L.E. Jones (Hrsg.): German Right in the Weimar Republic

Cover
Titel
The German Right in the Weimar Republic. Studies in the History of German Conservatism, Nationalism, and Antisemitism


Herausgeber
Jones, Larry Eugen
Erschienen
New York 2014: Berghahn Books
Anzahl Seiten
VI, 332 S.
Preis
€ 79,28
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Johannes Leicht, Berlin

Zur politischen Rechten zählten sich in der Weimarer Republik politische Parteien, wirtschaftliche Interessenverbände, patriotische Vereinigungen, paramilitärische Kampfbünde, völkisch-antisemitische Vereine, jungkonservative Salons sowie zahlreiche andere Zusammenschlüsse und Bewegungen. Was sie einte, waren weniger die gemeinsamen Ziele oder eine gemeinsame Weltanschauung. Vielmehr verband sie die Verbitterung über den verlorenen Krieg, die fundamentale Ablehnung der parlamentarischen Demokratie sowie die Sehnsucht nach einer autoritären politischen Ordnung. Wie diese aber konkret ausgestaltet werden sollte, blieb unklar. Das rechte Lager zeigte sich tief gespalten, was neben der Spaltung der sozialistischen Linke und der Fragmentierung der politischen Mitte eine maßgebliche Voraussetzung für die Errichtung und Etablierung des NS-Regimes war.

Dieses vornehmlich in der US-amerikanischen Geschichtswissenschaft verbreitete Hauptnarrativ soll der von Larry Eugene Jones herausgegebene Aufsatzband mit konkreten aktuellen Forschungsergebnissen unterfüttern und um neue Nuancen sowie Differenzierungen ergänzen. Die zehn Aufsätze nähern sich der Thematik entweder mit biographischem oder organisationsgeschichtlichem Fokus, wobei der Alldeutsche Verband mit drei Beiträgen einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet.

Nachdem Jones einleitend in einem gleichermaßen exzellenten und prägnanten Überblick die Hauptlinien der jüngeren Forschung pointiert zusammenfasst, untersucht Wolfram Pyta die wenig harmonische Beziehung zwischen Reichspräsident Paul von Hindenburg und den Rechtsverbänden und -parteien. Pyta geht der Frage nach, wo Hindenburg innerhalb der zersplitterten Rechten eigentlich zu verorten sei. Als Reichspräsident betrachtete er sich allein der Weimarer Verfassung gemäß seiner Auslegung verpflichtet. Erst mit den zunehmend instabilen Regierungsverhältnissen Ende der 1920er-Jahre favorisierte er eine rechtskonservative Regierung, bedauerte aber die mangelnde Fähigkeit der Rechtsparteien, sich auf gemeinsame Positionen zu verständigen. Hindenburgs Überzeugung, dass sein Charisma Grundlage seiner politischen Legitimation sei, machte ihn zugleich anfällig für Hitlers Ausstrahlung. Er glaubte, die tiefe Abneigung gegenüber dem „böhmischen Gefreiten“ überwinden zu können, indem er ihn Ende Januar 1933 zum Reichskanzler eines „Kabinetts der nationalen Konzentration“ ernannte.

Ähnlich wie Hindenburg fühlte sich auch der wohl wichtigste konservative Politiker der Weimarer Republik, Kuno von Westarp, der preußischen Tradition verpflichtet. Daniela Gasteiger zeichnet in ihrem quellengesättigten Aufsatz die Entwicklung Westarps von einem konservativen Hardliner des ausgehenden Kaiserreichs zu einem gouvernementalen Realpolitiker der Weimarer Republik nach. An dessen Beziehungen zum völkischen Politiker Albrecht von Graefe sowie zum Hauptverein der Deutschkonservativen stellt sie exemplarisch dar, wie und warum Westarp als Vorsitzender der DNVP-Reichstagsfraktion (1925–1929) und als DNVP-Parteivorsitzender (1926–1928) daran scheiterte, die verschiedenen und in sich zerstrittenen konservativ-rechtsnationalen bis völkisch-antisemitischen Strömungen in der DNVP zusammenzufassen.

Dass antisemitische Positionen innerhalb der DNVP in den 1920er-Jahren weder konstant noch konsistent vertreten wurden, thematisiert Larry Eugen Jones in seinem Beitrag. Der völkisch-antisemitische Parteiflügel organisierte sich 1922 im Völkischen Reichsausschuss der DNVP, die Anfang der 1920er-Jahre ein großes Interesse daran hatte, dieses Wählerpotential nicht allein der noch radikaleren Deutschvölkischen Freiheitspartei zu überlassen. Diese Strategie kulminierte im Reichstagswahlkampf vom Mai 1924, als die DNVP antisemitische Polemiken erfolgreich zur Massenmobilisierung einsetze. Als zweitstärkste Fraktion im neu gewählten Parlament versuchte die DNVP in den folgenden Jahren, ihre rechtskonservativen Positionen auch in Regierungsverantwortung zur Geltung zu bringen. Um ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, drängte die Parteiführung um Westarp den völkisch-antisemitischen Flügel in den Hintergrund. Mit dieser Zurückweisung überließ die DNVP als einzige nennenswerte konservative Rechtspartei das Feld letztendlich der radikaleren NSDAP.

Aber auch außerparlamentarischen Rechtsorganisationen wie dem Alldeutschen Verband gelang es in den 1920er-Jahren nicht, die in sich zerstrittene Rechtsbewegung zusammen zu fassen, wie die drei nachfolgenden Beiträge herausarbeiten. Rainer Hering analysiert die Rolle von Akademikern bei der Konstruktion und Verbreitung der alldeutschen Vorstellung einer idealen Gemeinschaft des deutschen Volkes in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Während er einen „enormen Einfluss“ (S. 125) des Verbandes im kulturellen und politischen Leben der Weimarer Republik konstatiert, benennt Björn Hofmeister in seinem Aufsatz klar die Grenzen der Reichweite alldeutscher Agitation in den 1920er-Jahren. Den Alldeutschen gelang es nicht, innerhalb der Rechtsbewegung ihrem uneingeschränkten Führungsanspruch Geltung zu verschaffen. Die Ursache erblickt Hofmeister in verschiedenen Faktoren, nicht zuletzt in der mangelnden Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen einer auf Massenmobilisierung ausgerichteten demokratischen Republik, in der Konkurrenz mit noch radikaleren oder militanteren Organisationen sowie in der fehlenden Attraktivität vor allem bei jüngeren Generationen. Wesentlich mehr Anziehungskraft als die Alldeutschen konnte die NSDAP entwickeln. Barry A. Jackisch untersucht die Kontinuitäten und Brüche im deutschen Rechtsnationalismus am Beispiel der Beziehung zwischen Alldeutschem Verband und nationalsozialistischer Bewegung in den 1920er-Jahren. Er betont die anfänglichen ideologischen Gemeinsamkeiten, benennt aber auch die zunehmende politische Entfremdung zwischen beiden in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Die permanenten Konflikte innerhalb der Rechten konnte Adolf Hitler nutzen, um seine Partei und sich selbst als wichtigsten Vertreter der nationalen Opposition zu positionieren.

Während bei den Nationalsozialisten der Antisemitismus einen maßgeblichen Bestandteil des politischen Programms bildete, griffen andere Verbände im rechten Lager eher situativ auf antisemitische Deutungsmuster zurück. Am Beispiel des Stahlhelm zeigt Brian Crim in seinem Beitrag detailliert, wie der antisemitische Flügel im Laufe der 1920er-Jahre an Einfluss gewinnen konnte, während sich der Jungdeutsche Orden Anfang der 1920er-Jahre als radikale antisemitische Organisation präsentierte, sich aber zunehmend im Kampf um die politische Mitte mäßigte. In beiden Fällen war der Antisemitismus also eine Antwort auf spezifische interne oder externe Umstände und erschien eher politisch opportun, als dass er aus ideologischer Überzeugung programmatisch initiativ verfolgt wurde. Auch aufgrund dessen gelang es ihnen nicht, ihre Kapazitäten zu bündeln und einheitliche Positionen in Grundsatzfragen zu entwickeln.

Ein stärker völkisch-rassistisch geprägter Antisemitismus war hingegen konstanter Bestandteil in der Weltsicht der extremen katholischen Rechten, die sich vor allem im Reichskatholikenausschuss der DNVP sammelten. Diese relativ kleine und für den Katholizismus in Deutschland nicht wirklich repräsentative Gruppe fühlte sich politisch mehr den protestantisch geprägten Deutschnationalen als der katholischen Zentrumspartei zugehörig. Unter anderem am Beispiel des wenig bekannten, aber im katholischen Rechtsmilieu viel gelesenen Breslauer Theologieprofessors Kurz Ziesche zeigt Ulrike Ehret diese ideologische Verbundenheit mit den Völkischen anschaulich. Dessen 1926 erschienenes Manifest „Das Königtum Christi in Europa“ proklamiert einen ewig existierenden antagonistischen Gegensatz zwischen „wahrem Judentum“ und „wahrem Christentum“, der nur durch die „Vernichtung“ eines der beiden aufgelöst werden könne (S. 228).

Edward Snyder analysiert den Beitrag des renommierten protestantischen Theologen Friedrich von Bodelschwingh zur Enttabuisierung etwa von Zwangssterilisationen als ein Mittel, um das nach Krieg und Revolution vermeintlich darniederliegende deutsche Volk wieder erstarken zu lassen. Für den langjährigen Direktor der Bethelschen Anstalten waren die dramatischen Versorgungsmängel während des Ersten Weltkrieges sowie die stark zunehmenden Kosten der staatlichen Wohlfahrtspflege in der Weimarer Republik Anlass genug, eugenische Maßnahmen zur „Gesundung des Volkskörpers“ in den Blick zu nehmen. Damit half er, die Akzeptanz für derart ideologisch motivierte und für die Betroffenen schwerwiegende Eingriffe zu verbreiten.

Deutlich schwieriger stellt sich eine Positionsbestimmung des renommierten Staatsrechtlers Carl Schmitt und seiner Schriften innerhalb der rechtsnationalen Bewegung dar. Joseph Bendersky zählt den Juristen zweifelsfrei zum katholisch-konservativen Lager, obwohl jener eine öffentliche Hinwendung zu einer bestimmten rechtsnationale Gruppe sorgsam vermied. Schmitts fundamentale Kritik am parlamentarischen Parteienstaat schien zwar identisch mit einer grundsätzlichen Ablehnung der von vielen verhassten Weimarer Republik, allerdings ging der Staatsrechtler nie so weit, die in Art. 48 der Weimarer Verfassung dem Reichspräsidenten zugebilligten weitreichenden Machbefugnisse als Einfallstor einer wie auch immer gearteten Diktatur oder einer Umwandlung der Demokratie in eine Monarchie zu verstehen. Vor allem seine lange unveröffentlichten Tagebücher offenbaren, dass Schmitt Anfang der 1930er-Jahre versuchte, die Weimarer Republik in ihrer schwierigsten Phase zu stabilisieren. Dass Hindenburg dennoch Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannte, lag auch an der Unfähigkeit der konservativen Rechten, sich auf mehrheitsfähige politische Positionen und Ziele zu verständigen.

Die verschiedenen Detailstudien unterstreichen fundiert, dass der steile Aufstieg der NSDAP Anfang der 1930er-Jahre nicht ohne das Unvermögen der rivalisierenden rechtsnationalen Gruppierungen und konservativen Parteien zu erklären ist. Durchweg hervorragend lesbare Aufsätze bereichern die aktuelle Debatte um zahlreiche neue Facetten und Fragestellungen. Im Gegensatz zu anderen Sammelbänden basieren die Beiträge allesamt auf umfangreichem Quellenmaterial, was das Kompendium sowohl für geschichtlich Interessierte als auch für Fachhistoriker zu einem informativen und interessanten Buch werden lässt. Dass indes der renommierte Zeithistoriker Ludolf Herbst fälschlicherweise sowohl Rudolf (S. 11) als auch Lothar (S. 23 und 302) genannt wird, ist wenig respektvoll, schmälert aber den inhaltlichen Ertrag kaum.