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Titel
Cura animarum. Seelsorge im Deutschordensland Preußen


Herausgeber
Samerski, Stefan
Reihe
Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 45
Erschienen
Köln 2013: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
249 S.
Preis
€ 32,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Remigius Stachowiak, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Der cura animarum im mittelalterlichen Deutschordensland Preußen widmete sich die 47. Arbeitstagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte in Danzig-Oliva. Der hier zu besprechende Band vereint die dort im September 2010 gehaltenen Vorträge in überarbeiteter Form. Zwölf ausgewiesene Kenner der Materie aus Polen und Deutschland nähern sich dem vielschichtigen Thema der Seelsorge im mittelalterlichen Preußen aus interdisziplinärer Perspektive.

Im Vorwort (S. 9–14) geht Stefan Samerski davon aus, dass der Deutsche Orden das religiöse Leben im Preußenland bis zur Einführung der Reformation 1525 entscheidend prägte, ohne es jedoch zu monopolisieren. Gleichzeitig betont er, dass hier eine differenzierte Sichtweise auf die komplexe Thematik notwendig sei. Im ersten Beitrag beleuchtet Arno Mentzel-Reuters (S. 15–43) vornehmlich die monastischen Aspekte des Deutschen Ordens und hebt dabei die Bedeutung des Deutschen Ordens als geistliche Korporation hervor. Roman Czaja untersucht im zweiten Beitrag (S. 44–57) die korporative Identität des Ordens, weist dabei auf die methodischen Probleme bei der Erforschung der ‚Identität‘ in der Geschichtswissenschaft hin. In diesem Zusammenhang rückt Czaja die Religiosität der Ordensangehörigen in den Vordergrund, betont dabei die Verbindung von adlig-ritterlichen und monastischen Ideen und konstatiert die Zunahme des ritterlich-adligen Elements.

Radosław Biskup skizziert im dritten Beitrag (S. 58–73) die Kirchenorganisation als institutionelle Voraussetzung für die Seelsorge in Preußen und beschreibt dabei die Besonderheiten der in den Deutschen Orden ‚inkorporierten‘ Domkapitel. In diesem Zusammenhang weist Biskup auf zwei Forschungsprojekte der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruń hin: Zum einen auf das Projekt „Pfarreien im Deutschordensstaat in Preußen 1243-1525“, das die Rekonstruktion des Pfarrnetzes im Preußenland zum Ziel hat1, und zum anderen auf die Edition des preußischen Formelbuches aus Uppsala aus dem 15. Jahrhundert, das als Brief- und Formelsammlung verschiedene Aspekte des kirchlichen Lebens in Preußen thematisiert.2

Die Beiträge von Rafał Kubicki und Piotr Oliński befassen sich mit den Bettelorden im Preußenland. Kubicki hebt die Rolle der Mendikanten insbesondere in der Prußenmission des 13. Jahrhunderts hervor (S. 74–91). Dabei geht er auf die Beziehungen der Bettelorden zum Deutschen Orden, den preußischen Bischöfen sowie zu den Städten ein. Besonders hervorgehoben wird die Rolle der Mendikanten als Prediger und Seelsorger unter den neuen Siedlern, aber auch unter der autochthonen Bevölkerung, sowie der Beitrag der Ordensgemeinschaften zum intellektuellen Leben in den Städten. Eine Karte der Klöster im Ordensland Preußen veranschaulicht die geografische Verteilung der Bettelorden. Oliński (S. 92–104) geht genauer auf die Rolle der Franziskaner im Ordensland ein. Er konzentriert sich dabei auf die ersten Franziskanerniederlassungen in Thorn und Kulm, die missionarische Tätigkeit sowie die Rolle als Schlichter politischer Konflikte zwischen dem Deutschen Orden und den polnischen und pommerellischen Fürsten.

Die Beiträge von Edith Feistner und Michael Neecke widmen sich der Deutschordensliteratur. Anhand ausgewählter Fallbeispiele (Judith, Hester, Apokalypse des Heinrich von Hesler, Makkabäer, Daniel, Hiob, Esra und Nehemia, Historien der alden ê) beschäftigt sich Feistner (S. 105–120) mit dem Einfluss von Bibeldichtung auf die korporative Identität des Ordens in seiner Anfangszeit. Neecke (S. 121–131) untersucht die Judith-Dichtung von 1254, das älteste Werk der Deutschordensliteratur. Dabei verweist er auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen der bibelepischen Judith und dem in den Ordensstatuten entworfenen und in den Deutschordenschroniken des Peter von Dusburg und des Nikolaus von Jeroschin weiterentwickelten Selbstbild des Ordens.

Christofer Herrmann widmet sich der preußischen Sakralarchitektur (S. 132–160). Herrmann stellt die vier preußischen Domkirchen von Kulmsee, Königsberg, Frauenburg und Marienwerder vor und geht ausführlich auf die Wirkung dieser Kirchen auf die Pfarrkirchenarchitektur ein. Während sich die Vorbildfunktion der Domkirchen von Marienwerder und Kulmsee nur vereinzelt erkennen lässt, sieht Herrmann einen starken Einfluss der Königsberger und der Frauenburger Bischofskirchen auf die Kirchen der beiden Diözesen. Im Weiteren beschreibt Herrmann die Architektur der städtischen und ländlichen Pfarrkirchen und betont dabei den von den drei übrigen Diözesen abweichenden Charakter der samländischen Sakralarchitektur. Hier herrschte der Typus der großen Zentralkirche vor. Die Beschreibungen lassen sich anhand der 30 Abbildungen preußischer Kirchen besonders gut nachvollziehen.

Mit der Liturgie des Deutschen Ordens beschäftigt sich der Beitrag von Anette Löffler (S. 161–184). Sie skizziert die historische Entwicklung der Deutschordensliturgie und ihre Eigenheiten, konzentriert sich dabei auf die Hochfeste des Deutschen Ordens. Daneben beschreibt sie die seelsorgerischen Aufgaben der Priesterbrüder und ihre besondere Stellung innerhalb des Deutschen Ordens. Löffler weist darauf hin, dass die Mehrheit der Priesterbrüder in Preußen zur geistlichen Versorgung der Ordenskonvente benötigt wurde und die preußischen Pfarrkirchen eher selten mit Priesterbrüdern besetzt wurden. Eine Ausnahme bildeten die bedeutenden preußischen Stadtpfarreien insbesondere St. Johann in Thorn und St. Marien in Danzig.3

Die Beiträge von Cordelia Heß und Stefan Samerski setzen sich mit der Heiligenverehrung auseinander. Heß greift in ihrem Beitrag einige Aspekte der Marienverehrung auf, die als besonders charakteristisch für den Deutschen Orden gelten, wie das Motiv der gekrönten Maria als regina coeli (S. 185–199). Sie zeigt die Flexibilität und Vielseitigkeit der Marienverehrung und betont, dass der Deutsche Orden keine bestimmten Motive oder Deutungen der Marienverehrung monopolisierte. Ferner thematisiert Heß auch die Volksfrömmigkeit. So war im Preußenland auch eine populäre Form der Marienverehrung weit verbreitet, wovon die Marienwallfahrtsorte in Preußen zeugen. Samerski widmet seinen Beitrag der preußischen Patronin Dorothea von Montau (S. 200–216). Er skizziert die Kultgeschichte der hl. Dorothea von ihrem Tod 1394 über ihre ‚Neuentdeckung‘ im 19. Jahrhundert bis in die neueste Zeit (Heiligsprechung durch Papst Paul VI. im Jahr 1976). Samerski weist darauf hin, dass die Wirkungsgeschichte Dorotheas von Montau Brüchen und Neubewertungen unterworfen war und ihre genaue Verortung im Deutschen Orden schwierig sei. Dennoch gelte sie eindeutig als gewollte Heilige des Ordens, wofür die massive Förderung seitens des Ordens spricht.

Klaus Militzer untersucht in seinem Beitrag die Laienbruderschaften (S. 217–226). Die Gründe für die verzögerte Wirkung der Bruderschaften im Preußenland sieht er in der langsamen Stadtentwicklung, dem nur losen Netz der Mendikantenklöster im östlichen Preußen sowie der Distanz des Deutschen Ordens gegenüber den Mendikanten, welche eine große Rolle bei der Entstehung der Laienbruderschaften spielten. Am Ende des Bandes legt Edith Feistner eine synoptische Edition der bislang wenig beachteten unikal überlieferten Verserzählung „Der Litauer“ von Schondoch in Mittelhochdeutsch und eine Übersetzung ins Neuhochdeutsche vor (S. 227–238). In einer Einführung verortet Feistner die Erzählung gewissermaßen als literarische Katechese. Erschlossen wird der Sammelband zusätzlich durch ein Orts- und Personenregister, das einen schnellen und gezielten Zugriff bedeutend erleichtert.

Obwohl der Band naturgemäß keinen Gesamtüberblick geben kann und will, liefern die Autoren vielfältige, durch ihre eigene Forschung ausgewiesene Zugänge und Denkanstöße zu dem umfangreichen Themenkomplex der Seelsorge im Deutschordensland Preußen. Das Werk geht über eine Bibliographie raisonnée, die lediglich den Forschungsstand wiedergibt und auf Desiderate hinweist, deutlich hinaus. Wünschenswert wäre allerdings ein einführender Grundsatzartikel gewesen, der den Leser in die Thematik der Seelsorge im Mittelalter allgemein einführt, dabei die aktuelle Forschungslage vorstellt und gleichzeitig einen Bogen um die Beiträge zieht. Dieser Kritikpunkt mindert jedoch keinesfalls den Gewinn aus der Lektüre der einzelnen Beiträge.

Anmerkungen:
1 Parafie w państwie zakonu krzyżackiego w Prusach 1243–1525 [Pfarreien im Deutschordensstaat in Preußen 1243–1525], <http://www.parafie.umk.pl> (15.08.2013)
2 Vgl. dazu Radosław Biskup / Mario Glauert, Das preußische Formelbuch des 15. Jahrhunderts aus Uppsala. Vorstellung eines Editionsprojekts, in: Helmut Flachenecker / Janusz Tandecki / Krzysztof Kopiński (Hrsg.), Editionswissenschaftliches Kolloquium 2011: Quellen kirchlicher Provenienz. Neue Editionsvorhaben und aktuelle EDV-Projekte, Toruń 2011, S. 369–380.
3 Untersuchungen des Pfarrklerus im Deutschordensland bilden in der Forschung weiterhin ein Desiderat. In jüngster Zeit ist eine beachtenswerte Arbeit zum Stadtklerus von Thorn erschienen: Marcin Sumowski, Duchowni diecezjalni w średniowiecznym Toruniu. Studium prozopograficzne [Der Diözesanklerus im mittelalterlichen Thorn. Eine prosopografische Untersuchung], Toruń 2012.

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