G. Eggenstein u.a. (Hrsg.): Eine Welt in Bewegung

Titel
Eine Welt in Bewegung. Unterwegs zu Zentren des frühen Mittelalters. Katalog zur Ausstellung


Herausgeber
Eggenstein, Georg; Börste, Norbert; Zöller, Helge; Zahn-Biemüller, Eva
Erschienen
Anzahl Seiten
465 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hajnalka Herold, VIAS Vienna Institute of Archaeological Science, Universität Wien

Der besprochene Band stellt den Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Historischen Museum im Marstall Paderborn – Schloss Neuhaus (26. April-20. Juli 2008) sowie im Mainfränkischen Museum Würzburg – Festung Marienberg (12. August-16. November 2008) dar. Das Ziel der Ausstellung war es, neue archäologische Funde sowie aktuelle Ergebnisse der wissenschaftlichen Bearbeitung zu den beiden frühmittelalterlichen (6.-10. Jahrhundert n.Chr.) zentralen Orten Karlburg am Main und Balhorn am Hellweg im geeigneten Rahmen zu präsentieren (S. 10-11).

Das Motto der Ausstellung „Eine Welt in Bewegung“ ist im doppelten Sinne zu verstehen: Einerseits sollen die bewegten Zeiten der Merowinger- und Karolingerzeit dargestellt werden, andererseits werden Fragen von Transport, Reise und Handel im Frühmittelalter thematisiert (S. 12-13).

Die Internetseite der beiden Ausstellungen ist nach deren Ende nach wie vor online.1 Hier kann neben weiterführenden Informationen zu den Ausstellungen sowie digitalen Bildern einiger Ausstellungsobjekte auch ein Video angesehen werden. Das Video, das auch auf YouTube zu sehen ist, vermittelt einen Eindruck über die Ausstellungsräume in Würzburg und beinhaltet außerdem ein Interview zu den zentralen Themen der Ausstellung. Das heißt, neben einem klassischen Katalog in Buchform haben die Organisatoren der Ausstellung auch von den neuen Medien Gebrauch gemacht, um die Ergebnisse ihrer Arbeit, auch über die Ausstellungsdauer hinaus, dem Publikum zugänglich zu machen.

Der hier besprochene Ausstellungskatalog gliedert sich in vier Hauptteile: In den ersten drei Teilen werden Aufsätze zu Themen der Ausstellung veröffentlicht (Teil 1: übergeordnete Fragestellungen zu Entwicklungen im Merowinger- und Karolingerreich, Teil 2: Forschungsergebnisse zu Karlburg, Teil 3: Forschungsergebnisse zu Balhorn), der vierte Teil stellt den eigentlichen Katalogteil dar. Der Band ist praktisch durchgängig farbig gestaltet und macht einen ausgezeichneten optischen Eindruck.

Der erste Teil des Kataloges unter dem Titel „Eine Welt in Bewegung“ beinhaltet Überblicksarbeiten zu den weltlichen und kirchlichen Eliten des Merowinger- und Karolingerreiches. Diese Aufsätze geben einen überregionalen Rahmen für die im Teil 2 und 3 des Kataloges dargestellten Forschungsergebnisse. Nach einer Zusammenfassung der Archäologie zentraler Orte zwischen Alpen und Ostsee (Peter Ettel, S. 16-25) folgt eine Analyse zur Entstehung des „Adels“ im Merowingerreich (Horst W. Böhme, S. 26-36) sowie eine Darstellung „aristokratischer“ Kunststile des 8.-10. Jahrhunderts (Egon Wamers, S. 37-50). Das Thema der Mobilität im Frühmittelalter wird in einem eigenen Aufsatz diskutiert (Torsten Capelle, S. 56-61). Zwei Arbeiten bieten einen Überblick zur Missionierung und zu den Bistumsgründungen in Würzburg und Paderborn sowie zur Entstehung und Entwicklung frühmittelalterlicher Klosterbibliotheken (Hermann-Josef Schmalor, S. 51-55, 62-65).

Im zweiten Teil des Kataloges werden Forschungsergebnisse zum zentralen Ort Karlburg präsentiert. In Karlburg wurden Reste einer Burg in Höhenlage sowie einer Talsiedlung archäologisch erfasst (Peter Ettel, S. 76-82). Besonders viele wertvolle Metallfunde, vor allem aus der Karolingerzeit (Ralf Obst, S. 91-101), sowie der große Anteil importierter Keramikgefäße guter Qualität, unter anderem Fragmente sog. Tatinger Kannen (Peter Ettel, S. 102-106), zeigen die Anwesenheit gehobener sozialer Schichten. Dementsprechend lässt sich das frühmittelalterliche Geschehen in Karlburg auch durch mehrere schriftliche Quellen beleuchten (Ralf Obst, S. 68-75). Ergebnisse der Archäozoologie (Klaus Kerth, S. 108-111) und der Archäobotanik (Hansjörg Küster, S. 107) runden das Bild des Zentralortes ab.

Karlburg liegt am Main, der bereits im Mittelalter einen wichtigen Wasserweg darstellte. In der Nähe befinden sich die bis heute sichtbaren Reste der Fossa Carolina, eines auf die Verordnung Karls des Großen angelegten Kanals, der als Verbindung zwischen Main und Donau hätte dienen sollen, aber nie fertig gestellt wurde. Diesem Bauwerk sowie dem Verkehrsnetz im Umfeld des Flusses Main wird, der Schwerpunktsetzung der Ausstellung entsprechend, ein eigener Beitrag gewidmet (Peter Ettel, S. 83-90).

Der dritte Teil des Kataloges stellt Forschungsergebnisse zur Siedlung von Balhorn vor. Balhorn befindet sich heute im Stadtgebiet von Paderborn und somit nur einige Kilometer von der wohl in den 770er- Jahren erbauten Königspfalz Karls des Großen entfernt. Die archäologisch großflächig untersuchte unbefestigte Siedlung liegt an der Kreuzung zwei wichtiger Handelsstraßen des Mittelalters: Der Hellweg stellte eine überregionale Ost-West Verbindung dar, der Frankfurter Weg war eine Nord-Süd Verbindung von Frankfurt am Main bis zur Ostsee.

Schriftsquellen zu Balhorn, die Ausgrabungen der Siedlung und des Hellweges im Siedlungsbereich, Aspekte der Mobilität sowie Fragen der Kleidung und der Gesellschaftsstruktur anhand der Kleinfunde werden im Katalog in eigenen Beiträgen besprochen (Georg Eggenstein, S. 114-133). Auf diese folgen die Auswertung der Fibel und der Keramikfunde aus Balhorn (Tim Bunte, S. 134-144) sowie die Ergebnisse der Befundbearbeitung (Nicole Kröger-Köb, S. 145-152). Die Darstellung der Forschungen zu Balhorn wird mit zwei Beiträgen zu Bioarchäologie abgeschlossen: Ernährung im Lichte der Archäobotanik und der schriftlichen Quellen (Jutta Meuers-Balke und Silke Schamun, S. 153-154) sowie Viehhaltung und -nutzung in Balhorn (Rüdiger Stritzke, S. 155-157).

Im mächtigen Katalogteil (S. 160-337) werden die Ausstellungsobjekte in neun thematisch geordneten Kapiteln (unter anderem: Herrschaft und Elite, Im Zeichen des Kreuzes, Straße und Fluss – Wagen und Schiff, Handel und Luxus, Handwerk) in Beschreibungen und zum Teil in Abbildungen präsentiert. Neben Funden aus Karlburg und Balhorn selbst finden sich hier auch zahlreiche Vergleichsfunde von anderen Fundstellen sowie einige Handschriften. Das zeitliche Spektrum der Objekte reicht von der Römerzeit bis zum Hochmittelalter, mit einem deutlichen Schwerpunkt in der Merowinger- und Karolingerzeit.

Mit dem hier vorgestellten Katalog ist es den Autor(innen) gelungen, ein über die Ausstellungsdauer hinaus bleibendes Werk zu verfassen, das zwei bedeutende Zentren des Frankenreiches in ihrem umfassenden Kontext präsentiert. Zu beiden Fundstellen gibt es bereits Fachpublikationen2, der besprochene Band bietet aber, neben der Vorstellung bisher unpublizierter Ergebnisse, eine Zusammenschau der bisherigen Forschungen in einem Band, der auch optisch sehr ansprechend gestaltet wurde. Die Darstellung der beiden Zentren erfolgt unter Einbeziehung archäologischer, historischer und bioarchäologischer Erkenntnisse, wobei der Aspekt der Mobilität im Frühmittelalter speziell hervorgehoben wird.

Anmerkungen:
1 Vgl. <http://eine-welt-in-bewegung.de/>, (16.05.2009).
2 Karlburg: z.B. Peter Ettel, Karlburg am Main (Bavaria) and its role as a local centre in the late Merovingian and Ottonian periods, in: Joachim Henning (Hrsg.), Post-Roman towns, trade and settlement in Europe and Byzantium, Millennium-Studien Vol. 5/1, The Heirs of the Roman West, Berlin u.a. 2007, 319-340; mit Angaben zu weiterer Literatur; Balhorn: z.B. Georg Eggenstein, Eiserne Bestandteile karolingischer Schwertgurte aus Balhorn, in: Frank Verse / Benedikt Knoche / Jan Graefe / Martin Hohlbein / Kerstin Schierhold / Claudia Siemann / Marion Uckelmann /Gisela Woltermann (Hrsg.), Durch die Zeiten... Festschrift für Albrecht Jockenhövel zum 65. Geburtstag. Internationale Archäologie – Studia honoraria 28, Rahden u.a. 2008, 425-434; mit Angaben zu weiterer Literatur.

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