L. Grillo: Cicero's De Provinciis Consularibus Oratio

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Titel
Cicero's De Provinciis Consularibus Oratio. Introduction and Commentary


Autor(en)
Grillo, Luca
Reihe
American Philological Association. Texts and Commentaries
Erschienen
Anzahl Seiten
368 S.
Preis
£ 64,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University, Changchun (China)

An Ciceros Rede „De Provinciis Consularibus“ ist vieles bemerkenswert: die rhetorische Kraft, mit der Cicero sich hier Mitte des Jahres 56 v.Chr. in die anstehende Provinzverteilung für die demnächst zu wählenden Konsuln wirft, die bildreiche Beschreibung des Herrschaftsgebarens römischer Statthalter in den Provinzen und insbesondere natürlich der Schwenk Ciceros auf die Seite des sogenannten Ersten Triumvirates und sein erstmalig dokumentiertes öffentliches Eintreten für C. Iulius Caesar. Und doch – ebenso auffallend – hatte es bislang keinen modernen Kommentar zu diesem rhetorischen Meisterstück gegeben, das maßgeblich zur ambivalenten Beurteilung der Persönlichkeit Ciceros durch die Nachfolgenden und die Forschung beigetragen hat.

Diese echte Forschungslücke füllt nun Luca Grillo, seines Zeichens Assistant Professor für Classics an der Universität in North Carolina, mit seinem sorgsam gearbeiteten, aufgrund seines Forschungsaufenthaltes in Göttingen auch mit deutscher wie außerenglischer Literatur gesättigtem Werk gut auf. Mit Einleitung (S. 1–50), Wiedergabe der weitgehend der Oxford Classical Text-Ausgabe folgenden textkritischen Fassung (S. 51–73) sowie dem umfangreichen Detailkommentar (S. 74–303), gefolgt von einem Anhang mit einer Liste der Stilmittel (S. 305–308), einem ansehnlichen Literaturverzeichnis (S. 309–331) und einem allgemeinen Index (S. 333–345) hält sich Grillo an die übliche Kommentarform.

Die Einleitung bietet dabei zunächst eine Einordnung der Rede in den historisch-rechtlichen Kontext als Teil der post reditum -Reden im weiteren Sinn, wobei intensiv auch der Kontext der Verbannung Ciceros als historischer Prozess nach seinem Konsulat 63 v.Chr. beleuchtet wird. Zudem setzt sich Grillo mit der schwierigen, in der Forschung breit debattierten Datierungsfrage auseinander und datiert die Rede zwischen Mai und Juli, vornehmlich in den Juni 56 v.Chr., auf jeden Fall nach der Konferenz von Lucca im April mit Erneuerung des sogenannten Ersten Triumvirates. Dabei sieht er entgegen früheren Forschungsmeinungen keinen großen Kontrast zwischen Ciceros Rede „In Vatinium“, einem Caesar-Getreuen, im März des Jahres und der Provinzen-Rede, sondern geht eher von einem schrittweisen Wandel Ciceros weg von der ihn enttäuschenden Senatspartei hin zum Triumvirat aus, was sich in „De Provinciis Consularibus“ erstmals manifestiert habe, obschon dies möglicherweise vorher bereits von Zeitgenossen wahrgenommen worden sei. Ferner werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen – allen voran die immer noch gültige lex Sempronia de provinciis consularibus von 123 v.Chr. mit der Festschreibung der konsularen Provinzen vor der Amtsträgerwahl – sowie der praktische Umgang respektive das Umgehen diverser Regelungen in dieser Zeit erörtert sowie die wesentlich in der Rede angesprochenen beziehungsweise angegangenen Akteure – Caesar als Feldherr in Gallien, A. Gabinius als Statthalter Syriens sowie L. Calpurnius Piso Caesoninus als Statthalter Makedoniens – kurz biographisch umrissen. Sodann widmet sich Grillo intensiv auch der rhetorischen Gestaltung der Rede, indem er diese einerseits in die klassischen Rhetorikvorgaben einordnet, andererseits auch den für den Klang wichtigen Prosarhythmus in den Blick nimmt. Beschlossen wird die Einleitung von einem kurzen Einblick in die textkritische Überlieferung, der allerdings nicht besonders erhellend ausfällt.1

Das Kernstück der Arbeit, der Kommentarteil, bietet jeweils einzelne Abschnitte oder Einzelpassagen mit Erläuterungen zu rhetorischen Mitteln, intra- wie intertextuellen Bezügen sowie historisch-politischen Gegebenheiten, wobei stets auf wesentliche Literatur (allerdings bei Personen oder Sachen zumeist auf die älteren Artikel in „Paulys Realencyclopädie“, der alten „RE“, denn auf neuere Lexika wie „Der Neue Pauly“ oder das „Oxford Classical Dictionary“) und Forschungsdiskussionen verwiesen wird. Gerade das Zusammenspiel von rhetorischem und historischem Kommentar zeigt dabei die hohe Strahlkraft und Bedeutung der Rede auf, sodass ein Weiterdenken über das von Grillo Aufgezeigte hinaus ermöglicht wird; so etwa zu ästhetischen Bildern, die Cicero zeichnet, wenn er die Übergriffe Mithridates’ VI. von Pontos auf die Stadt Byzantion – im Vergleich zu Pisos (seiner Meinung nach) weitaus ruchloserem Verhalten – mit der komplizierten Geographie am Bosporus in kunstvoller Sprachform verknüpft (Cic. prov. 4,6–7).

Insgesamt erweist sich der Kommentar als nützliches Arbeitsinstrument, das die intensiv politische, aber durch die verstreute Quellenlage sehr rekonstruktionsbedürftige Zeit der 50er-Jahre des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zu erhellen hilft und daher in keiner altertumswissenschaftlichen Bibliothek fehlen sollte.

Anmerkung:
1 Zur Einleitung in die Handschriftenproblematik sei auf die neuere textkritische Teubner-Edition von Tadeusz Maslowski / Michael D. Reeve (Hrsg.), M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia, Bd. 24: Oratio de provinciis consularibus. Oratio pro L. Cornelio Balbo, Berlin 2007 verwiesen, die allerdings von Grillo unverständlicherweise nur selten (und dann auch nur verstreut im Einzelkommentar) in Abgleich mit der älteren Oxford Classical Text-Ausgabe von William Peterson aus dem Jahre 1911 herangezogen wird.

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