G. Bischof: Relationships / Beziehungsgeschichten

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Titel
Relationships / Beziehungsgeschichten. Austria and the United States in the Twentieth Century


Autor(en)
Bischof, Günter
Reihe
Transatlantica 4
Erschienen
Innsbruck 2014: StudienVerlag
Anzahl Seiten
273 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Stachel, Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Österreichische Akademie der Wissenschaften

In einer TV-Dokumentation über den aus dem österreichischen St. Veit an der Glan stammenden Starkoch Wolfgang Puck, der seit vielen Jahren die Bewirtung der Gäste der Oscar-Verleihung managt, brachte ein Hollywood-Starlet unbeabsichtigt ein zentrales Problem auf den Punkt: „You know, he is from Australia.“ Dass in den USA „Austria“ häufig mit „Australia“ verwechselt wird, dies lernen österreichische Schüler bereits im Englisch-Unterricht – und es ist keineswegs der altbackene Witz, für den man es halten mag. „Austria“ ist in den USA eine „quantité négligeable“, eines jener europäischen Länder, die man – eventuell im Gegensatz zu seinen Teilen „Vienna“ und „Salzburg“ – nicht kennt. Andererseits: Wer in Europa kennt schon die einzelnen amerikanischen Bundesstaaten und ihre Geschichte, die durchaus nicht so einheitlich ist?

„I always knew, America was the place for me. In school, when the teacher would talk about America, I would daydream about coming to here. I would daydream about living here. I would sit there and watch for hours American movies, transfixed by my heroes like John Wayne. Everything about America seemed so big to me, so open, so possible.“ (S. 231) Mit diesen Worten – „a blend of facts and fiction“, wie der ebenso knappe wie treffende Kommentar dazu lautet (ebd.) – trat der derzeit wahrscheinlich prominenteste österreichische Einwanderer in den USA, Arnold Schwarzenegger, als amtierender Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien im Sommer 2004 vor den Parteitag (National Convention) der Republikaner. Schwarzenegger als dem „quintessential American immigrant“ ist ein eigener Beitrag des Bandes – der letzte – gewidmet (S. 231–252).

Ein wenig Amerika ist heute überall. Nicht allein, dass die Vereinigten Staaten die Weltpolitik maßgeblich mitprägen: Der US-amerikanische Lebensstil und vor allem die Unterhaltungsindustrie strahlen global aus und beeinflussen, wie Schwarzeneggers Ausführungen exemplarisch zeigen, die Vorstellungswelt von Menschen auf der ganzen Welt. Den Beziehungen zwischen den USA und Österreich – sowohl den politischen wie auch den kulturellen – ist ein Buch mit insgesamt zehn Aufsätzen in englischer Sprache gewidmet, die Günter Bischof zwischen 1998 und 2013 erstmals veröffentlicht und nun in einem Band zusammengefasst hat. Bischof ist wie kaum ein anderer Autor für diese Thematik prädestiniert: 1953 in Österreich geboren, begann er sein Studium in Innsbruck, machte seinen Abschluss an der Harvard University und ist seit vielen Jahren Marshall-Plan-Professor und Direktor des Center Austria an der University of New Orleans. Er kennt daher sowohl die österreichische als auch die US-amerikanische Gesellschaft aus der Innenperspektive; diese intime Kenntnis beider Länder und Kulturen macht eine der großen Stärken seiner Texte aus. Angeordnet sind diese in drei übergeordneten Schwerpunkten: „I. Longue Durée, Anschluss and World War II“, „II. Cold War“, „III. Post-Cold War“. Bischof hat die Texte nicht aktualisiert oder verändert, hat aber jedem Beitrag einen erläuternden Absatz vorangestellt, in dem er auf die Situation der Erstveröffentlichung eingeht.

Der erste Schwerpunkt besteht aus drei Texten: einer Analyse der „Amerikanisierung“ der österreichischen Gesellschaft und Kultur sowie verschiedener Gegenreaktionen darauf, die Bischof unter „Austrian Anti-Americanism“ subsumiert; einem Text über jüdische Österreicher, die nach dem „Anschluss“ vom März 1938 in die USA emigrierten; und einem Beitrag über österreichische Soldaten der deutschen Wehrmacht, die als Kriegsgefangene in die USA verbracht wurden. Von besonderem allgemeinen Interesse ist dabei der erste Aufsatz, in dem Bischof darlegt, dass die österreichischen Eliten nach 1945 von einer betonten Distanz zu der von ihnen als „minderwertig“ betrachteten US-amerikanischen Kultur geprägt gewesen seien – eine Mentalität, die erst in den nächstfolgenden Generationen, hauptsächlich durch den zunehmenden Einfluss der US-amerikanischen Populärkultur, überwunden worden sei. Unterstützt worden sei die Haltung der älteren Generation auch durch die Neutralitätspolitik nach 1955, die teilweise als Gebot einer „Äquidistanz“ zu beiden Supermächten der bi-polaren Welt verstanden worden sei. Im zweiten Beitrag beschäftigt sich Bischof mit der Flucht österreichischer Intellektueller jüdischer Abstammung nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland. Er schildert dabei auch die Reaktionen der US-amerikanischen Politik und Öffentlichkeit auf die dem Systemwechsel folgenden Ausschreitungen gegen Juden. Allerdings, so Bischof, gebe es in den USA heute kein spezifisches Bewusstsein für diese Ereignisse mehr; die Erinnerung an jene Zeit sei vielmehr geprägt durch die militärischen Erfolge der USA einerseits und den Holocaust andererseits (S. 81). Ausführlich widmet sich der Verfasser auch den Folgen des intellektuellen Aderlasses für die österreichische Nachkriegsgesellschaft und zitiert dabei Zeitzeugen wie den 1938 geflüchteten Soziologen Paul Lazarsfeld, der bei einem Besuch im Nachkriegsösterreich konstatierte: „Someone should make a study to find out how a country can be intellectually so dead and at the same time have such wonderful musical festivals.“ (S. 80)

Der zweite thematische Schwerpunkt widmet sich den österreichisch-amerikanischen Beziehungen im ersten Jahrzehnt des Kalten Krieges. Auch dieser Teil besteht aus drei Aufsätzen und ist der homogenste der drei Themenblöcke. Im ersten Text geht es um den Einfluss der Marshall-Plan-Hilfe für die ökonomische und politische Entwicklung Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg; der zweite Beitrag – der älteste des Bandes (1998) – skizziert die Sicht der US-amerikanischen Öffentlichkeit auf Österreich in den ersten Jahren nach 1945; und der dritte Aufsatz erklärt die Bedeutung des Österreichischen Staatsvertrages: „The Austrian State Treaty of 1955 is to Austrians of the post-World War II Second Republic what the American Declaration of Independence of 1776 is to Americans. Is is something of a sacred foundational document.“ (S. 153) Diese den Text einleitenden Sätze machen klar, dass der Beitrag sich in erster Linie an amerikanische Leser richtet. Für die US-Öffentlichkeit sei der Vertrag zu seiner Zeit zwar eine wichtige Wegmarke der Entspannung im Kalten Krieg gewesen (S. 164), aber seine überragende Bedeutung für Österreich ist in der amerikanischen Öffentlichkeit heute naturgemäß nicht mehr präsent.

Im Vergleich mit dem zweiten Themenblock fällt der dritte deutlich heterogener aus, wobei allerdings die ersten zwei der insgesamt vier Beiträge thematisch unmittelbar aufeinander bezogen sind: In beiden geht es um die heftigen amerikanischen Reaktionen auf die Bildung der österreichischen Regierung aus konservativer ÖVP und „rechter“ FPÖ (Jörg Haider) im Jahr 2000. Während einer der Texte unter dem direkten Eindruck der Ereignisse entstanden ist, noch im Jahr 2000 veröffentlicht wurde und sich dementsprechend hauptsächlich mit der damals aktuellen Situation beschäftigt, wird im anderen Beitrag (im Buch als erster der Sektion abgedruckt) aus der Distanz von mehr als einem Jahrzehnt die Entwicklung des Images Österreichs in den USA „from the superpower’s darling [and] Cold-War mediator to bad boy of Europe“ (S. 167) nachgezeichnet. Bischof führt seine Analyse bis in die Gegenwart der Erstveröffentlichung des Beitrags (2013) weiter; er konstatiert eine zunehmende Kluft zwischen US-amerikanischen und europäischen politischen Positionen – was freilich über das Thema der spezifisch österreichisch-amerikanischen Beziehungen hinausgeht. Verhältnismäßig am weitesten von dieser Frage entfernt ist dann der darauf folgende Beitrag, der sich mit inner-amerikanischen Diskussionen über die Vorstellung eines US-Empires beschäftigt. Einen thematischen Bezug zu Österreich gibt es nicht, aber der Aufsatz bildet gewissermaßen das Gegenstück zum Text über den Staatsvertrag: Hier erfährt (auch) ein österreichisches Lesepublikum viel über amerikanische Befindlichkeiten. Den Abschluss des Bandes bildet schließlich der erwähnte Artikel über Arnold Schwarzenegger.

Bei einem Buch wie dem vorliegenden, das die im Verlauf von eineinhalb Jahrzehnten publizierten Texte eines Autors bündelt, sind gewisse Heterogenitäten unvermeidlich. Dies wird aber mehr als aufgewogen durch die intimen Kenntnisse, die Günter Bischof über beide Gesellschaften hat. Insofern behandeln die Beiträge das österreichisch-amerikanische Verhältnis weder aus privilegiert österreichischer noch aus amerikanischer, sondern tatsächlich aus transnationaler Sicht. Und dies macht, neben der umfassenden Quellenkenntnis des Autors, eine der großen Qualitäten des sehr lesens- und empfehlenswerten Sammelbandes aus.

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