S. Schwartz: The Ancient Jews from Alexander to Muhammad

Cover
Titel
The Ancient Jews from Alexander to Muhammad.


Autor(en)
Schwartz, Seth
Reihe
Key Themes in Ancient History
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 190 S.
Preis
£ 17,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Bei dem hier zu besprechenden Buch von Seth Schwartz, Lucius N. Littauer Professor of Classical Jewish Civilization an der New Yorker Columbia University, handelt es sich um eine schmale Einführung in die Geschichte der Juden in der Antike aus der Reihe „Key Themes in Ancient History“, die hauptsächlich der Ereignisgeschichte gewidmet ist und sich vor allem an Studierende richtet.

Der Überblick ist in sechs chronologisch angeordnete Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel (S. 19–38) erweist den Titel des Buches als irreführend, da Schwartz nicht mit Alexander dem Großen, sondern mit der Vorgeschichte im 7. und 6. vorchristlichen Jahrhundert einsetzt. Hauptthema des Kapitels ist allerdings der Zeitraum von Alexander bis zum Makkabäeraufstand. Mit dem Makkabäeraufstand und den Ereignissen bis zur Herrschaft des Augustus befasst sich das zweite Kapitel (S. 39–58). Das dritte Kapitel (S. 59–74) widmet sich Herodes, seinen Nachfolgern und den römischen Statthaltern bis zum Ausbruch des Jüdischen Aufstandes. Im vierten Kapitel (S. 75–97) werden die drei großen jüdischen Revolten gegen Rom im 1. und 2. Jahrhundert behandelt: der große Aufstand unter Nero und Vespasian, der die Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n.Chr. zur Folge hatte, der nur schwer fassbare Diasporaaufstand unter Trajan und der Aufstand des Bar/Ben Kosibah (siehe zur Namensform S. 95) unter Hadrian.

Das fünfte Kapitel „Jews in the High Roman Empire“ (S. 98–123) weicht von dem bislang eingehaltenen chronologischen Schema ab. Während in den vorherigen Kapiteln hauptsächlich der ereignisgeschichtliche Ablauf den Rahmen vorgab, fällt diese Möglichkeit mit dem weitgehenden Fehlen solcher Ereignisse für den Zeitraum zwischen 135 und 324 nun weg. Schwartz füllt diese Lücke mit einer ausführlicheren Behandlung vor allem der Rabbinen und weiterhin des jüdischen Patriarchen. Diese Vorgehensweise wird auch im sechsten Kapitel zur Spätantike (S. 124–151) fortgesetzt. Die Ereignisgeschichte wird wiederholt beiläufig erwähnt. Ausführlicher diskutiert werden hingegen die Judenpolitik der spätantiken Kaiser (als deren Hauptproblem Schwartz die Anwendung von nicht zutreffenden primär religiösen Kategorien auf das antike Judentum, das etwa keinen Klerus besitzt, ansieht), die architektonischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kirchen und Synagogen in der Spätantike und die jüdische Literatur. Als wichtige Ereignisse in der Geschichte des spätantiken Judentums streicht Schwartz den Judenaufstand unter Gallus, Julians Jerusalemer Tempelbauprojekt, die Geschehnisse auf Menorca unter dem Bischof Severus (von dem ein detaillierter Bericht stammt), die persische Invasion in Palaestina im Jahre 614 und die Rückeroberung durch Herakleios im Jahre 629 heraus. Die islamische Eroberung wird hingegen nur noch kurz am Schluss gestreift.

Diese Einführung hinterlässt insgesamt einen etwas zwiespältigen Eindruck: Zum einen erweist sich Schwartz als auch im Detail kenntnisreich und überaus belesen, andererseits wiederum treten damit nur schwer vereinbare Fehlstellen auf. Dies betrifft zum einen die verwendete Literatur. So enthält die reichhaltige Bibliographie (S. 163–182) zahlreiche nützliche Literaturhinweise, die zumeist zum neuesten relevanten Beitrag führen. So wird der Leser etwa für den nur wenig bekannten Judenaufstand unter Constantius Gallus (S. 125, Anm. 2) auf den neuesten Spezialbeitrag zu diesem wenig beachteten Ereignis verwiesen.1 Auf anderer Seite fällt hingegen auf, dass beispielsweise keine einzige Forschung von Karl Leo Noethlichs, von dem immerhin drei materialreiche Bücher in deutscher Sprache zu den (spät)antiken Juden stammen2, berücksichtigt wird. Auch verwundert es, wenn von Werner Eck zwei Aufsätze in englischer Sprache aus den Jahren 1999 und 2003 zitiert werden, relevante Beiträge aus späterer Zeit (meist in deutscher Sprache) dagegen nicht auftauchen.3 Besonders merkwürdig erscheint dieses Vorgehen, wenn man bedenkt, dass Schwartz zwar hauptsächlich englischsprachige Titel heranzieht, aber dennoch zu einem guten Teil auch Forschungen in deutscher, französischer und italienischer Sprache verwertet. Gewiss ist eine Selektion bei der angegebenen Literatur nicht vermeidbar (weswegen beispielsweise die Auslassung des großen Geschichtswerkes von Simon Dubnow vollkommen vertretbar erscheint), doch sollte gerade das dazu führen, dass beispielsweise die Beiträge Ecks (von denen aufgrund ihrer Zahl auch nicht alle berücksichtigt werden können) nicht nach ihrer Sprache, sondern nach ihrer Aktualität ausgewählt werden.

Zum anderen verwundert zuweilen auch die Auswahl der geschilderten Ereignisse. Schwartz geht beispielsweise an keiner Stelle auf den von der Historia Augusta (Pius 5,4) belegten Judenaufstand unter Antoninus Pius ein; der Kaiser wird lediglich im Zusammenhang mit seiner Gesetzgebung zur Beschneidung berücksichtigt (S. 97). Dies mag auf den ersten Blick wie eine kleinliche Detailanmerkung erscheinen, andererseits erwähnt Schwartz durchaus die ebenfalls schlecht bezeugten jüdischen Unruhen unter Marcus Aurelius (S. 100). Diese sind nur durch eine alles andere als eindeutige Aussage des Ammianus Marcellinus (22,5,5) belegt: Der spätantike Historiker schreibt Marcus Aurelius einen Ausspruch zu, wonach die Juden noch unruhiger als Markomannen, Quaden und Sarmaten seien.4 Sichere Aussagen über die Ereignisse unter Marcus Aurelius lassen sich dieser Sentenz zweifellos nicht entnehmen. Für diese oft befremdliche Auswahl der Ereignisse lassen sich weitere Beispiele anführen: So bleibt etwa Justinian, der sowohl wegen seiner Judengesetzgebung als auch wegen dem während seiner Regierungszeit stattfindenden Samaritaneraufstand (ein weiterer von Schwartz nicht genannter fand unter Zenon 484 statt) Erwähnung verdient hätte, im gesamten Buch ungenannt – sicher mehr als nur ein fehlendes Detail! Verwunderlich ist zudem, dass einerseits die Zeit des Septimius Severus zwar vergleichsweise ausführlich besprochen wird (S. 100) und darunter auch die durch die Historia Augusta (Severus 9,5 u. 14,6; der Quellenbeleg fehlt bei Schwartz) bezeugte mögliche Parteinahme der Einwohner von Palaestina für Pescennius Niger (laut Schwartz hingegen für Septimius Severus) Erwähnung findet, andererseits aber eine erheblich interessantere Stelle in derselben Vita der Historia Augusta (Severus 17,1), wonach Severus den Übertritt zum Judentum unter Strafandrohung verboten habe, unbeachtet bleibt. Ebenso fehlt die Ergänzung der positiven, aber rein fiktiven Angaben jüdischer Quellen über Caracalla durch die ebenfalls erfundene judenfreundliche Anekdote aus der Jugend Caracallas in der Historia Augusta (Caracalla 1,6).5

Schwartz nennt im Vorwort seines Buches drei Ziele (S. 16f.): Sein Überblick soll die grundlegenden Informationen zum antiken Judentum vermitteln, an einem Beispiel die richtige Verwendung von Modellen demonstrieren und aufzeigen, warum der Altertumswissenschaftler über die Geschichte und Literatur des antiken Judentums informiert sein sollte. Hat Schwartz seine Ziele erreicht? Für das dritte Ziel ist dies zu bejahen, ebenso größtenteils für das erste Ziel. Lediglich bezüglich des zweiten Zieles scheint Schwartz sein Buch etwas zu überschätzen. Er bietet eine insgesamt zuverlässige Einführung, die sich mit verschiedenen Forschungsmeinungen auseinandersetzt und die Entscheidung für die eine oder andere These durchaus plausibel begründet. Schwartz liefert also nichts anderes als die Anwendung der historischen Methodik und eine Reihe von Entscheidungen auf Basis von Faktenlage und Plausibilitäten. Dies aber macht sein Buch keineswegs weniger interessant. Modelle können in der Altertumswissenschaft immer nur das Ergebnis möglichst vieler Einzelfallprüfungen und somit eine Folge der Analysen sein, nicht aber deren Grundlage, sondern allenfalls ein grober Richtwert für selbige.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Schwartz eine knappe, aber profunde Einführung bietet, die auch wenig bekannte Details der Geschichte der Juden in der Antike würdigt, manchmal aber auch eine subjektive und nicht recht nachvollziehbare Auswahl aus den Ereignissen vornimmt. Insgesamt jedoch ist die kompakte Einführung mit Gewinn zu lesen.

Anmerkungen:
1 Danach erschien lediglich noch das hierüber ebenfalls sehr gut informierte Werk von Pierre Maraval, Les fils de Constantin, Paris 2013, hierzu S. 123f. u. S. 227, das von Schwartz wohl nicht mehr berücksichtigt werden konnte.
2 Die gesetzgeberischen Maßnahmen der christlichen Kaiser des vierten Jahrhunderts gegen Häretiker, Heiden und Juden, Diss. Köln 1971; Das Judentum und der römische Staat. Minderheitenpolitik im antiken Rom, Darmstadt 1996; Die Juden im christlichen Imperium Romanum (4.–6. Jahrhundert), Berlin 2001.
3 An dieser Stelle sei lediglich hingewiesen auf die beiden Monographien Werner Eck, Rom und Judaea, Tübingen 2007 und Rom herausfordern. Bar Kochba im Kampf gegen das Imperium Romanum, Rom 2007.
4 Siehe zur Stelle im Speziellen zuletzt David Rohrbacher, Iudaei fetentes at Amm. Marc. 22.5.5, in: Mnemosyne 4. ser. 58 (2005), S. 441f.
5 Zur Thematik der Juden in der Historia Augusta sei allgemein verwiesen auf Thérèse Liebmann-Frankfort, Les Juifs dans l’Histoire Auguste, in: Latomus 33 (1974), S. 579–607 und David Golan, Iudaei in the Scriptores historiae Augustae, in: Latomus 47 (1988), S. 318–339.

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