M. Herzer: Auslandskorrespondenten im Dritten Reich

Titel
Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich.


Autor(en)
Herzer, Martin
Reihe
Medien in Geschichte und Gegenwart 27
Erschienen
Köln 2012: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
306 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Mühlenfeld, Institut für Geschichtswissenschaft, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Grundlage der vorliegenden Monographie ist eine Magisterarbeit, die der Autor 2011 an der Universität Mainz im Fach Publizistik angefertigt hat. Ihr Anspruch ist es, „eine bisher noch bestehende Lücke […] [i]n der publizistikwissenschaftlichen Erforschung des Dritten Reiches […] auszufüllen“ (S. 305). Diesem Anspruch wird die Arbeit durchaus gerecht. In der Tat ist Martin Herzer zuzustimmen, dass die bisherige Aufmerksamkeit der Forschung gegenüber den im NS-Deutschland tätigen Auslandskorrespondenten gering war. Dies ist besonders misslich, weil die Außenwahrnehmung des NS-Regimes zu wesentlichen Teilen durch diese vergleichsweise kleine Gruppe von Journalisten bestimmt worden ist (S. 7f.).

Dies schickt sich Herzer an, zu ändern. Als Quellen dienen ihm neben den Aktenüberlieferungen der zuständigen Dienststellen vor allem autobiographische Zeugnisse der Auslandskorrespondenten selbst. Dass deren Quellenwert im Einzelfall kritisch zu würdigen ist, versteht sich von selbst. Wie wichtig jedoch ein sorgfältiger quellenkritischer Blick auf solcherart Material tatsächlich ist, zeigt nicht zuletzt die jüngste Enthüllung, dass selbst ein William L. Shirer sein „Berlin Diary“ vor Veröffentlichung nochmals redigiert hat.1 Sodann geht der Autor auf die Situation der Auslandskorrespondenten in der Weimarer Republik und die Auslandspressearbeit der republikanischen Reichsregierungen ein. Von zentraler Bedeutung war hier die Pressestelle der Reichsregierung, die beim Auswärtigen Amt angesiedelt war. Die Intensität der regierungsamtlichen Informationsweitergabe an ausländische Pressevertreter stand und fiel nicht zuletzt mit der Person des jeweiligen Reichskanzlers. Während Gustav Stresemann einen intensiven Kontakt pflegte, ebbten die Gespräche unter seinen Nachfolgern ab (S. 26f.).

Von Interesse für die frühe Wahrnehmung des Nationalsozialismus im Ausland ist die Feststellung, dass es bis zu den Reichstagswahlen vom September 1930 letztlich kaum direkte Kontakte der Partei mit ausländischen Pressevertretern gegeben hatte. So existierte mit Ernst Hanfstaengl nominell auch erst ab 1931 ein „Auslandspressechef der NSDAP“. Nach 1933 ist die Haltung der Partei gegenüber der Auslandspresse vorsichtig formuliert ambivalent. Zum einen fühlte sich die Partei mehr oder minder pauschal einer Hetzkampagne der ausländischen Presse ausgesetzt und war entsprechend distanziert; zum anderen bemühte sich das Regime nach 1933 ganz bewusst, das Image der Partei, wie des Landes insgesamt, mit Hilfe der Auslandskorrespondenten aufzupolieren. Die Analyse dieser komplexen Interaktion von Auslandskorrespondenten, ihren Heimatredaktionen sowie staatlichen und parteiamtlichen Dienststellen macht den Kern der vorliegenden Untersuchung aus.

Herzer schildert die Lage der Korrespondenten als von mehrfacher Unsicherheit geprägt: Mit der Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) und dem Übergang der Presseabteilung der Reichsregierung auf das neue Ressort kam ein neuer Akteur hinzu, der die Federführung bei der Betreuung der Auslandskorrespondenten reklamierte. Zugleich sahen sich auch weitere staatliche und parteiamtliche Stellen legitimiert, hier tätig zu werden. Letztlich von Bedeutung waren jedoch nur Auswärtiges Amt und RMVP; von der polizeilichen Überwachung und Bespitzelung durch die Gestapo einmal abgesehen (S. 70, 74f.). Detailliert zeigt die Arbeit auf, wie die zuständigen Stellen des NS-Regimes zwar in beständiger Konkurrenz agierten, doch aus Sicht der betroffenen Korrespondenten brachte just diese Kakophonie mitunter jene Verunsicherung hervor, die zumindest einen nicht unbeträchtlichen Teil der Journalistenschaar davon abhielt, mit dem Regime allzu kritisch ins Gericht zu gehen. Denn mittels spezieller Presselektorate und der diplomatischen Vertretungen des Deutschen Reiches im Ausland verfolgten Auswärtiges Amt und RMVP sehr genau, wie sich einzelne Journalisten in ihrer Berichterstattung äußerten. Im Falle unerwünschter Berichterstattung reichte die Bandbreite der fälligen Reaktionen von einer Einbestellung durch die staatlichen Stellen beziehungsweise der Gestapo über eine diplomatische Demarche bis hin zur Ausweisung (S. 80ff.). Letztere war jedoch ein selten praktiziertes Mittel. Weit öfter kam es vor, dass kritischen Korrespondenten bei Ablauf ihrer Aufenthaltsgenehmigung selbige nicht verlängert wurde – was de facto einer Ausweisung gleichkam, jedoch wesentlich geräuschloser ablief.

Ein weiteres Sanktionsmittel war das gezielte Abschneiden unliebsamer Korrespondenten von Informationen. Dies erwies sich jedoch als vergleichsweise stumpfes Schwert, da diese Form des Boykotts an der Solidarität des Korrespondentenkorps scheiterte (S. 86). Allerdings sollte dieser Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass keineswegs alle ausländischen Pressevertreter eine gleichsam natürliche, kritische Distanz zum NS-Regime besaßen. Vielmehr gab es auch unter westlichen Pressevertretern einige, die dem Nationalsozialismus mehr oder weniger Sympathie entgegenbrachten. Ebenso standen Journalisten, die aus ostmitteleuropäischen, autoritär bis diktatorisch regierten Staaten stammten, dem „Dritten Reich“ ideologisch durchaus näher.

Hatte das Regime schon unmittelbar nach der Machtübernahme damit begonnen, beispielsweise die Telefongespräche der Auslandskorrespondenten und deren Telegrammverkehr zu überwachen, nahm das Maß an Repressionen mit Kriegsbeginn weiter zu und die journalistischen Handlungsspielräume nahmen stetig ab. Mit dem Verlust der militärischen Initiative Ende 1942 setzte sich innerhalb des Regimes die Auffassung durch, dass statt der bislang praktizierten Nach- nunmehr eine Vorzensur bei Korrespondentenberichten stattfinden solle. Bislang war das Regime gut damit gefahren, angesichts der bekannten, drohenden Repressionen das Gros der Korrespondenten vermittels der vorauseilenden Selbstzensur zu disziplinieren. Doch nun wurde das System trotz kritischer, regimeinterner Stimmen auf Vorzensur umgestellt; eine Praxis, die für Rundfunkberichterstattung immer schon gegolten hatte. Die Reaktion der verbliebenen Journalisten in Deutschland fiel entsprechend aus: So wurden nicht abgestimmte, kritische Berichte nun vermehrt über die Schweiz abgesetzt und in den heimatlichen Zeitungen anonym publiziert, um die Korrespondenten vor Unannehmlichkeiten zu bewahren.

Zusammenfassend kommt Martin Herzer zu dem letztlich überzeugenden Befund, dass der Versuch des NS-Regimes, sich der ausländischen Journalisten vermittels eines Systems von „Zuckerbrot und Peitsche“ zu bedienen, um die Außendarstellung Deutschlands in der Welt zu verbessern, nicht erfolgreich war; ja gar nicht erfolgreich sein konnte. Denn selbst in den Fällen, in denen es gelang, Korrespondenten zu regimefreundlicher oder zumindest unkritischer Berichterstattung zu bewegen, lag es außerhalb jedweder Möglichkeit, die medialen Rezeptionsbedingungen im Ausland wohlmeinend zu beeinflussen. Ganz abgesehen davon sei der Versuch der Beeinflussung durch das Regime für die Korrespondenten selbst so offenkundig gewesen, dass er von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen sei (S. 291) – es sei denn, der betreffende Korrespondent war selbst NS-affin.

Mit der Arbeit ist dem Autor eine konzise und gut lesbare Darstellung der Arbeitsbedingungen und der Wirkmächtigkeit der Auslandskorrespondenten im nationalsozialistischen Berlin gelungen. An diesem Befund können auch kleinere Monita nichts ändern. So hätte es sich angeboten, etwa mit Blick auf den britischen Journalisten Sefton Delmer die entsprechende Biographie von Karen Bayer zurate zu ziehen.2 Und auch die Aussage, die Akten des RMVP gäben keinerlei Auskünfte hinsichtlich des Personalstandes der Presseabteilung der Reichsregierung während des Krieges her (S. 176), ist nicht haltbar. Dass sich der Autor in einigen, wenigen Fällen zu sehr darauf beschränkt, die Geschehnisse allein aus der Sicht der journalistischen Erinnerungsberichte zu schildern, ist ebenfalls kritisch anzumerken, jedoch mit Blick auf die Quellenlage mangels Alternativen offenbar kaum zu ändern. Abzüglich dieser eher randständigen Unzulänglichkeiten hat Martin Herzer eine Studie vorgelegt, der es gelingt, ein bisher unzureichend beachtetes Forschungsfeld besser auszuleuchten.

Anmerkungen:
1 Michael Strobl, Hitler will Frieden, in: Die Zeit, Nr. 32 vom 02.08.2012, S. 17.
2 Karen Bayer, „How dead is Hitler?“ Der britische Starreporter Sefton Delmer und die Deutschen, Göttingen 2008.

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