J. Yoder: Representatives of Roman Rule

Cover
Titel
Representatives of Roman Rule. Roman Provincial Governors in Luke-Acts


Autor(en)
Yoder, Joshua
Reihe
Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 209
Erschienen
Berlin 2014: de Gruyter
Anzahl Seiten
XI, 368 S.
Preis
€ 119,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rebekka Groß, Seminar für Zeit- und Religionsgeschichte des Neuen Testaments, Universität Münster

Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um die Druckfassung der Dissertation von Joshua Yoder aus dem Jahr 2012. Yoder möchte mit seinem Buch „Representatives of Roman Rule. Roman Provincial Governors in Luke-Acts“ einen Beitrag zur Diskussion um die politischen Absichten und das Verhältnis zum Römischen Imperium im Lukanischen Doppelwerk leisten. Dieses Thema ist schon seit enormer Zeit in der Forschung kontrovers diskutiert worden, wie Yoder selbst ausführt. Dabei untersuchen viele Beiträge zu diesem Thema meist ein sehr breites Spektrum an Material. Yoder hingegen beschränkt sich in seiner Untersuchung auf eine Facette des Themas, nämlich die Darstellung der römischen Gouverneure im Lukanischen Doppelwerk und ihre Bedeutung für die Verhältnisbestimmung des lukanischen Autors zum Römischen Imperium. Diese starke thematische Eingrenzung ermöglicht eine detailliertere und nuancierte Analyse dieser speziellen Facette, als es in den bisher unternommenen Untersuchungen mit breiterem Materialumfang möglich war.

Yoder untersucht die Präsentation der römischen Gouverneure dabei im Kontext anderer römisch-hellenistischer Literatur des ersten Jahrhunderts, in denen die Beschreibung römischer Gouverneure eine Rolle spielt. Daher betrachtet er zuerst die Inszenierung römischer Gouverneure in Tacitus’ „De Vita Iulii Agricolae“, Philos „In Flaccum“ und Josephus’ „De bello Iudaico“ und „Antiquitates Iudaicae“. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse über den literarischen Diskurs über römische Gouverneure zur Zeit des Lukas nutzt er in seiner nachfolgenden Analyse der Darstellung derselben im Lukanischen Doppelwerk.

Das zu besprechende Buch lässt sich inhaltlich in drei große Teile gliedern: Eine ausführliche Grundlegung von Forschungstand, Methodik und Vorgehen (S. 1–62), eine Analyse der Abbildung römischer Gouverneure in zeitgenössischen Werken (S. 63–194) und die Analyse der Charakterisierung römischer Gouverneure im Lukanischen Doppelwerk (S. 195–337).

Nach einer kurzen Einleitung, in welcher der Autor sein Anliegen und Vorgehen skizziert (S. 1–4), liefert er im ersten Kapitel eine kompakte Darstellung des bisherigen Forschungsstandes im Hinblick auf Lukas’ politische Absichten und sein Verhältnis zum Römischen Imperium(S. 5–41).

Dabei kategorisiert er die Forschungsmeinungen im Anschluss an Steve Walton1 in fünf Betrachtungsweisen (S. 5): Das Lukanische Doppelwerk als 1) politische Apologie für die Kirche an Rom (apologia pro ecclesia), 2) Apologie für Rom an die Kirche (apologia pro imperio), 3) Befähigung der Kirche als Zeugnis, 4) Legitimation der Identität der Kirche, 5) politisch indeterminiert. Sein Überblick über den Forschungstand ist umfangreich, dabei aber übersichtlich. Besonders interessant ist ein kurzer Ausblick auf postkoloniale Lesarten. Hier sieht der Autor viel bisher unrealisiertes Potenzial für die Diskussion um die Absichten des Lukanischen Doppelwerks (S. 30-38). Im Anschluss gibt er eine knappe, präzise Einführung in seine gewählte Methodik, die narratologisch-rhetorische Analyse und einen kurzen Überblick über Autor, Adressatenschaft, Genre und Intention des Lukanischen Doppelwerks (S. 41–62).

Das zweite und dritte Kapitel widmet sich der Darstellung der römischen Gouverneure in der zeitgenössischen römisch-hellenistischen Literatur. Dabei geht der Autor stets nach demselben Schema vor: Zuerst nennt er Grunddaten der Werke und die Beziehung des Verfassers zu Rom, wie sie sich anhand anderer Materialien zeigt. Den jeweiligen Hauptteil bildet eine genaue Analyse der Präsentation der römischen Gouverneure, nach welchem Yoder eine Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse gibt. Yoder beginnt mit der Analyse der Inszenierung der römischen Gouverneure Agricola und Flaccus in den nach ihnen benannten Werken, wobei Tacitus’ Agricola als Ideal, Philos Flaccus hingegen als Negativbild eines Gouverneurs erscheint (S.63-130). Im Gegensatz zu diesen beiden Schriften bieten Josephus’ „De bello Iudaico“ und „Antiquitates Iudaicae“ nicht nur die Darstellung eines einzigen Statthalters, sondern schildern eine ganze Reihe Gouverneure, die sehr unterschiedlich charakterisiert werden. Josephus’ Schriften weisen in diesem Punkt eine größere Affinität zur lukanischen Darstellung auf (S. 131–194).

Im vierten und fünften Kapitel analysiert Yoder die römischen Gouverneure im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte. Er geht dabei nach demselben Schema vor wie auch in den zwei vorangegangenen Kapiteln. Dabei wird im Lukasevangelium wie in Tacitus’ Agricola und Philos Flaccus nur von einem Gouverneur erzählt, nämlich Pontius Pilatus. Yoder betrachtet dessen Darstellung kleinschrittig bis ins Detail (S. 195–246). In der Apostelgeschichte hingegen treten wie in Josephus’ Schriften mehrere Gouverneure auf, die unterschiedlich charakterisiert werden und meist ambivalent auftreten (S. 247–332). Seine Ausführungen sind verständlich und gut nachvollziehbar, selbst wenn man in manchen Detailfragen anderer Ansicht ist. Das Buch ist besonders für Fachpublikum intendiert, jedoch sollte es auch interessierten Laien zugänglich sein.

Das letzte Kapitel bildet die Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse und listet offene Fragen und Desiderate auf (S. 333–337). Es fällt mit etwas über vier Seiten sehr knapp aus, insbesondere, wenn man den Detailreichtum der bisherigen Ausführungen bedenkt. Hier wäre eine ausführlichere Zusammenfassung und Erläuterung der vielschichtigen Ergebnisse wünschenswert gewesen.

Die postkoloniale Lesart, der Yoder zu Beginn großes Interpretationspotenzial für Lukas’ politische Ansichten zugeschrieben hatte, wird im letzten Kapitel mit nur zwei Sätzen angedeutet (S. 336). Die relativ ausführliche Abhandlung über postkoloniale Lesarten und ihr Potenzial für das zu behandelnde Thema am Anfang des Buchs weckt Erwartungen auf genauere Überlegungen in postkolonialer Perspektive im späteren Verlauf des Buchs, die durch die zwei Sätze nicht erfüllt werden.

Nichtsdestoweniger bietet das zu besprechende Buch mit seiner detaillierten, übersichtlichen Präsentation der ausgewählten Facette einen gelungenen Beitrag zur Diskussion um Lukas’ politische Absichten und sein Verhältnis zum Römischen Imperium. Der Autor erreicht mit seinem Werk genau das, was er sich vorgenommen hat: Er beleuchtet einen ausgewählten Aspekt, die Schilderung der römischen Gouverneure, im Detail und kann so eine nuanciertere Darstellung bieten als Werke mit größerem Umfang, die dafür nicht so tief ins Detail gehen können. Yoders Beitrag liefert damit eine bisher noch nicht realisierte Detailschärfe im Hinblick auf die Darstellung der römischen Gouverneure im lukanischen Doppelwerk.

Anmerkung:
1 Vgl. Steve Walton, The state they were in: Luke’s view of the Roman Empire, in: Peter Oakes (Hrsg.), Rome in the Bible and the early church, Grand Rapids (Michigan) 2002, S. 1–41, bes. S. 2.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension