkämpfe verlaufen. Ob die Definition eines generischen Faschismus möglich bzw. überhaupt nötig ist, ob eine solche Definition typologischer Natur sein kann oder ob man eher von einem ‚faschistischen Minimum‘ ausgehen soll, wann und wo wir überhaupt von Faschismus sprechen können und welche Methoden geeignet sind, diesen zu untersuchen – darüber läßt sich offensichtlich weiterhin gewinnbringend streiten. Insbesondere der Oxforder Faschismusexperte Roger Griffin polarisierte dabei mit seinem generischen Faschismuskonzept, das unter Faschismus eine ultranationalistische, auf völkische Neugeburt abzielende Ideologie faßt. Faschismus ist für Griffin keine Regierungsform, sondern eine Form sozio-politischer säkularer Revitalisierungsbewegung, deren zentrales ideologisches Moment der herbeigesehnte Umschlag von Dekadenz zu Wieder- bzw. Neugeburt ist. Aufgrund seiner sehr weiten Definition, die den Fokus auf den ideologischen Kern des Faschismus richtet, ist daher, so Griffin „[...] ein politisches Phänomen auch dann als faschistisch zu betrachten, wenn es nur im embryonalen Zustand im Kopf eines Ideologen und ohne Ausdruck in einer politischen Partei, geschweige denn einer Massenbewegung, existiert.“ 1

Diesem Faschismus-Konzept von Roger Griffin folgt auch Graham Macklin, der als Early Career Fellow des Leverhulme Trusts an der University of Teesside forscht, ausdrücklich in seiner kurzen und kompakten Studie zu Oswald Mosley und dem britischen Faschismus in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die weitgefaßte Definition von Faschismus gibt dem Buch erst seinen wissenschaftlichen Stellenwert und dem Untersuchungsgegenstand seine Eigenständigkeit, denn sie erlaubt es britische rechtsradikale Splittergruppen nach dem Krieg als ‚Faschismus‘ zu bezeichnen und darüber hinaus die transnationale Dimension von Oswald Mosleys Aktivitäten nach dem Krieg aufzuzeigen. In den bisherigen Untersuchungen zum britischen Faschismus wurde die Nachkriegsepisode meist nur kurz im Epilog abgehandelt. 2 Gemeinhin gilt die Internierung Mosleys und 812 weiterer Funktionäre der British Union of Fascists (BUF) nach dem Ausbruch des Krieges gegen das nationalsozialistische Deutschland als das endgültige Ende der britischen faschistischen Bewegung. Nicht nur hatte der britische Staat mit aller Entschiedenheit durchgegriffen, sondern rechts-extreme Planspiele mit dem Ziel einer Systemänderung hatten ein grundsätzliches Legitimitätsproblem angesichts des patriotischen Kampfes gegen die nationalsozialistischen Feinde von Liberalismus und Demokratie. Die politische Karriere Mosleys schien beendet, so der Faschimusexperte Richard Thurlow: „Indeed it would bet true to say that at no stage in British History was a politician more unpopular than Mosley was in 1945.“ 3 Warum Mosley daraufhin überhaupt einen politischen Neuanfang versucht hat, ist schwer verständlich. Macklin erklärt dies mit Mosleys Größenwahn und “the monumental self-delusion that he, and he alone, was capable defeating Stalin’s bloodthirsty Asiatic hordes” (S. 49).

Die politische Karriere Mosleys in Großbritannien nach dem Krieg war ein völliger Fehlschlag. Anders als in der Zwischenkriegszeit war er sozial isoliert und verbrachte den Großteil seines Lebens bis zu seinem Tod 1980 im Exil in Irland und Frankreich. Das Ziel des Buches ist es daher, „the nature of fascism after fascism“ (S. 5) darzustellen, d.h. die Entwicklung einer neo-faschistischen und europäischen Rechten aufzuzeigen, die sich zunehmend auf rassistische Kampagnen gegen Integration, auf historischen Revisionismus und auf eine antisemitische Relativierung der Holocausts konzentrierte. Die Rolle Mosleys als Netzwerker, Financier und ideologischer Wegbereiter in dieser Entstehungsphase einer neo-faschistischen europäischen Rechten ist in der Tat erstaunlich. Zu Recht distanziert sich Macklin dabei deutlich von der apologetischen 1975 entstandenen Biographie von Robert Skidelsky 4, einem Studienfreund von Mosleys Sohn Max. „Whilst Mosley’s attempts to redirect the forces of British fascism into a racially and culturally pure, pan-European Third Way certainly merit more serious consideration than they hitherto received, it takes a significant leap of faith to agree with Skidelsky that there was anything moderate either in Mosley’s racist geopolitical fulminations or, indeed, his continued anti-Semitic and racist agitation.” (S. 50)

In dem chronologisch aufgebauten Buch untersucht Macklin zunächst die Auswirkungen der Internierung auf Mosley und sein unmittelbares Gefolge. Die meisten internierten Faschisten glorifizierten die Zeit im Gefängnis als kameradschaftlich erduldetes Opfer und Mosley wurde als nationaler Märtyrer porträtiert. Die Wirkung dieser Selbstdarstellung blieb allerdings auf den engsten Kreis der britischen Faschisten beschränkt. „Rather than acting as a tool of mobilisation or socialisation, the myth of interment remained limited and insular, serving only to provide solace by reinforcing notion of martyrdom“ (S. 23). In der unmittelbaren Nachkriegszeit versuchten rechts-extreme Splittergruppen von dem populären Antisemitismus, der sich im Zusammenhang mit der Palästina-Frage ergeben hatte, zu profitieren. Auch Mosleys erster öffentlicher Auftritt seit seiner Internierung bei einer Kundgebung der neu gegründeten Union Movement (UM) am 1. Mai 1948 stand im Zeichen antisemitischer Propaganda. Die Versuche der UM sich als faschistische Bewegung öffentlich zu inszenieren, wurden jedoch auch aufgrund der zahlenmäßig meist weit überlegenen Gegendemonstranten zum Teil gewalttätig im Keim erstickt. Obwohl die UM insgesamt ein politischer Mißerfolg war, sieht Macklin sie als eine Vorstufe eines „new fascism embodied today by the racial nationalism of the British National Party (BNP)“ (S. 50). Sein neues Thema fand dieser „neue Faschismus“ mit der Einwanderung vor allem von Jamaikanern und Afrikanern in die Großstädte Großbritanniens in den 1950er Jahren. Mit einer neuen Strategie der rassistischen Propaganda in den Einwanderungsvierteln stellte die UM die Immigranten als Kriminelle und „Schmarotzer“ von Sozialleistungen dar. Der Erfolg für diese Strategie kam zwar nicht in Wählerstimmen, dafür aber in Form eines rassistisch aufgeladenen gesellschaftlichen Klimas. Vor allem die Londoner Stadtteile Brixton und Notting Hill haben sich wegen der rassistischen Ausschreitungen und Krawalle in den 1950er-Jahren in das kollektive Gedächtnis Großbritanniens gebrannt.

Weniger bekannt sind die in Kapitel 5 und 6 dargestellten Kontakte Mosley nach Deutschland und seine Aktivitäten innerhalb einer sich neu organisierenden und vernetzenden europäischen Rechten in den 1950er-Jahren. Neben der Europäischen Sozialen Bewegung (ESB), der Nouvelle Ordre Européen (NOE) und anderen Organisationen spielte dabei vor allem die immer noch existierende und vom deutschen Verfassungsschutz beobachtete Zeitschrift Nation Europa eine entscheidende Rolle. Mosleys geopolitische Vision eines unter rassischem Vorzeichen organisierten Wirtschaftsraums Europa fand hier großen Anklang. Doch nicht nur als Ideengeber war Mosley für Nation Europa wichtig – als das Magazin 1953 wirtschaftlich um das Überleben kämpfte, organisierte Mosley 48 000 DM. Macklin deckt eine Reihe solcher interessanter historischer Details auf. Doch faßt man die Ergebnisse seiner Studie zusammen, hält sich der Erkenntnisgewinn insgesamt in Grenzen: a) Trotz feindlichen gesellschaftlichen Klimas gab es eine personelle und programmatische Kontinuität bei der britischen extremen Rechten nach dem Krieg; b) Oswald Mosley wurde politisch nach dem Krieg keineswegs moderater, sondern kombinierte seinen ‚europäischen Nationalismus‘ mit einer Mischung aus Geschichtsrevisionismus und Holocaust-Leugnung; c) obwohl Mosleys politische und intellektuelle Nachkriegsaktivitäten zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg bei der Wählerschaft hatten, hat seine Strategie der Internationalisierung (Europäisierung), Meta-Politisierung und Intellektualisierung ursprünglich faschistischer Ideologeme den Weg vom ‚nostalgic Fascism‘ zu den neofaschistischen Parteien einerseits und zur intellektuellen ‚Neuen Rechten‘ andererseits aufgewiesen.

Insgesamt handelt es sich bei Macklins Buch um eine ansprechende, flüssig geschriebene Studie, die sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen stützt. Neben zeitgenössischen Schriften, Zeitschriften und Nachlässen hat der Autor nicht nur die umfangreichen Akten der britischen Geheimdienste ausgewertet, sondern stützt sich darüber hinaus auf eine ganze Reihe interessanter Interviews mit Zeitzeugen oder deren Nachkommen. Zusätzlich wird das Buch durch etliche Bilddokumente und Fotografien der Protagonisten bereichert. Durch die 700seitige, bereits 2006 erschienene Biographie Oswald Mosleys von Stephen Dorril, die Macklin zwar im Literaturverzeichnis aufführt, doch nicht weiter darauf eingeht, wird seine kleine Studie in ihrer Bedeutung jedoch geschmälert, da Dorril ausführlich auf die Nachkriegszeit eingeht.5 Seinen eigenen Anspruch eine „firm empirical foundation from which further studies into the nature of post-war British fascism can be launched” (S. 4) hat Macklin aber sicher erfüllt.

Anmerkungen:
1 Griffin, Roger, Völkischer Nationalismus als Wegbereiter und Fortsetzer des Faschismus. Ein angelsächsischer Blick auf ein nicht nur deutsches Phänomen, in: Kauffmann, Heiko; Kellershohn, Helmut; Jobst, Paul (Hrsg.), Völkische Bande, Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie, Münster 2005, S. 40.
2 Pugh, Martin, 'Hurrah for the blackshirts!' Fascists and Fascism in Britain between the Wars, London 2005; Gottlieb, Julie V., The Culture of Fascism. Visions of the Far Right in Britain, London 2004; Stone, Dan, Responses to Nazism in Britain, 1933 - 1939 before War and Holocaust, Basingstoke 2003; Bussfeld, Christina, 'Democracy versus Dictatorship'. Die Herausforderung des Faschismus und Kommunismus in Großbritannien 1932 - 1937, Zürich 2001; Kushner, Tony, Remembering Cable Street. Fascism and Anti-Fascism in British Society, London 2000; Renton, Dave, Fascism, Anti-Fascism and Britain in the 1940s, Basingstoke 2000; Linehan, Thomas P., British Fascism 1918 - 39. Parties, Ideology and Culture, Manchester 2000; Thurlow, Richard C., Fascism in Britain. From Oswald Mosley's Blackshirts to the National Front, London 1998; Bauerkämper, Arnd, Die 'radikale Rechte' in Großbritannien. Nationalistische, antisemitische und faschistische Bewegungen vom späten 19. Jahrhundert bis 1945, Göttingen 1991.
3 Thurlow, Richard, Fascism in Modern Britain, Stroud 2000, S. 125.
4 Skidelsky, Robert, Oswald Mosley, London 1975.
5 Dorril, Stephen Blackshirt. Sir Oswald Mosly and British Fascism, London 2006.

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