R. Sörries: Spätantike und frühchristliche Kunst

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Titel
Spätantike und frühchristliche Kunst. Eine Einführung ins Studium der christlichen Archäologie


Autor(en)
Sörries, Reiner
Reihe
UTB Kunstgeschichte 3521
Erschienen
Köln 2013: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
332 S., zahlr. Abb.
Preis
€ 19,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Florian Sonntag, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Galt die Christliche Archäologie bis vor wenigen Jahren noch als sogenanntes Orchideenfach, ist das Studium dieses Faches seit der Umsetzung des Bologna-Prozesses „für eine größere Zahl von Studierenden studienrelevant“ geworden (S. 11). Ein Studium der Christlichen Archäologie ist an immer mehr Universitäten möglich1, was auf längere Sicht sicher dazu führen wird, dass sich dieses Fach zu einem „Bestandteil der Archäologischen Wissenschaften“ (S. 11) entwickeln wird. Dies zeigt die Relevanz einer Einführung neueren Datums2, zumal von einem solchen Werk auch Studenten und Wissenschaftler verwandter Disziplinen profitieren können. Reiner Sörries hat mit seinem Buch „Spätantike und frühchristliche Kunst. Eine Einführung in die Christliche Archäologie“ nun einen Versuch gewagt, die beschriebene Lücke zu schließen.

In einer ausführlichen Einleitung beschreibt Sörries die wichtigsten Merkmale der Christlichen Archäologie. Er erklärt Namen, Gegenstand und Fachzugehörigkeit, versucht, sowohl einen geographischen als auch einen zeitlichen Rahmen zu setzen (S. 14–20), geht auf die Forschungsgeschichte ein (S. 21–25) und erklärt, warum die Christliche Archäologie als Teil der Theologie zu verstehen ist, auch wenn sie ebenfalls für die Klassische Archäologie, die Alte Geschichte sowie für die Kunstwissenschaften bedeutend ist (S. 25f.). Anschließend folgt eine „Kurze Charakteristik des Frühen Christentums“ (S. 26–36).

In den Kapiteln zwei bis fünf beschreibt Sörries die Entwicklung der christlichen Kunst, wobei er chronologisch vorgeht. Dabei ist zu betonen, dass aus den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten kaum Zeugnisse vorhanden sind, die zum einen sicher in einen christlichen Kontext eingeordnet und zum anderen zweifelsfrei datiert werden können (S. 46). Ob etwa die sogenannte älteste christliche Kirche der Welt wirklich in das zweite Drittel des 1. Jahrhunderts datiert werden kann (S. 47)3 oder in Herculaneum tatsächlich ein christlicher Andachtsraum erhalten geblieben ist (S. 49), ist kaum zu entscheiden. Sicher ist anzunehmen, dass der christliche Glaube besonders „in den sozial niederen Schichten auf fruchtbaren Boden fiel“ (S. 45) und dies vor allem in den Großstädten (S. 42). Aber das christliche Leben dieser Zeit ist „archäologisch praktisch nicht greifbar“ (S. 41).4 Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass christliche Motive in die damalige Kunst eingeflossen sind, aber in keinem christlichen Kontext standen. So ist es denkbar, dass die Bibel wie etwa die Schriften des Homer ein Bestandteil der damaligen Kultur war. Auf diesem Wege könnte man sich dann erklären, warum in einem Hypogäum profane, pagane und biblische Motive nebeneinander zu sehen sind (S. 55), falls die Datierung in das 1. Jahrhundert korrekt ist.

„Sichtbar“ werden die Christen für die Archäologen ab dem 3. Jahrhundert: So lässt sich die berühmte Hauskirche von Dura Europos (S. 60 u. 82) mit großer Sicherheit in die Jahre 232/33 datieren. Dies zeigt allerdings, dass es christliche Kirchen bereits vor Konstantin gegeben hat, was ebenfalls in den schriftlichen Quellen zur Sprache kommt5, auch wenn die Funde in diesem Bereich besonders rar sind. Sörries erklärt dies durch die zahlreichen Christenverfolgungen im 3. und zu Beginn des 4. Jahrhunderts (S. 60f.). „Sichtbar“ wird das Christentum aber auch im Bereich des Bestattungswesens, vor allem in Rom. Spätestens seit dem Übergang vom 2. zum 3. Jahrhundert sind Katakomben nachgewiesen, die durch Wandmalereien eindeutig als christlich zu erkennen sind und für welche die christliche Gemeinde zuständig war (S. 69f.). Außerdem befinden sich christliche Symbole auf einigen Sarkophagen dieser Zeit, welche häufig nur durch eine Inschrift als christlich zu identifizieren sind. Sörries betont, dass ein christliches Bildrepertoire für Sarkophage offensichtlich noch nicht existierte, was sich erst um 270 änderte (S. 74). Ein beliebtes christliches Motiv auf den Sarkophagen war die Jonageschichte (S. 83f.).

Durch die kaiserliche Protektion entwickelte die christliche Kunst im 4. Jahrhundert eine erste Blüte, die nun auch zunehmend im Alltag sichtbar war (S. 110–118). Christen durften ihren Glauben frei ausüben, was auch für das Heidentum noch galt (S. 120). Der Kirchenbau (und der Bau von Baptisterien) nahm allgemein, wenn auch nur langsam zu (S. 92f.). Man griff hierfür auf die Basilika zurück. Die Kirchen wurden mit Mosaiken ausgeschmückt, welche häufig „eine christuszentrierte Komposition besitzen“ (S. 106). Ob sich die Kirchen der Arianer von den Kirchen der Orthodoxen unterschieden, ist nicht mehr zu sagen, häufig gab es aber mehrere Bischöfe in einer Stadt (S. 103). Eine besondere Blüte erfuhr auch die Herstellung von Sarkophagen, welche in Rom um 400 abbricht. Eventuell lag dies an der Eroberung Roms 410 (S. 109).

Im 5. und 6. Jahrhundert setzte sich das Christentum dann endgültig durch. Aus dieser Zeit haben sich viele prachtvolle Basiliken mit glanzvollen Mosaiken erhalten (S. 137 u. 182f.). Kirchen wurden nun auch von Privatpersonen gestiftet. Außerdem wurde die staatliche Getreide- und Brotausgabe im Westen durch kirchliche Diakonien ersetzt (S. 144). In Ravenna entstand ein neues Produktionszentrum für Sarkophage. Außerdem haben sich in dieser Stadt kirchliche Bauten erhalten, welche den byzantinischen Herrschaftsanspruch zeigen (S. 186). Der Kaiser nutzte die christliche Kunst als Ausdruck kaiserlicher Macht (S. 177f.); besonders Justinian trat häufig als Bauherr von Kirchen auf, denn er gründete „seinen Machtanspruch auf sein Gottesgnadentum, das in den Kirchenbauten bis in jedes Dorf präsent sein“ sollte (S. 190f.). Justinian ließ auch die letzten aktiven Zentren des Heidentums beseitigen (S. 177), was dessen Ende markiert.

Im sechsten Kapitel wird die „Ausbreitung des Christentums im germanischen Kulturkreis“ (S. 204–212) besprochen. Besonders die urbanen Zentren am Rhein sind hier von Bedeutung. So hat man in Trier unzählige frühchristliche Grabinschriften gefunden (S. 206). Hingegen sind im Raum Regensburg und den Provinzen südlich der Donau weitaus weniger christliche Funde bekannt. Ob dafür der wirtschaftliche Niedergang verantwortlich ist, der mit dem Machtverlust der Römer in diesen Regionen einsetzte, kann nicht geklärt werden. Dafür spricht jedoch, dass in nachantiker Zeit viele einfache Holzkirchen anstatt Steinkirchen erbaut wurden (S. 206). Das Fehlen von christlichen Funden im freien Germanien deutet darauf hin, dass das Christentum erst im 6. und 7. Jahrhundert im Zuge der Missionierungen in diese Gebiete vordrang (S. 209f.).

Anschließend geht Sörries noch der Frage nach, welches Jahr als Endpunkt der Christlichen Archäologie gesehen werden kann (S. 213–221). Die vorgeschlagenen Daten reichen von der Gründung Konstantinopels im Jahr 330 über das Ende des Weströmischen Reiches 476 bis zur Niederlage der Byzantiner bei der Schlacht am Jarmuk 636. Sörries lässt die Christliche Archäologie im 7. Jahrhundert enden und begründet dies damit, dass sich nun die byzantinische Kunstgeschichte mit dem östlichen Reichsteil sowie die Kunstgeschichte und Frühmittelalterarchäologie mit dem Westteil des ehemaligen Römischen Reiches befassen (S. 17).

Im achten Kapitel weist er darauf hin, dass die Christliche Archäologie sich lediglich auf das Gebiet des ehemaligen Imperium Romanum beschränkt und somit die Kirche des Ostens, die Kirchen der antiken nubischen Königreiche und das Königreich Aksum außer Acht lässt (S. 223–231). Eine Ausdehnung auf diese Gebiete würde sicher neue Erkenntnisse bringen, ist aber durch die politische Situation, besonders im Nahen Osten, auf nahe Zukunft kaum denkbar. Ebenfalls kurze Erwähnung findet die spätantike jüdische Kunst, die sicher Einfluss auf die christliche Kunst hatte und auch durch diese beeinflusst wurde. So ähneln sich frühe Synagogen und frühe Kirchen architektonisch. Wahrscheinlich gab es nicht nur Hauskirchen, sondern auch Haussynagogen (S. 237f.). Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich jüdische Mosaike (S. 238f.) genauso wie jüdische Katakomben (S. 240f.) erhalten haben. Erstaunlicherweise gab es im frühen Judentum ebenfalls biblische Wandmalereien, obwohl das Judentum allgemein als bilderfeindlich gesinnt gilt (S. 244).

In den Kapiteln zehn bis zwölf nennt Sörries wichtige Literatur (S. 249–260 u. 273–279) und Museen (S. 261–272), die für eine Beschäftigung mit der Christlichen Archäologie besonders relevant sind, sowie seines Erachtens wichtige Kunst- bzw. Bauwerke, welche er als „Schlüsselwerke“ (S. 279–300) bezeichnet. In einem kurzen Ausblick beschreibt er abschließend das „Nachleben der frühchristlichen und frühbyzantinischen Kunst“ (S. 301–309). Beschlossen wird das Werk mit einem Anhang, bestehend aus sechs Quellentexten, einem Bildnachweis und einem Register.

Sörries hat eine sehr informative und lesenswerte Einführung in die Christliche Archäologie verfasst, die sich durchaus auch an Wissenschaftler und Studenten der Nachbardisziplinen richtet. Da die meisten Einführungen in dieses Thema älteren Datums sind, kommt seinem Einführungswerk eine besondere Bedeutung zu.

Anmerkungen:
1 Übersicht in: <http://www.agca.de/institutionen3.html> (16.07.2013).
2 Eine ältere Darstellung von Friedrich Wilhelm Deichmann, Einführung in die christliche Archäologie, Darmstadt 1983, ist laut Sörries (S. 275) für Anfänger ungeeignet.
3 Hierbei handelt es sich um eine Kirche im Dorf Rihab, etwa 40 Km nördlich von Amman in Jordanien. Sörries (S. 46f.) weist aber zu Recht darauf hin, dass diese Kirche zuvor in das 3. Jahrhundert datiert wurde. Daher setzt er hinter die Kapitelüberschrift „Älteste Kirche der Welt?“ auch ein Fragezeichen. Gleiches gilt für den „Christlichen Andachtsraum in Herculaneum“, auch hier setzt Sörries ein Fragezeichen hinter die Überschrift des Kapitels (S. 49f.).
4 Sörries bezeichnet die Christen der damaligen Zeit als „unsichtbar“ (vgl. S. 41 u. S. 57, Anm. 1) und bezieht sich dabei auf Paul Corbey Finney, The Invisible God, Oxford 1994, S. 104–108.
5 Hierzu passt auch Lact. mort. pers. 12,2–5, der berichtet, dass Diocletian eine sehr große Kirche in Nikomedia abreißen ließ. Zur Kirchenpolitik und Kirchenbau Konstantins allgemein vgl. Martin Wallraff, Sonnenkönig der Spätantike. Die Religionspolitik Konstantins des Großen, Freiburg 2013, S. 113–134.

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