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Titel
GIs and Fräuleins. The German-American Encounter in 1950s West Germany


Autor(en)
Höhn, Maria
Erschienen
Anzahl Seiten
337 p.
Preis
£ 17.95
Rezensiert für den Rezensionsdienst "Europäische Ethnologie / Kulturanthropologie / Volkskunde" bei H-Soz-Kult von:
Kaspar Maase, Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Universität Tübingen

In den letzten Jahren haben vor allem amerikanische und britische Arbeiten einige neue Fragen an die deutsche Kulturgeschichte der 1950er Jahre gestellt. Aus einer alltagsbezogenen Perspektive haben, um nur einige zu nennen, Erica Carter, Heide Fehrenbach, Elisabeth Hei-neman, Robert Moeller und Uta Poiger verfolgt, wie sich damals zwischen Privatheit und na-tionaler Identifizierung Selbst- und Fremdbilder in der postnationalsozialistischen Gesell-schaft herausbildeten. Geschlecht, Konsum, Familie, Populärkultur, ‚Amerikanisierung' sind als wichtige Aspekte der Formierung einer veränderten Mentalitätsfiguration beleuchtet wor-den – und darüber hinaus eine Linie der Unterscheidung zwischen dem Eigenen und dem Fremden, die im Selbstbild der Deutschen, auch der autochthonen Sozial- und Geschichtswis-senschaft bislang überhaupt keine Rolle spielte: ‚Rasse‘. Gemeint ist nicht das Fortleben von Antisemitismus, sondern die Beziehung zu ‚Nicht-Weißen‘.

Trotz Parzival und Sarottimohr, ‚gelber Gefahr‘ und Herero-Massaker wiegt sich auch der gebildete Deutsche in dem beruhigenden Gefühl, Umgang mit und Abgrenzung zu ‚Schwar-zen, Gelben und Rothäuten‘ hätten bei der Formierung nationaler Identifikationen in Deutsch-land keine nennenswerte Rolle gespielt. Die vorzustellende Studie belegt eindrucksvoll, dass es sich dabei um eine Selbsttäuschung handelt. Ihr Thema ist die Begegnung von Deutschen und Amerikanern in Rheinland-Pfalz während der 1950er Jahre, die sich aus den spezifischen Bedingungen der Stationierung von US-Truppen dort ergab. Und ein wesentliches Ergebnis ist: Obwohl schwarze Amerikaner nur eine Minderheit von ca. 15% unter den GIs stellten, bildeten sie die größte Herausforderung für die Einheimischen; aggressiver ebenso wie naiver Rassismus prägte Wahrnehmung und Handeln in allen Teilen der deutschen Gesellschaft – und der Rassismus in der US-Armee half, dies nur wenige Jahre nach dem Ende der NS-Rassenmorde mit durchaus gutem Gewissen zu tun.

Maria Höhns Buch nutzt gekonnt die Vorteile einer Regionalstudie. Sie schildert die deutsch-amerikanischen Begegnungen dicht, auf der Grundlage alltagsnaher Quellen, differenziert und mit klaren Akzentuierungen. Zwei Besonderheiten kennzeichnen die rheinland-pfälzische Erfahrung. Schon 1937 hatte die Wehrmacht in Baumholder einen großen Truppenübungs-platz angelegt, der dann 1945 von den französischen Truppen übernommen wurde, bis 1950/51 mehr als 100.000 Amerikaner (Soldaten und Angehörige) im Land stationiert wur-den. Damit verfügte die Bevölkerung über eine entwickelte Vergleichsbasis für das Auftreten der US-Armee.

Ein großer Teil der Amerikaner kam nicht in Kasernen oder abgeschlossenen Militärsiedlun-gen unter, sondern musste Wohnung wie Freizeitunterhaltung in den deutschen Gemeinden suchen. Daraus sowie aus der Beschäftigung Einheimischer in US-Einrichtungen ergab sich eine Intensität des Zusammenlebens (nicht selten unter einem Dach) wie an keinem anderen Stationierungsort. Dem Historiker erlaubt das, ‚Amerikanisierung‘ und Auseinandersetzung mit dem Fremden in großer Dichte zu untersuchen. Für die Bewohner der Region waren Orte wie Baumholder, Birkenfeld und Kaiserslautern, in denen die Amerikaner und ihre Dollars das Leben der Deutschen umkrempelten, ‚hot spots‘ problembeladener, überwältigender Mo-dernisierung. Und für viele Deutsche wurden sie im Ergebnis medialer Thematisierung zu Menetekeln einer „sittlichen Katastrophe“, wie die kirchlichen Wohlfahrtsverbände formulier-ten.

Das Zusammenleben vor Ort entspannte sich nach den ersten Jahren, in denen mit militäri-scher Rücksichtslosigkeit die Infrastruktur für die Armee geschaffen wurde, schnell und dau-erhaft. Viele konnten mit dem Geld, das die Amerikaner als Mieter, Arbeitgeber, Vergnü-gungssuchende ausgaben, ihren Lebensstandard gewaltig verbessern. Und die amerikanische Lebensart zog nicht nur die Jugendlichen in ihren Bann. In den heutigen Interviews mit Zeit-zeugen artikuliert sich ein Generationskonsens, dass die Amerikaner neben Gelassenheit und Öffnung zur Welt auch demokratische Versprechen auf mehr Egalität und Wohlstand für alle vorlebten. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der neuen Nachbarn trugen ebenso zur positi-ven Bilanz der Rückblicke bei wie die systematische und aufwändige Politik der Armee mit dem Ziel guter Beziehungen; in der Region jedenfalls – so die heutigen Erinnerungen – wur-den aus Besatzern weithin Freunde.

Das war noch nicht die Stimmung, die die 1950er Jahre beherrschte. In der Region wie natio-nal stand ein Problem im Vordergrund: die Präsenz zigtausender junger Amerikaner, die Kon-takt zu Frauen suchten. Die US-Armee antwortete auf diese Herausforderung nicht so, wie es den Deutschen am liebsten gewesen wäre und wie es auch die Wehrmacht und die französi-schen Truppen taten: durch Einrichtung von Militärbordellen (bei den Franzosen nach Haut-farbe getrennt). Es gab deutsch-amerikanische Ehen, das dauerhafte Zusammenleben von Paa-ren (die US-Armee erteilte nur sehr zögerlich Heiratsgenehmigungen, insbesondere für schwarze GIs), wechselnde Beziehungen und die Zuwanderung von Prostituierten aus halb Europa, insbesondere zu den Zahltagen.

Aus der Perspektive der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände sowie der staatlichen Fürsorge fielen sämtliche Beziehungen ohne Trauschein unter die Rubrik des Unsittlichen – und Tau-sende Deutscher, die an solche Paare vermieteten oder gar mit ihnen zusammenlebten, leiste-ten für eine Handvoll Dollar der Unmoral und dem Verderb ihrer Kinder Vorschub. Gemes-sen am konservativen Projekt der „moralischen Wiederaufrüstung“ (Höhn) nach Normen, die schon in der Weimarer Republik ihre Allgemeingültigkeit verloren hatten, handelte es sich um einen Skandal. Politik und Justiz antworteten mit einem Feldzug gegen Sittenverfall und Verwahrlosung, die der ‚Materialismus‘ der neuen Zeit und die amerikanischen Armeeange-hörigen als dessen Speerspitze vor Ort mit sich brachten. Über Jahre wurden alle Lokale, in denen GIs verkehrten, mit einem Netz regelmäßiger Kontrollen überzogen, in dem sich auch Frauen aus wohlbeleumundeten einheimischen Familien verfingen. Lehrer sollten Schülerin-nen denunzieren, Fürsorgerinnen überwachten verdächtige Bekanntschaften. Der Tatbestand der Prostitution wurde entgegen dem Gesetzestext so ausgedehnt, dass er jede Frau treffen konnte, die Kontakt mit einem amerikanischen Soldaten hatte. Immer wieder mussten Frauen, die in dauerhaften Verbindungen mit GIs lebten, vor Gericht auf entwürdigende Art den ernsthaften Charakter ihrer Beziehung nachweisen.

Kontrolle und Verfolgung, soweit sie über die professionelle Prostitution hinausgingen, wur-den von der Bevölkerung weitgehend abgelehnt. Höhn betont die Kontinuität; Toleranz ge-genüber außerehelichen Sexualbeziehungen auch von Frauen sei während des NS genährt und gefördert worden und habe sich unter dem ‚Überdruck‘ der Stationierungsregionen selbst auf dem platten Land durchgesetzt. Darüber hinaus sei die Abwehr von staatlichen Eingriffen in als privat definierte Lebensbereiche auch eine protodemokratische Verarbeitung von Erfah-rungen aus dem ‚Dritten Reich‘ gewesen.

Vor diesem Hintergrund tritt um so markanter die anhaltende Empörung über Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Afroamerikanern hervor. Im absoluten Missverhältnis zu den realen Proportionen konzentrierten sich die Sittendebatte und auch die Polizeimaßnahmen auf die sogenannten „schwarzen Bars“: Lokale, in denen farbige US-Soldaten verkehrten. Im Wi-derspruch zum Grundgesetz hatte sich auch in den deutschen Gaststätten, die von Amerika-nern frequentiert wurden, die Rassentrennung durchgesetzt – als Ergebnis des Drucks weißer GIs und mit faktischer Absicherung durch die US-Militärpolizei und die deutsche Polizei, die zumeist gemeinsam auftraten und sich stets gegen Schwarze wendeten, die die Ausdehnung der amerikanischen Segregation auf Deutschland nicht akzeptieren wollten. Erst etwa 1954 war die Integration in der US-Armee in Deutschland durchgesetzt; im Freizeitbereich galten jedoch die Regeln der Rassentrennung bis in die 1960er Jahre – in den amerikanischen Clubs ebenso wie in den deutschen Lokalen, die nur von GIs besucht wurden.

Während im Umgang mit den jüdischen Besitzern solcher Bars der verordnete Philosemitis-mus die öffentliche Sprache zensierte, sind in der Rede über Afroamerikaner und ihre deut-schen Bräute kaum Hemmungen erkennbar. Solche Verbindungen galten Beamten wie Kleri-kern und Leserbriefschreibern als schlicht unnatürlich. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts konstatiert Höhn außerdem eine schärfere rassistische Sprache gegenüber Schwarzen, die zu-nehmend als Wilde und Bestien erscheinen. Sie verknüpft das mit der Aufhebung des Besat-zungsstatuts 1955; der Souveränitätsgewinn habe Hemmungen bei der Artikulation von Nati-onalbewusstsein beseitigt, und die wahrgenommene Bedrohung der Rassenreinheit durch die unnatürlichen Verbindungen bildete einen herausragenden Anlass, deutsche Selbständigkeits- und Selbstbehauptungsansprüche zu mobilisieren. Elegant weist Höhn auf den blinden Fleck im Konzept der Westernisierung hin, das an der deutschen Nachkriegsgeschichte die Einbin-dung in den Horizont westlicher (nicht allein amerikanischer) Werte betont: Die gemeinsame liberale Tradition schloss Diskriminierung von ‚Rassen‘ ebenso ein wie die von Frauen.

Hier wird deutlich, dass die regionalen Befunde durchaus gesamtgesellschaftliche Entwick-lungen beleuchten; anhand der Bundestagsdebatten und der Thematisierung in Filmen und der nationalen (Boulevard-)Presse verfolgt die Arbeit solche Verknüpfungen. Sie zeichnet ein differenziertes und plastisches, lebensnahes Bild der moralischen Wiederaufrüstungsfeldzüge, ihrer Widersprüche und Grenzen, ihres letztendlichen Scheiterns. Die gut gewählten Abbil-dungen tragen dazu das Ihre bei, und ein Register steigert den Gebrauchswert. Manche Urtei-le, etwa über die Kirchen im Nationalsozialismus, wirken auf den deutschen Leser eindimen-sional, und über die sozialen und mentalen Wandlungsprozesse, die sich gegen Ende der 1950er Jahre durchsetzten, hätte man gerne etwas mehr erfahren. Eine komplexere Einbin-dung der regionalen Entwicklung in die Gesellschaftsgeschichte des Jahrzehnts bleibt als Wunsch nach der Lektüre. Die Frage nach dem deutschen Rassismus jedenfalls, die jetzt auch aus postkolonialer Perspektive aufgeworfen wird 1, liegt dank Höhns Arbeit gut belegt auf dem deutschen Tisch.

Anmerkung:
1 Sebastian Conrad: Doppelte Marginalisierung. Plädoyer für eine transnationale Perspekti-ve auf die deutsche Geschichte. In: Geschichte und Gesellschaft 28, 2002, H. 1, S. 145-169.

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Diese Rezension entstand in Kooperation mit dem Rezensionsdienst "Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie/Volkskunde" http://www.euroethno.hu-berlin.de/forschung/publikationen/rezensionen/
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