C. Rotthoff-Kraus (Bearb.): Regesten Kaiser Friedrichs III. Supplement

Titel
Regesten zur burgundisch-niederländischen Geschichte unter Maximilian I. bis zum Tode Friedrichs III. (1477-1493): aus den Archives générales du Royaume/dem Algemeen Rijksarchief in Bruxelles/Brussel, Bestand: Manuscrits divers.


Autor(en)
Rotthoff-Kraus, Claudia
Reihe
J. F. Böhmer: Regesta Imperii. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Supplemente. Kaiser und Reich in der Regierungszeit Friedrichs III. 1
Erschienen
Anzahl Seiten
290 S.
Preis
€ 53,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Schwarz, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Die Welt der an der Reichsgeschichte im ausgehenden Mittelalter Interessierten ist bekanntlich rubinrot und zartblau gefärbt: vom Rubinrot der Einbände der Regesten Kaiser Friedrichs III., die von Heinrich Koller, Paul-Joachim Heinig und Alois Niederstätter herausgegeben werden, und vom zarten Blau der Einbände der Regesten Maximilians I., die unter der Ägide Hermann Wiesfleckers und seiner Gattin Inge Wiesflecker-Friedhuber entstehen. Seit Jahrzehnten sind beide Forscherteams, unterstützt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland und Österreich, an der Arbeit. Aus Sicht der Spätmittelalterforschung stellen beide Regestensammlungen – wie man ohne Übertreibung sagen darf – Jahrhundertwerke dar. Für jeden noch mit Quellen arbeitenden Historiker bieten sie die Fundamente der Erforschung der Reichsgeschichte von 1440–1519, vom Regierungsantritt Friedrichs III. bis zum Tode Maximilians I.

Der strikten Separierung der beiden Regestenwerke scheint es entgegenzustehen, wenn sich der hier anzuzeigende Band, der unter dem Titel „Kaiser und Reich in der Regierungszeit Friedrichs III.“ die neue Unterreihe „Supplemente“ der Regesten Kaiser Friedrichs III. eröffnet, mit der burgundisch-niederländischen Geschichte unter Maximilian I. bis zum Tode Friedrichs III. beschäftigt und dabei den Bestand ‚Manuscrit divers’ der Archives générales du Royaume/dem Algemeen Rijksarchief in Bruxelles/Brussel in den Mittelpunkt rückt. Die Paradoxie beginnt sich freilich aufzulösen, wenn man bedenkt, dass mit der Frankfurter Königswahl Maximilians 1486 eine Doppelregierung im Reich eröffnet wurde, die fast sieben Jahre lang, bis zum Tod Friedrichs III. 1493, dauern sollte. Eine Trennung der jeweiligen Anteile an der Reichspolitik scheint seit 1486 fast unmöglich, sodass es in der Erfassung des Geschehens durch den Historiker fast zwangsläufig zu Fällen von Wilderei kommen muss. Überdies mag man den Band – die Herausgeber weisen in ihrem Vorwort süffisant darauf hin – auch als kleine Rache Friedrichs III. an Maximilian I. sehen können, steht doch die 1486 beginnende Mittlere Reihe der Reichstagsakten allein unter dem Namen seines Sohnes und wird damit der Vater „erheblich nachhaltiger düpiert“ (S. 7) als jetzt der Sohn.

Die Konzeption des Bandes wird von der Bearbeiterin Claudia Rothoff-Kraus auf umfassende Weise erörtert (S. 15–40). Dabei geht Rothoff-Kraus zunächst auf die komplexen historischen Hintergründe der ersten Jahre des politischen Wirkens Erzherzog Maximilians von Österreich als Herzog von Burgund und seiner Zeit als römisch-deutscher König ein – einer Zeit, in welcher der Schwerpunkt seiner politischen Tätigkeit (wenigstens bis Ende 1489) in den Gebieten der die heutigen Niederlande und Belgien umfassenden nördlichen Teile des neuburgundischen Staatswesens lag. Der Grund dafür ist bekannt: Im August 1477 hatte Maximilian Maria geheiratet, die einzige Tochter und Erbin Herzog Karls des Kühnen, der bereits am 5. Januar 1477 bei dem Versuch, auch das Herzogtum Lothringen zu bezwingen, auf dem Schlachtfeld von Nancy den Tod gefunden hatte – hier, in den niederen Landen des Tuches, lagen die Anfänge seines politischen Wirkens. Noch aus der Zeit vor der Heirat, vom 2. August 1477, stammt das erste Regest des Bandes, das gleichwohl bereits ein Zeugnis gemeinsamen Handelns gibt, das zweite Regest (18. August 1477) bezeugt bereits den Abschluss des Ehevertrags.

Die insgesamt 347 Regesten des Bandes, die zumeist mit längeren wörtlichen Zitaten, ausführlichen Anmerkungen und hilfreichen Erläuterungen der Bearbeiterin versehen sind, vermitteln eine Fülle von Einsichten. Der Wert des Bandes beruht vor allem darauf, dass wir – jenseits nationalstaatlicher Perspektiven – das konkrete Funktionieren der habsburgischen Politik in diesem Raum, das Spiel von landesherrlicher Gewalt und ständischen (Gegen-)Positionen anschaulich vor Augen geführt bekommen; die Vorteile direkter, urkundlicher Überlieferung gegenüber der Historiografie werden hier noch einmal spürbar. Die Vielzahl von Problemen, die der junge Herrscher und seine Frau (die bereits 1482 auf tragische Weise starb) im niederländisch-burgundischen Raum hatten, waren zwar schon in ihren Grundzügen bekannt: die schweren Konflikte Maximilians mit den flandrischen Ständen, vor allem den Städten Gent, Brügge und Ypern, die unter dem Druck Yperns nicht bereit waren, Maximilian nach dem Tod der Herzogin Maria als Regenten und Vormund ihres Sohnes Philipp anzuerkennen; die Dominanz fiskalischer Interessen im staatlichen Handeln des Habsburgers in der frühen Phase; die Bedeutung von Fragen der Sicherung und Erhöhung der Einnahmen und der Bewirtschaftung der Domänen; die Bedeutung der Rechenkammer als dem (wohl nicht nur fiskalischen) Herzstück des burgundisch-niederländischen Raumes. Von größtem Nutzen hingegen sind die von dem Band bereitgestellten Präzisierungen dieser Vorgänge und Phänomene ebenso wie die reichen Einsichten in die wirtschaftlichen, sozialen, kirchlichen und administrativen Verhältnisse dieses Raumes, die im Rahmen dieser Rezension nicht einmal angedeutet werden können.

Für die mühevolle Bearbeitung des auch sprachlich äußerst anspruchsvollen Materials ist der Bearbeiterin zu danken. Den Regesten Friedrichs III. ist zu wünschen, dass sie auch zukünftig außerhalb der Grenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz „auf die Jagd“ gehen. Ein Band über das Elsass beispielsweise gehört hier zu den größten Desideraten.

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