K. Bourrée: Fürstliche Selbstbehauptungsstrategien der Hohenzollern

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Titel
Dienst, Verdienst und Distinktion. Fürstliche Selbstbehauptungsstrategien der Hohenzollern im 15. Jahrhundert


Autor(en)
Bourrée, Katrin
Reihe
Symbolische Kommunikation in der Vormoderne 5
Erschienen
Köln u.a. 2012: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
721 S.
Preis
€ 89,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Benjamin Müsegades, Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die Hohenzollern liegen im Trend. Nicht nur in der neueren Geschichte, sondern auch bei der Erforschung des Spätmittelalters sind sie immer wieder Thema verschiedener Studien. Seit der Renaissance der Hochadels- und Residenzenforschung in den 1980er-Jahren sind der fränkische und brandenburgische Zweig des Hauses für das 15. und frühe 16. Jahrhundert wiederholt Gegenstand grundlegender Arbeiten geworden. Vor allem die Markgrafentümer Ansbach und Kulmbach standen in den Monographien Reinhard Seyboths und Cordula Noltes im Mittelpunkt.1 Den brandenburgischen Erbeinungen und Erbverbrüderungen des ausgehenden Mittelalters widmete sich Mario Müller.2 Darüber hinaus thematisiert insbesondere seit 1989/90 eine Vielzahl weiterer Untersuchungen verstärkt etwa Fragen des fürstlichen Handelns oder der Landesherrschaft der Hohenzollern. Zusammen mit den Abhandlungen der borussischen Geschichtsschreibung bis 1918 und den Arbeiten aus dem Bereich der brandenburgischen und fränkischen Landesgeschichte existiert ein breites Forschungstableau zum markgräflichen Wirken im ausgehenden Mittelalter.

Bedarf es also einer weiteren Arbeit zu den Hohenzollern, vor allem einer Studie, die auf mehr als 600 Seiten Fließtext das von der Forschung der letzten gut 30 Jahre mit am intensivsten bearbeitete 15. Jahrhundert beleuchtet? Dies sei vorweggenommen, die Antwort fällt für die hier zu besprechende Münsteraner Dissertation von Katrin Bourrée weitestgehend positiv aus. Im Fokus der Untersuchung steht der Zeitraum von der Erhebung des Nürnberger Burggrafen Friedrich V./I. zum Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg im Jahr 1415 bis zum Tod seines Sohns Albrecht „Achilles“ 1486. Bourrée legt den Schwerpunkt der Arbeit auf die Frage, wie sich die Hohenzollern als Aufsteiger in den Reichsfürstenstand verhielten. Hierfür werden „Praktiken und […] Diskurse der Herrschaftslegitimation“ analysiert, um „einen Beitrag zum Verständnis der sozialen Ordnung im 15. Jahrhundert [zu] leisten“ (S. 3).

Methodisch untermauert wird die Studie in der Einleitung vor allem durch den Rekurs auf das in Mittelalter- und Frühneuzeitforschung etablierte Konzept der symbolischen Kommunikation, mit dem Bourrée die unterschiedlichen fürstlichen Handlungsfelder angeht. Sie wählt hierbei – wie auch Cordula Nolte in ihrer Habilitationsschrift – den erfolgsversprechenden Ansatz, das Handeln der Hohenzollern in Franken mit dem in ihrem neu gewonnenen Kurfürstentum Brandenburg zu vergleichen. Hierfür werden zuerst die Bedeutung von Diensten und Ehrenämtern am kaiserlichen oder königlichen Hof und das Konzept von Geburts- und Verdienstadel bei den Markgrafen in den Blick genommen. Dabei werden chronologisch die Ereignisse auf dem Konstanzer Konzil und bei der Wahl Friedrichs III., aber auch der Dienst des Albrecht „Achilles“ beim habsburgischen König, sein Auftreten auf der Landshuter Hochzeit von 1475 sowie Vermittlerdienste und Beisitze im Fürstengericht analysiert. Dass fürstlicher Rang behauptet werden musste, illustriert die Auseinandersetzung Friedrichs I. mit Herzog Ludwig von Bayern-Ingolstadt in den späten 1410er-Jahren, in der der Wittelsbacher dem Markgrafen in einer Reihe von Briefen wiederholt absprach, ihm gegenüber ranggleich zu sein. Die Söhne des Kurfürsten, Friedrich II. und Albrecht, sahen sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Konflikten mit Ludwig von Bayern-Landshut und den Herzögen von Pommern wiederholt Angriffen wegen der angeblich fehlenden Legitimation ihres fürstlichen Rangs ausgesetzt. Deutlich wird, dass für die Beilegung von Konflikten, insbesondere mit dem Haus des jeweils regierenden Königs oder Kaisers, wiederholt auf die Praxis der Annahme von Ämtern und die Leistung von Diensten zurückgegriffen wurde.

Im nachfolgenden Kapitel betrachtet Bourrée die Bemühungen der Hohenzollern sich durch die Vernetzung mit ihren neuen Standesgenossen innerhalb des fürstlichen Kosmos zu etablieren. Hierfür werden sowohl Konnubium und Bündnisse betrachtet als auch die Organisation von und die Teilnahme an Festen. Hinzu kommt die Präsenz auf Turnieren, die Gründung von und der Eintritt in höfische Orden sowie die Partizipation am Geschenkverkehr und Gabentausch innerhalb des Hochadels und die Entsendung von Kindern an auswärtige Höfe. Auf diese Ausführungen folgt ein Kapitel zu „Nähe und Distanz(-ierung)“, das die Beziehungen der Markgrafen zum König oder Kaiser in den Mittelpunkt stellt.

Anschließend wird ein „Klassiker“ der mediävistisch-landesgeschichtlichen Forschung, die Landesherrschaft, thematisiert. Die Etablierung von Residenzen und der Erlass von Hofordnungen spielte ebenso eine Rolle für die herrschaftliche Durchdringung insbesondere der brandenburgischen Besitzungen wie auch die Intensivierung der Stadtherrschaft im gesamten hohenzollerischen Machtbereich. Ein spezielles Augenmerk richtet Bourrée auf das Kaiserliche Landgericht in Nürnberg, über das die Markgrafen verfügten. Durch den Zugriff auf dieses gelang es ihnen besonders in den 1450er-Jahren verstärkt, die Stellung einer der politisch einflussreichsten Mächte in Süddeutschland zu erringen und auch Streitfälle in benachbarten Fürstentümern und Städten unter ihre Jurisdiktion zu stellen. Anhand des Beispiels Friedrichs II. wird zudem die Bedeutung religiöser Praktiken und der Kirchenpolitik für die hohenzollerische Landesherrschaft betrachtet.

In ihrem letzten Kapitel thematisiert Bourrée ein Bündel weiterer Handlungsfelder des Fürstenhauses wie Grablegen und Stiftungen, die Aufnahme in Bruderschaften, Adelsgesellschaften und Hoforden sowie die Instrumentalisierung der Genealogie im Interesse der Hohenzollern. Ebenfalls berücksichtigt werden Turnierteilnahmen und Pilgerreisen. Abgerundet wird die Studie durch ein Personen- und Ortsregister.

Der Gesamteindruck der Arbeit ist positiv. Die verschiedenen Felder, innerhalb derer sich die Hohenzollern im 15. Jahrhundert bewegten, werden souverän unter angemessener Wertung vor allem der Vielzahl von gedruckten Quellen und der bisherigen Forschung untersucht. Bourrée gelingt es dabei – sprachlich ansprechend – deutlich zu machen, dass es sich bei der Etablierung und Verteidigung des fürstlichen Rangs im 15. Jahrhundert um einen Prozess handelte, der nie ganz abgeschlossen war. Ihre Ausgangsfrage nach den Praktiken und Diskursen der spätmittelalterlichen Herrschaftslegitimation zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Arbeit und erleichtert die Lektüre. Sie führt dabei eine Vielzahl von Aspekten zusammen, die erst kombiniert ein Gesamtbild markgräflichen Handelns im späten Mittelalter ergeben. Besonders hervorzuheben ist, dass sie mit dem Kaiserlichen Landgericht ein Machtinstrument ins Blickfeld rückt (S. 368–418), das von der Hof- und Residenzenforschung bisher weitestgehend ignoriert wurde. Auch die Rolle der markgräflichen Stiftungen und Grablegen (S. 486–519) wird erstmals innerhalb eines größeren Kontextes betrachtet.

Trotz des bereits beträchtlichen Umfangs der Arbeit sei jedoch darauf verwiesen, dass einige Aspekte das Bild des hohenzollerischen Handelns innerhalb des Reichsfürstenstandes noch weiter hätten schärfen können. So fehlt ein systematischer Blick auf die finanziellen Gestaltungsräume, die vielfach das Handeln in den unterschiedlichen Kontexten erst ermöglicht haben dürften. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt zudem stark auf der Perspektive des regierenden Fürsten. Welche Rolle Fürstinnen und fürstliche Kinder, gerade während der quellenmäßig gut fassbaren Herrschaftszeit von Albrecht „Achilles“, spielten, wird kaum behandelt.

Ebenfalls zu kurz kommt die Untersuchung eines in der neueren Forschung „wiederentdeckten“ Repräsentationsobjekts, des Siegels. Dies weist direkt auf den Hauptkritikpunkt an Bourrées Arbeit: den fast vollständigen Verzicht auf die Auseinandersetzung mit der archivalischen Überlieferung. Zur Geschichte der Hohenzollern im 15. Jahrhundert stehen insbesondere mit Riedels monumentalem Codex Diplomaticus Brandenburgensis und dem von Felix Priebatsch herausgegebenen Briefwechsel des Markgrafen Albrecht während seiner Zeit als Kurfürst von 1470 bis 1486 voluminöse gedruckte Quellenkorpora zur Verfügung.3

Beide Werkreihen erlauben durch ihren Umfang und ihre gute Verfügbarkeit bequem eine tiefgehende Beschäftigung mit einer Vielzahl von Aspekten fürstlichen Handelns. Allerdings enthalten auch die genannten Editionen bei weitem nicht alle verfügbaren Quellen. So machte beispielsweise Joachim Lehmann bereits 1973 darauf aufmerksam, dass Riedel mehrere Register der brandenburgischen Kanzlei nicht auswertete und der „Codex“ besonders bei der Wiedergabe von Quellen, die nicht die Beziehungen der Hohenzollern zu anderen Fürsten oder Städten außerhalb der Mark betrafen, erhebliche Lücken aufweist.4 Die Staatsarchive in Berlin, Potsdam oder Nürnberg, ganz zu schweigen von den Beständen benachbarter Fürstentümer wie Sachsen oder Würzburg, enthalten noch eine Vielzahl von Quellen, die für eine Beschäftigung mit den Hohenzollern herangezogen werden müssten.

Auch wenn dieser Kritikpunkt den ansonsten positiven Gesamteindruck trübt, kann doch konstatiert werden, dass mit der Arbeit von Katrin Bourrée eine Studie vorliegt, die einen guten Einblick in die Bemühungen der Markgrafen von Brandenburg gibt, ihren neu gewonnenen Rang als Reichsfürsten im 15. Jahrhundert zu behaupten. Sie hat das Feld der Forschung zu den spätmittelalterlichen Hohenzollern erweitert. Die Arbeit ist jedoch noch nicht zu einem Ende gekommen.

Anmerkungen:
1 Reinhard Seyboth, Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren 1486–1515, Göttingen 1985; Cordula Nolte, Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440–1530), Ostfildern 2005.
2 Mario Müller, Besiegelte Freundschaft. Die brandenburgischen Erbeinungen und Erbverbrüderungen im späten Mittelalter, Göttingen 2010.
3 Adolph Friedrich Riedel (Hrsg.), Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, 41 Bde., Berlin 1838–1869; Felix Priebatsch (Hrsg.), Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, 3 Bde., Leipzig 1894–1898.
4 Joachim Lehmann, Die Register der brandenburgischen Kanzlei 1411–1470. Ein Beitrag zur Quellenkunde und Registraturführung des Spätfeudalismus, Diss. masch. Humboldt-Universität Berlin 1973, S. 173–175.