R. W. Burgess u.a.: Mosaics of Time

Cover
Titel
Mosaics of Time. The Latin Chronicle Traditions for Century AD, Bd. 1: A Historical Introduction to the Chronicle Genre from its Origins to the High Middle Ages


Autor(en)
Burgess, Richard W.; Kulikowski, Michael
Reihe
Studies in the Early Middle Ages 33
Erschienen
Turnhout 2013: Brepols Publishers
Anzahl Seiten
XIII, 444 S.
Preis
€ 100,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Mit der hier vorliegenden Monographie haben sich Richard W. Burgess, der zu den besten Kennern der spätantiken Chronistik gehört1, und Michael E. Kulikowski das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Entwicklung der Gattung der Chronistik von deren Anfängen bis zum Mittelalter darzustellen. Hierbei handelt es sich um den ersten Band einer Reihe zu den „Latin Chronicle Traditions from the First Century BC to the Sixth Century AD“ mit dem Titel: „Mosaics of Time“, die nach der vorliegenden Einführung Editionen, Übersetzungen und Kommentare der lateinischen Chroniken bis zum frühen Mittelalter bieten wird. Diese Einführung wird in sechs großen Kapiteln, deren unterteilende Einheiten leider im Inhaltsverzeichnis fehlen, realisiert.

Das erste Kapitel: „Nomenclature and genre“ (S. 1–62) arbeitet die terminologischen Grundlagen heraus, wobei nach den längeren Ausführungen auch kurzgefasste Definitionen (S. 59–62) geboten werden. Behandelt werden die Begriffe annales (diese seien nicht als „Jahrbücher“ oder synonym für „Chronik“ zu verstehen, sondern als allgemeine Bezeichnung der Antike von Geschichtswerken), chronica (historische Werke, die kurzgefasste Informationen bieten, annalistisch aufgebaut sind und eine umfangreiche Zeitspanne von mindestens einem Jahrhundert abdecken), consularia (Konsullisten mit historischen Bemerkungen), fasti (Kalender und Konsullisten ohne historische Kommentare), „Paschal chronicles“ (Chroniken, deren Grundlage eine Ostertafel ist), „Chronicle epitomes“ (kurze Chroniken, deren frühe Abschnitte auf eine gekürzte Fassung der Chronik des Hieronymus zurückgehen), Chronographen (Kompilationen aus Listen, insbesondere von Herrschern und Bischöfen, eventuell mit historischen Anmerkungen versehen), Breviarien (kurze Geschichtswerke, die eine umfangreiche Zeitspanne abdecken und im Gegensatz zu den Chroniken kaum an Chronologie interessiert sind, worunter auch die meisten sogenannten Chroniken der Byzantiner wie etwa Zonaras fallen) und Epitomai (Auszüge aus größeren Werken). Abgesehen von einigen echten consularia handelt es sich bei den meisten Chroniken allerdings um Mischformen (S. 57f.). Das zweite Kapitel: „Early chronicles in the mediterranean world“ (S. 63–98) bietet dann einen weitreichenden Überblick zur Frühgeschichte der Chronistik, der in Ägypten beginnt, von dort zu den sumerischen, assyrischen und babylonischen Chroniken übergeht, um zur griechischen und (bis Hieronymus allerdings überschaubaren) lateinischen Chronistik zu gelangen.

Das dritte Kapitel zu „Apologetic chronography and the chronographic works of Eusebius“ (S. 99–131) beginnt mit sehr ausführlichen Einleitungen zu griechischer, jüdischer und christlicher Apologetik im Allgemeinen, um eine Grundlage für das Verständnis des Hintergrundes der Chronik des Eusebios zu schaffen, dessen historische Forschungen eine Folge der Auseinandersetzung mit den antichristlichen Schriften des Porphyrios sind. Dem folgt ein kurzer Überblick zu Hieronymus und den sich an ihn anschließenden christlichen Chroniken in lateinischer Sprache. Im vierten Kapitel zu „The early development of calendars and Consularia“ (S. 133–172) werden die einzelnen Kalenderwerke der Republik und der frühen Kaiserzeit vorgestellt und die politische Bedeutung dieser Werke erörtert. In diesen Kontext wird auch Aufkommen und Entwicklung der fasti und consularia eingebettet. Als Gründe für die Entwicklung der consularia sehen Burgess und Kulikowski unter anderem die aristokratische Konkurrenz und die Möglichkeit für den Verfasser, sich selbst in Verbindung zu dem Kaiser (der häufig Konsul war) zu stellen und seine Loyalität zu demonstrieren.

Verhältnismäßig kurz, gemessen an Arbeits- und Interessensschwerpunkt beider Autoren, ist das fünfte Kapitel „Consularia and chronicles in the later Roman empire“ (S. 173–187); allerdings wird dieses Thema im Zentrum der folgenden Bände der Reihe stehen. Das Kapitel bietet einen Überblick zu den spätantiken consularia und betrachtet das Verschwinden der Gattung, das mit drei Gründen erklärt wird: Krise und Fall des Weströmischen Reiches veränderten die Bedingungen der Informationsübermittlung; hinzu kommen das Ende des Konsulates im Jahr 541 und die wachsende Popularität der Gattung der Chroniken. Das sechste und letzte Kapitel: „Chronicles in the Middle Ages“ (S. 189–268) liefert eine geraffte und lokal untergliederte Übersicht zur Entwicklung der Chronistik im Mittelalter. Behandelt werden Isidor von Sevilla und seine Nachfolger in Spanien, Beda und die spätere Chronistik in England, Irland, Byzanz sowie im Frankenreich und im nachkarolingischen Europa bis hin zu Sigebert von Gembloux, der den Schlusspunkt bildet.

Nach der „Conclusion“ (S. 269–274) folgen acht Appendices (S. 275–355): die Anhänge Nummer 1–2 bieten detailliertere Diskussionen zu terminologischen Fragen (zum Ursprung des Begriffes Chronik und zum Begriff annales), Nummer 3–5 liefern übersetzte Stücke aus babylonischen, griechischen und römischen Chroniken, Nummer 6 ist dem kürzlich publizierten Leipzig-Chronographen gewidmet, Nummer 7 diskutiert die Quellen der Chronik des Eusebios und Nummer 8 behandelt das Gründungsdatum Roms bei Livius. Es folgen Anmerkungen, die aufgrund ihrer Länge an das Ende des Bandes gesetzt werden mussten (S. 357–382), die Liste der Editionen (S. 383–387), die Bibliographie (S. 389–415) und ein umfangreiches Register (S. 417–444).

Burgess und Kulikowski haben ein Werk vorgelegt, das eine umfangreiche Materialmenge zu einer breitgefassten Thematik verarbeitet. Die Autoren verstehen es, sich im Dienste eines guten Überblicks kurz zu fassen, ohne in übertriebenem Maße zu verknappen – eine echte Chronik sozusagen. Sehr erfreulich ist auch, dass nicht versucht wird, mit neuen Methoden und Theorien künstlich den Wert der Chroniken zu steigern, beide Autoren stellen vielmehr die elementaren Grundlagen, insbesondere die Terminologie und die Zusammenstellung des Materials, in den Mittelpunkt. Das umfangreiche Literaturverzeichnis arbeitet die Forschung sorgfältig auf und hinterlässt keine wesentlichen Lücken.2 Es ist zu hoffen, dass der zweite Band, der sich hauptsächlich der spätantiken Chronistik widmen und auf den im ersten Band regelmäßig verwiesen wird, diese Qualität beibehalten kann und nicht zu lange auf sich warten lässt.

Anmerkungen:
1 Siehe zu seinem Werk jetzt den Überblick von Raphael Brendel, in: Plekos 15 (2013), S. 23–32 (<http://www.plekos.uni-muenchen.de/2013/r-burgess.pdf>, 29.08.2013).
2 Aus antiquarischem Interesse sei noch auf Barthold Georg Niebuhr, Ueber den Unterschied zwischen Annalen und Historie, in: Rheinisches Museum 2 (1828), S. 284–294 hingewiesen. An neueren Forschungen dürfte für die späteren Bände relevant sein: Roger Scott, Byzantine Chronicles and the sixth century, Farnham 2012 (insbesondere Aufsatz I: „Byzantine chronicles“); Lorenzo Sguaitamatti, Der spätantike Konsulat, Fribourg 2012; Esteban Moreno Resano, La cristianización de calendaria official romano y la politica religiosa de Graciano, Valentiniano II y Teodosio I, in: Rosa García-Gasco u.a. (Hrsg.), The Theodosian Age, Oxford 2013, S. 153–160.

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