Sklaverei, Knechtschaft und Kolonialismus im 19. und 20. Jahrhundert

: Emancipation Without Abolition in German East Africa, c. 1884-1914. . Oxford 2006 : James Currey, ISBN 978-0-85255-986-4 276 S. € 65,99

Alpers, Edward A.; Campbell, Gwyn; Salman, Michael (Hrsg.): Resisting Bondage in Indian Ocean Africa and Asia. . New York 2007 : Routledge, ISBN 978-0-415-77151-1 116 S. £ 80.00

Bosma, Ulbe; Giusti-Cordero, Juan; Knight, Roger (Hrsg.): Sugarlandia Revisited. Sugar and Colonialism in Asia and the Americas, 1800-1940. Oxford 2007 : Berghahn Books, ISBN 978-1-84545-316-9 240 S. £ 37,50

Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Michael Mann, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt Universität Berlin

In den letzten Jahren haben die Publikationen zur Sklaverei und dem Sklavenhandel rapide zugenommen. Besonders im und zum Jahr 2007 sind zahlreiche neue Sammelbände und Monografien erschienen, der Tatsache geschuldet, dass das englische Parlament 1807 das erste Mal ein Gesetz zur Aufhebung des Sklavenhandels im British Empire verabschiedete. Das 200jährige Jubiläum bot also Gelegenheit, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, neue Erkenntnisse zu veröffentlichen oder Überblicksdarstellungen, die den Forschungsstand der vorausgegangenen Jahrzehnte reflektierten, auf den Markt zu bringen.

Dass dabei der Atlantik im Zentrum des Interesses stand, sowohl des wissenschaftlichen als auch des medialen, verwundert nicht weiter, bezog sich doch die Kampagne zur Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei um die Wende zum 19. Jahrhundert auf den transatlantischen Sklavenhandel. Der Indische Ozean blieb von der Agitation weitgehend ausgespart, denn die Protagonisten der damaligen „Abolitionsbewegung“ befanden pauschal, „orientalische“ Haus-Sklaverei sei etwas grundsätzlich anderes als die grausame karibische Feld-Sklaverei. Diese Bagatellisierung bzw. grundlegende Andersartigkeit von Sklaverei im „Westen“ und „Osten“ hat bis heute nachhaltige Wirkung in der Wahrnehmung der Sklaverei in beiden auch auf diese Weise konstruierten Weltregionen.

Zu besagtem Jubiläum sind indes auch einige inzwischen einschlägige Studien zur Sklaverei in den Anrainergebieten des Indischen Ozeans erschienen.1 Die hier zu besprechenden Bücher zeigen ebenfalls diese Hinwendung zu einem neuen Forschungsfeld auf, ein Forschungsfeld, das den bisherigen Vorstellungen von Sklavenhandel und Sklaverei zum Teil erheblich widerspricht und generell Fragen zur Form von Sklaverei bzw. deren vielfältige Formen aufkommen lässt. Sklaverei, so wird in den letzten Jahren immer deutlicher, scheint vor globalem Hintergrund nur eine, wenn auch die extremste Form mobilisierter und kontrollierter Arbeit zu sein. Und selbst diese wies höchst unterschiedliche Formen auf. Lediglich die allzeitige Veräußerbarkeit der Sklaven und der Sklavinnen war wohl das weltweit verbindende Charakteristikum der Sklaverei.

Diesen Gesichtspunkt stellt insbesondere die Monografie von Jan-Georg Deutsch heraus. Obgleich das Deutsche Reich zur direkten Kolonialherrschaft in Deutsch-Ostafrika mit dem erklärten Ziel überging, die Sklaverei abzuschaffen, unternahm sie jedoch keine gesetzlichen Schritte, dies auch zu tun. Gleichwohl gab die britische Mandatsverwaltung 1922 an, es gäbe keine Sklaven mehr in der ehemaligen deutschen Kolonie. Noch ein viertel Jahrhundert zuvor war deren Zahl auf 400.000 geschätzt worden. Ohne dass die Briten Sklaven befreit hatten, gab es sie offensichtlich nicht mehr. Dieses Phänomen untersucht Jan-Georg Deutsch in seiner Studie.

Im Unterschied zu den bisherigen Darstellungen zur Sklaverei und dem Sklavenhandel in Tanganyika (ehem. Deutsch-Ostafrika), die sich auf die nördliche Küstenregion zwischen Mombasa und der Insel Sansibar konzentrierten, analysiert Deutsch den südlichen Küstenabschnitt bis nach Kilwa und vor allem das ausgedehnte Hinterland bis zu den Seen (Victoria und Tanganyika). Diese geografische Unterscheidung in Küsten- und Hinterland ist gerechtfertigt, denn der regionale Sprachgebrauch unterscheidet ebenfalls zwischen den beiden Regionen. Bekanntlich waren sie seit Jahrhunderten durch den Sklaven- und Elfenbeinhandel miteinander verbunden. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ist jedoch ein starker Rückgang des Elfenbeinhandels zu beobachten, da sich unter anderem die „ivory-frontier“ nach Zentral-Afrika verschob.

Nun freigesetzte Arbeitskräfte, die als Träger und Fänger gearbeitet hatten, stellten das Reservoir bereit, aus dem binnen kurzem die stark zunehmende Zahl der Sklaven stammte. Häufigste Form der Versklavung, gerade im Hinterland, war die Verpfändung wegen finanzieller Verpflichtungen. Gujarati- und Sansibari-Händler an der Küste wiederum traten als Kreditgeber auf und organisierten mit Hilfe von Lohn- und Sklavenarbeit den dann ab den 1890er-Jahre wieder zunehmenden Elfenbeinhandel. Die Kolonialherrschaft öffnete erneut das Hinterland, es stärker denn zuvor penetrierend, und stellte die alten Verbindungen wieder her. Als Folge des Abkommens zum Sklavenhandel mit den Briten 1873 war indessen der Sklavenhandel Sansibars ab der Mitte der 1870er-Jahre rückläufig und brach mit der Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika in den 1890er-Jahren schließlich völlig zusammen.

Allmählich ging auch die Zahl der Sklaven in Deutsch-Ostafrika zurück. Seit den 1840er-Jahren wurden Sklaven in der nördlichen Küstenregion auf den zunehmenden Lebensmittelplantagen eingesetzt, ab 1879 dann auch auf Nutzfruchtplantagen wie Kokosnuss und in Sansibar/Pemba Nelken. In den 1890er-Jahren soll nach zeitgenössischen Angaben zwischen einem Drittel und drei Viertel der Bevölkerung versklavt gewesen sein. Meist waren es Frauen, da die Männer beim oder nach dem „Fang“ oft getötet wurden oder ihnen die Flucht gelang. Frauen mussten dann in den Haushalten arbeiten, als Sexpartnerinnen dienen, waren aber auch potenzielle Mütter dann legitimer Nachkommen.

Bei den männlichen Sklaven können zwei Arbeitsformen unterschieden werden. Zum einen die Feldsklaverei, zum anderen Haussklaverei. Letztere kannte wiederum „selbsttätige“ Sklaven, die einen festgesetzten Teil ihres Lohns oder Erwerbs monatlich an ihren Eigentümer entrichteten. Hier wurden unspezifische Arbeitsbereiche und handwerkliche Bereiche unterschieden. Sklaven arbeiteten als Weber, Schreiner, Bootsbauer oder als Silberschmiede. Offenkundig verschwammen die Scheidelinien zwischen Sklaverei und Lohnarbeit, je mehr sich die ökonomische Lage änderte.

Dies geschah nachhaltig mit der Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft. Zusätzliche Plantagen der europäischen Siedler benötigten eine große Zahl an Arbeitskräften, die sich aus einem Reservoir von verliehenen und geflohenen Sklaven, Lohnarbeitern und abgepresster Arbeit zusammensetzte. Der koloniale Kapitalismus schuf auch in Ostafrika einen diversifizierten und sehr flexiblen Arbeitsmarkt auf dem versucht wurde, Arbeit so intensiv wie möglich zu kontrollieren, ohne dabei allein auf Lohnarbeit zu setzen.

Unter den Augen der deutschen Kolonialbeamten wurde Sklaverei und Sklavenhandel weiter praktiziert. Lediglich Verordnungen (keine Reichsgesetze) der Kolonialadministration griffen regulierend ein. So untersagte sie 1901 die Verpfändung, und mit dem 31. Dezember 1904 waren neu geborene Sklavenkinder automatisch frei. Dies führte zu einem allmählichen Rückgang der Sklaven. Auch stellte die Kolonialbürokratie zunehmend „Freibriefe“ aus, die entflohenen Sklaven die Freiheit gab. Wachsende Dispute zwischen Sklaven und ihren Eigentümern, was die Transformation der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse anzeigt, boten der Kolonialverwaltung weitere Gelegenheit, zu Gunsten der Sklaven und eines Lohnarbeitsverhältnisses, so beispielsweise im Eisenbahnbau, der nach der Jahrhundertwende ins Hinterland vorangetrieben wurde, zu entscheiden. Insgesamt führten die kolonialstaatlichen Maßnahmen zu einer schleichenden Abschaffung von Sklaverei und Sklavenhandel in Deutsch-Ostafrika, ein Vorgang, der freilich weniger einem humanitär-philanthropischen Engagement denn ökonomischen Notwendigkeiten geschuldet war.

Kritik gibt es kaum zu äußern. Lediglich ein paar Ungereimtheiten fallen auf. So beispielsweise auf Seite 78, wo es heißt, die Sklaverei hätte dauerhaft nicht mit einem reinen Zwangssystem aufrecht erhalten werden können, da aufgrund der sozialen Einbindung in Familienstrukturen stets die Zustimmung der Sklaven vonnöten war. In dieser Pauschalität ist die Feststellung kaum nachvollziehbar, beruht doch Sklaverei gemeinhin auf einem extremen Maß an Gewalt und Zwang. Kapitel 7 ist der Handlungskompetenz der Sklaven gewidmet. Diese sei, so Deutsch, aufgrund der spärlichen Dokumentenlage kaum auszumachen. Der Versuch, dennoch eine Art „Subalterne Geschichte“ oder „Geschichte von unten“ zu schreiben, misslingt, denn die Marginalisierten der Geschichte kommen in der Tat nicht zu Wort. Das tut dem Buch insgesamt keinen Abbruch. Es bleibt eine höchst spannende und lesenswerte wissenschaftliche Studie.

Der Sammelband der renommierten Sklavereiforscher Alpers, Campbell und Salman nimmt den gesamten Indischen Ozean ins Visier und verfolgt insbesondere Formen der Zwangsarbeit und des Widerstandes. Bemerkenswert ist, und das hätte in der Einleitung auch gebührend herausgestrichen werden können, dass Sklaverei, Frondienste, Zwangsarbeit neben „Kuli-Arbeit“ und relativ freier Lohnarbeit parallel zueinander existierten. Globalisierung und die Entfaltung einer kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung scheinen auf einem flexiblen Mix mobilisierter und kontrollierter Arbeit zu basieren. Je nach wirtschaftlicher Lage wurde die ein oder andere scharfe oder eben laxe Form bevorzugt.

Dies zeigen die Beiträge zur Zwangsbewirtschaftung europäischer Kolonien in Afrika und Asien während des Zweiten Weltkrieges. Eric Jennings kann in seinem Beitrag „Forced labour in Madagascar under Vichy, 1940-42: Autarky, forced labour and resistance on the ‚Red Island‘“ aufzeigen, dass das ultrakonservative Vichy-Regime den Kolonialbeamten in Madagaskar Tür und Tor für ein Arbeitsregime öffnete, das auf reaktionäre Weise Frondienste des alten Merina-Imperiums und der frühen französischen Kolonialadministration reaktivierte. Als Grund wurden kriegsbedingte Produktionsverhältnisse in Frankreich angegeben.

In Niederländisch-Indien (Indonesien) mobilisierte die japanische Besatzungsmacht zwischen 1942 und 1945 zur Ankurbelung einer autarken Wirtschaft auf Java den durch die kriegsbedingte Verelendung entstandenen Überschuss an Lohnarbeitern. In seinem Beitrag „Forced labour and their resistance in Java under Japanese military rule, 1942-45“ belegt Shigeru Satu, dass es dem Besatzungsregime trotz aller repressiven Maßnahmen nicht gelang, die dringend benötigten Arbeitskräfte zu mobilisieren. Zum einen hing das mit der großen physischen Verelendung weiter Teile der Arbeitslosen zusammen, die unterernährt und krank waren, zum anderen gelang etwa einem Drittel der zwangsweise mobilisierten Arbeitskräfte während des Eisenbahntransportes von einem Ende der Insel an das andere die Flucht.

In Südafrika hingen nach Nigel Worden der Aufstand der Sklaven von 1808 und derjenige der Khoi von 1825 ursächlich zusammen. Sklaven gab es am Kap seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, als sich die ersten holländischen und westeuropäischen Siedler um den Tafelberg niederließen. Sklaverei beschränkte sich auf eine kleine Zahl pro landwirtschaftlichem Haushalt. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sind die ersten Marron-Siedlungen entlaufener Sklaven auf und im Hinterland des Tafelberges nachgewiesen, manche von ihnen existierten unbehelligt bis ins 19. Jahrhundert.

Die Abschaffung des Sklavenhandels im Britischen Imperium 1807 löste auch am Kap Unruhe aus. Eine überlieferte Liste von entlaufenen Sklaven zwischen 1806 und 1809 belegt die wachsende Verunsicherung. Der Aufstand von über 300 Sklaven im Hinterland von Kapstadt war ein deutlicher Indikator für die sich ändernde Politik im British Empire, die sich auf das noch burisch-holländische Kap niederschlug. Als zu Beginn der 1820er-Jahre die britische Regierung daran ging, die Implementierung der Gesetze von 1807 und 1811 zur Abschaffung des Sklavenhandels in seinen Kolonien auch zu implementieren und dazu in der inzwischen britischen Kapprovinz Sklavenregister angelegt wurden, nahmen das Sklaven und Khoi-Arbeiter auf einer Farm 250 km nördlich von Kapstadt zum Anlass zu revoltieren und den Farmer umzubringen. Obwohl es ein isoliertes Ereignis blieb, war die Kolonialregierung alarmiert, denn es war unübersehbar, dass es die harschen Arbeitsbedingungen und die harten Bestrafungen waren, die 1808 und 1825 zu den Revolten geführt hatten. Zudem wurde deutlich, dass sich der Widerstand nicht allein auf Sklaven reduzieren ließ, sondern es das Arbeitsregime an sich war, gegen das revoltiert wurde.

In der Phase des Übergangs von Sklaverei zu anderen Formen mobilisierter, unkontrollierter Arbeit unter Zwang kam es auch auf dem französischen Mayotta, einer Komoren-Insel, 1856 zu einem Aufstand. Isabelle Denis‘ Beitrag „Forced labour and the 1856 revolt in Mayotta“ belegt, wie die Insel, die 1843 französische Kolonie und als Ersatz für das an die Briten verlorene Mauritius (Reunion) schnell in eine Pflanzerkolonie transformiert wurde. Mittels eines Konzessionssystems für französische Unternehmen beschnitt und marginalisierte die Kolonialverwaltung die Siedlungsräume der ortsansässigen Bevölkerung zunehmend. Viele der ehemaligen Sklaven, 1847 befreit, fanden sich aufgrund der neuen Vagabunden-Gesetzgebung nach 1851 zum Arbeitsdienst auf den Plantagen verpflichtet. Um die als faul angesehenen Mayottianer zur Arbeit zu bringen, erhielten die Pflanzer finanzielle Subventionen seitens des Staates. Zusätzlich wurden aus Ost-Afrika Arbeitskräfte angeworben.

Obgleich es eine Arbeitsgesetzgebung gab, revoltierten die Arbeiter auf den Plantagen im März und April 1856. Die Gründe sind in den extremen Arbeitsbedingungen zu finden, die durch permanente Verletzung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen entstanden. Besonders die harten Bestrafungen und die ausbleibenden Lohnzahlungen führten zur allgemeinen Unzufriedenheit. Der Aufstand von etwa 600 Arbeitern aus Madagaskar und dem afrikanischen Festland wurde niedergeschlagen, ohne dass es anschließend zu einer wesentlichen Revision der Arbeitsgesetzgebung und des Arbeitsregimes kam. Nahezu unverändert bestand beides bis 1945 fort.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das niederländische Java nach Kuba zur weltweit zweitgrößten Zuckerrohr-Plantagenökonomie angewachsen. Während auf Kuba immer noch Sklaven die Felder bewirtschafteten, waren es in Java Arbeiter, die im Rahmen des „Cultuurstelsel“, der lokale Formen von etablierter Fronarbeit staatlich regulierte, zu Arbeitsdiensten („Heerendienst“ und „Cultuurdienst“) gepresst wurden. So genannte „vrijwilligers“ komplettierten das Arbeitsregime ebenso wie angebliche Vagabunden und die wegen ihrer Transportmittel benötigten Ochsenkarrenbesitzer. Wie in allen Pflanzerregimen war Gewalt gegenüber den Arbeitern an der Tagesordnung.

Widerstand trat hingegen selten auf. Flucht war eine der häufigsten Formen, einschließlich der Ansiedlung von Marronage-Gemeinschaften. Gemeinhin fügten sich die Zwangsverpflichteten in ihr Schicksal und versuchten, das Beste daraus zu machen, so zumindest die Einschätzung von G. Roger Knight in seinem Beitrag „Sugar and servility. Themes of fourced labour, resistance and accomodation in mid-nineteenth-century Java“.

Der Sammelband ist insgesamt sehr gelungen, zeigen doch die Autoren und Autorinnen für verschiedene Regionen des Indischen Ozeans auf, dass mit dem Sklavereiverbot, sofern es denn überhaupt implementiert wurde, sogleich neue Formen der Zwangsarbeit aufkamen, nicht selten, indem etablierte aber lange nicht praktizierte Formen lokaler Arbeitsdienste im Rahmen einer kolonialen Gesetzgebung legalisiert wurden. Das ist beispielsweise auch in Britisch-Indien zu beobachten.2 Fast allen Beiträgen fehlt indes ein globalhistorischer Ansatz, der die empirischen Befunde in einen Kontext von weltweiter Ordnung des Arbeitsmarktes von der Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts setzt.

Gerade diesen globalhistorischen Kontext betonen die Herausgeber des Sammelbandes „Sugarlandia“ in ihrer Einleitung „Sugarlandia revisited: Sugar and colonialism in Asia and the Americas, 1800 to 1940, an introduction“. Aufgrund der neuesten Untersuchungen zum Zuckerrohranbau in der Karibik und hier besonders auf Kuba, sowie im Indik, hier speziell auf Java, kommen die Herausgeber zu neuen Kategorisierungen und Periodisierungen. Statt, wie bislang, in der zweiten Kolonialphase und ihrem imperialen Höhepunkt zwischen 1880 und 1914 eine Zäsur in der Entwicklung des Zuckerrohranbaus zu setzen, bietet sich ihrer Ansicht nach nun die Wende zum 19. Jahrhundert an.

Der Beitrag von G. Roger Knight zu „Technology, technicians and bourgeoisie: Thomas Joffries Edwards and the industrial project sugar in mid-nineteenth-century Java“ belegt auf eindrucksvolle Weise, dass neue Formen der Bewirtschaftung samt Kapitalisierung sowie einer einsetzenden Industrialisierung in der Plantagenwirtschaft bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Produktion von Zuckerrohr rapide anwachsen ließen. Deutliche Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind ebenfalls ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auszumachen, wie Manuel Barcias Artikel „Sugar, slaves and bourgeoisie: the emergence of the Cuban sugar industry“ nachweisen kann. Gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem verstärkten Import von Sklaven auf diese Karibikinsel, um die expandierende Zuckerindustrie mit den notwendigen Arbeitskräften zu versorgen. Keine Sklaven, wohl aber neue (und alte) Formen kontrollierter Arbeitskräfte gab es, wie oben geschildert, zur gleichen Zeit auch auf Java. Offensichtlich lag dieses Forschungsergebnis damals noch nicht vor – beide Sammelbände sind 2007 erschienen.

Ein zweites Kriterium lässt 1800 als einen Wendepunkt in der weltweiten Zuckerproduktion sinnvoll erscheinen. Etablierte Vorstellungen eines karibischen Pflanzerregimes, basierend auf externem Kapital, meist „absentee landlords“, externen Arbeitskräften (Sklaven) und den lokalen Ressourcen Boden und Pflanzen, wie sie tatsächlich in weiten Teilen Realität waren, unterliegen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einem tiefgreifenden Wandel. Sowohl in der Karibik als auch auf Java entwickelte sich ein „kreolischer Kapitalismus“, der nicht an nationalen Bindungen interessiert war und letztlich die wissenschaftlichen Kategorisierungen von „lokal“ und „metropolitan“ infrage stellte. Der Artikel von Arthur van Schaik und G. Roger Knight „An anatomy of Sugarlandia: Local Dutch communities and the colonial sugart industry in mid-nineteenth-century Java“ zeigt diesen gesellschaftlichen Wandel für die Mitte des 19. Jahrhunderts auf, während der Beitrag von Joost Coté „‘A teaspoon of sugar…‘: Assessing the sugar content in colonial discourse in the Dutch East Indies, 1880 to 1914“ die „Kreolisierung“ in Abgrenzung zur Nationalisierung unter imperialen Vorzeichen analysiert.

Es scheint, als ob damit die These von Kenneth Pomeranz eine weitere, indirekte Unterstützung bekommen hat, nämlich dass erstens die Globalisierung um 1850 deutliche Formen annimmt und dass zweitens die großen wirtschaftlichen Divergenzen zwischen industrialisierten Weltregionen und unter diesem Gesichtspunkt rückständigen Regionen in den folgenden Jahrzehnten immer sichtbarer (und spürbarer) werden.3 Diese globalhistorische Verortung fehlt dem Sammelband, was seinem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn freilich keinen Abbruch tut.

Alle drei hier besprochenen Bücher zeigen deutlich den sich wandelnden Forschungsansatz in den ehemals kolonisierten Regionen dieser Welt. Gesellschaftsgeschichte und Arbeitsgeschichte spielen neben Aspekten der Wirtschaftsgeschichte nun auch hier eine herausgehobene Rolle. Des weiteren reflektieren sie die Bereitschaft zu translokalen und transnationalen Untersuchungen, die die Bedeutung des Nationalstaates, wie er sich im 19. Jahrhundert entfaltet, nicht aus den Augen verlieren, ihn aber in gewissem Sinn historisieren und damit operationalisierbar für eine Globalgeschichte machen. Solche synthetisierende Arbeit muss freilich noch geleistet werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. Michael Mann, Rezension zu: Gwyn Campbell (Hrsg.), The Structure of Slavery in Indian Ocean Africa and Asia. London 2004 sowie Gwyn Campbell (Hrsg.), Abolition and its Aftermath in Indian Ocean Africa and Asia. London 2005, in: H-Soz-u-Kult, 18.10.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-4-053> (17.08.2010).
2 Gyan Prakash, Bonded Histories. Genealogies of Labor Servitude in Colonial India, Cambridge 1990.
3 Kenneth Pomeranz, The Great Divergence. China, Europe, and the Making of the World Economy, Princeton 2000.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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