P. F. Mittag: Griechische Numismatik

Cover
Titel
Griechische Numismatik. Eine Einführung


Autor(en)
Mittag, Peter Franz
Reihe
Alte Geschichte Forschung
Erschienen
Heidelberg 2016: Verlag Antike
Anzahl Seiten
271 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claudine Walther, Münzgalerie München

Die Münzen der griechischen poleis, ihre Ikonographie, ihre so unterschiedlichen Münzfüße und deren Verhältnis zueinander – einen Überblick darüber, ohne langwierig zu suchen, das wünscht sich nicht nur so mancher Student der Altertumswissenschaften, der eine Veranstaltung mit einer Einführung in die Numismatik besucht. Mit „Griechische Numismatik. Eine Einführung“ schließt Peter Franz Mittag diese Lücke in der „Hilfswissenschaft“ Numismatik, längst ein eigenes wissenschaftliches Fach. Denn einführende Literatur insbesondere zur griechischen Numismatik ist rar und dann meist nicht aktuell.1 Mittags Einführung richtet sich – als Teil der Reihe „Alte Geschichte Forschung“ – ausdrücklich nicht nur an Studierende, sondern auch an Lehrende und schlicht Interessierte. Dabei sollen neben den Fakten auch aktuelle Fragestellungen und Streitpunkte, die gegenwärtige Forschungslage und ihre Methoden dargestellt werden. Mittag setzt sich dementsprechend zuallererst das Ziel, einen „ersten Zugang zu den Hunderten von griechischen Prägestätten und abertausenden Münzen zu ermöglichen“ (S. 9). Zur Eingrenzung des sehr weitläufigen Begriffes der „griechischen Numismatik“ möchte Mittag die griechischen Münzen der römischen Kaiserzeit, also die sogenannten provinzialrömischen Münzen (ehemals „Greek Imperials“), ausschließen. Gleichzeitig erweitert er das zu behandelnde Gebiet jedoch, indem er andere, griechisch beeinflusste, Münzen wie jene der Achämeniden oder der Parther hinzuzieht.

Dem Charakter einer Einführung gemäß bietet das Buch gleich am Anfang einen Überblick über das griechische Alphabet sowie die Sonder- und Zahlzeichen, die zum näheren Verständnis griechischer Münzen unabdingbar sind. Ferner führt Mittag die wichtigsten Münzsysteme (wie Stater, Tetradrachme, Litra und Schekel) und Gewichtsstandards (aiginetisch, euböisch-attisch, korinthisch, lydo-milesisch, persisch, phokäisch/chiisch, rhodisch und samisch-euböisch) tabellarisch auf und bietet mit einer Karte des griechischen Raumes eine Übersicht zu den wichtigsten behandelten Prägeorte (S. 11–14).

Das einleitende Kapitel des Bandes (S. 15–38) liefert einen Blick auf grundlegende Begriffe der Numismatik und ihr beschreibendes Einteilungssystem oder andere Klassifizierungspunkte ebenso wie auf Prägetechnik, Stempelstudien und die Bedeutung von Gegenstempeln, Überprägungen oder Hortfunden für Chronologie und Geschichte. Der Abschnitt über die Forschungsgeschichte lässt erkennen, dass das Sammeln von Münzen schon seit Jahrhunderten, ja sogar schon seit der Antike bedeutsam war und somit näherer wissenschaftlicher Forschung und Klassifizierung bedurfte. Desweiteren werden bekannte Sammlungen und Kataloge vorgestellt, während Einzeluntersuchungen der Münzen nach Region, Herrscher oder polis im Folgenden in den Anmerkungen notiert sind.

Auf den folgenden Seiten wird die Entstehung der Münze sowie vormonetäre Geldformen skizziert. Mit dem Prägen des Metalls garantierte der Prägeherr für Gewicht und Nominalwert, konnte aber für die Ausprägung mit einem etwas höheren Nominalwert als dem Metallwert Gewinne erzielen, die etwa für militärische Ausgaben verwendet werden konnten (S. 47f.). Die Münzgeschichte Griechenlands unterteilt Mittag ganz klassisch in die drei altbewährten Epochen der Archaik (ca. 800–ca. 480 v.Chr.), der Klassik (ca. 480–336 v.Chr.) und des Hellenismus (336–30 v.Chr.). Innerhalb dieser Perioden untersucht er nach chronologischen und geographischen Gesichtspunkten die Prägungen der einzelnen Regionen in Griechenland und Kleinasien über die Schwarzmeerregion bis nach Unteritalien und Spanien.2

Die einzelnen Kapitel sind reich bebildert und zeigen dadurch dem Leser anschaulich die besprochenen Münzbilder mit den wichtigsten Informationen wie Nominal, Gewicht und Katalogzitat. Durch das vergleichende und ergänzende Hinzuziehen auch anderer Quellengattungen wie das antike Schrifttum, Inschriften oder Papyri (z.B. S. 40, 48, 150, 209 u. 223) gestaltet Mittag die Kapitel auch für den Erstkontakt mit der Numismatik leicht und angenehm. Dabei zeigt er auch den Verlauf von Geldströmen zwischen den Städten auf, so etwa während des 5. Syrischen Krieges (vgl. S. 179). Auf diese Weise kann Mittag die Bedeutung der Numismatik zur Datierung wichtiger historischer Ereignisse herausstellen (etwa mittels Überprägungen, S. 89). Insbesondere im umfassenden Kapitel über die Archaik führt Mittag durch die vielfältigen Elektronprägungen, erklärt sodann die unterschiedliche Bedeutung von Gold- und Silbermünzen als Einheiten unterschiedlicher Wirtschaftsräume (S. 58, 68; für den Hellenismus S. 199) und zeigt die Entwicklung der ersten Bronzeprägungen in Folge des Edelmetallmangels nach dem Peloponnesischen Krieg auf (S. 114).

Sehr umfassend werden Begriffe und Gewichtssysteme erklärt; Aktualisierungen des jeweiligen Münzfußes im Laufe der Jahrhunderte werden mit (teilweise von der Forschung vermuteten) historischen Hintergründen in Zusammenhang gestellt. Mittag stellt die Verbindung der unterschiedlichen Gewichtssysteme durch die Einheiten von Mine und Talent (S. 72f.) tabellarisch dar und setzt die verschiedenen Nominale oder Metalle in Relation zu einander (S. 84, 171, 172 u. 173). Die Annäherung oder vielmehr Übertragbarkeit der einzelnen Münzstandards zueinander glich wohl dem Versuch einer Etablierung eines einheitlichen monetären Raumes, so etwa von Seiten Athens (vgl. S. 114). Auch andere Entwicklungsverläufe werden leserfreundlich in Tabellenform dargestellt: so finden sich etwa Überblicke über die verschiedenen Vorderseitentypen der achämenidischen Münzen (S. 57) oder die Buchstaben auf korinthischen Münzen, mit denen sich diese den verschiedenen Prägestätten, zumeist Kolonien Korinths, zuweisen lassen (S. 67).

Am Ende seiner Untersuchung geht Mittag auf wichtige weiterführende Fragestellungen der Numismatik (z.B. Prägerechte, S. 218) ein und bietet einen Überblick über die Prägeherren und Prägeanlässe sowie über Botschaften der Münzbilder und den Münzumlauf (S. 218–223). Vervollständigt wird das hervorragend aufgemachte und inhaltlich konzise Werk durch ein Abbildungsverzeichnis (334 Abbildungen), ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 234–258) sowie diverse Indizes zu den Prägeorten, Prägeherren, Münzdarstellungen und sonstigen Begriffen.

Inhaltlich bietet diese Einführung also alles Wünschenswerte; besonders hervorzuheben sind jedoch die umfangreichen und von den meisten Studenten der Numismatik lange ersehnten Tabellen zu den unterschiedlichen griechischen Gewichtsstandards, die der Band nicht nur am Anfang (S. 12f.) bietet, sondern auch während der Vorstellung der einzelnen Prägeorte nochmals genauer und im Zusammenhang und Vergleich zueinander diskutiert. Allerdings wären neben einer Übersichtskarte mit Griechenland, der Schwarzmeerregion, Kleinasien und Unteritalien (S. 14) noch weitere Karten des spanischen und franco-gallischen Raumes, Persiens und Nordafrikas mit Karthago wünschenswert gewesen, da einige Münzprägungen dieser Gebiete ebenfalls behandelt werden. Ebenso hätte eine Tabelle der Gewichtsreduzierungen im Vergleich zu den vorherigen Standards die historische Prozesshaftigkeit aufweisen können und Mittags Tabelle der unterschiedlichen Münzfüße damit gut ergänzt.

Anmerkungen:
1 Die Klassiker sind: Maria Radnoti-Alföldi, Antike Numismatik, Mainz 1978; Robert Göbl, Antike Numismatik, Wien 1978; Karl Christ, Antike Numismatik. Einführung und Bibliographie, Darmstadt 1991; Christopher Howgego, Geld in der antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten, Darmstadt 2011. Zur Forschungslage siehe auch Mittag, S. 9.
2 Ausnahme bildet hierbei das klassische Sizilien, in dem die historischen Ent- und Verwicklungen ein Springen zwischen den poleis sinnvoll mache, so Mittag (S. 139).

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