A. Soldati (Hrsg.): Papiri Greci da Tebtynis della Università di Padova

Cover
Titel
Papiri Greci da Tebtynis della Università di Padova. Volume 1 (P. Tebt. Pad. 1–25)


Herausgeber
Soldati, Agostino
Reihe
Philippika 85,1
Erschienen
Wiesbaden 2015: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
XXIV, 150 S.
Preis
€ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Patrick Reinard, Fachbereich III – Alte Geschichte, Universität Trier

Die Ostraka aus Tebtynis, die in Padova aufbewahrt werden (O.Tebt.Pad.), wurden im Jahr 1979 publiziert.1 Nun liegt auch der erste von Agostino Soldati erarbeitete Band der in Padova verwahrten und aus Tebtynis stammenden Papyri vor (P.Tebt.Pad.). Gefunden wurden die Texte während einer Grabungskampagne von Gilberto Bagnani, die vom Dezember 1934 bis Februar 1935 stattfand. Die Edition bietet insgesamt 25 Texte, darunter fünf literarische und 20 dokumentarische.

P.Tebt.Pad. 1–5 sind Homer-Fragmente aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n.Chr. Dass selbst kleinste Fragmente nennenswerte Informationen für die Geschichte der Textüberlieferung bieten, zeigt P.Tebt.Pad. 2 (H. 400–410), der in Zeile 9 die Schreibvariante k]ataka[kiemen aufweist. Das Alpha vor der Bruchkante ist zwar nur schwer zu lesen, doch ist hier dennoch eine in der Homer-Tradition ansonsten unübliche orthographische Variante der Kaiserzeit überliefert. Bemerkenswert ist auch P.Tebt.Pad. 3 (I. 413–432), der in Zeile 7 ein Diagamma zeigt. Die fünf Homer-Papyri aus Padova sowie Soldatis umsichtige Kommentierung – besonders gilt dies für den Zeilenkommentar von P.Tebt.Pad. 3 – stellen für die textkritische Homerforschung neues Quellenmaterial bereit und liefern zugleich einen wichtigen Beitrag.

Auch die dokumentarischen Papyri werden in einer mustergültigen Edition präsentiert. Lediglich kleine Anmerkungen können erfolgen: P.Tebt.Pad. 9 aus dem 2. Jahrhundert v.Chr. bietet einen neuen Beleg für die Verwendung des Briefperfekts am Beginn einer Epistel, wodurch ausgedrückt wird, dass eine Handlung für den Absender noch nicht, für den Adressaten schon abgeschlossen ist.2 Eine Verwendung des Perfekts ist am Beginn eines Briefes ansonsten eher selten belegt. In dem kleinen Fragment P.Tebt.Pad. 14 aus dem Jahr 94/93 v.Chr., eine „Richiesta di pagamento del prezzo di una schiava“, ist die Preisangabe leider verloren. Jedoch bietet der Text einen weiteren Beleg für die Sklavenbezeichnung paidíske. Die im Zeilenkommentar vorgebrachte Überlegung, junge Sklaven seien in der Textilproduktion eingesetzt worden, ist zwar generell korrekt, jedoch bleibt eine Verbindung zu dem Fragment hypothetisch.

P.Tebt.Pad. 16, eine „Accensione de mutuo“ aus den Jahren 9 bis 1 v.Chr., ist nur fragmentarisch erhalten. In Zeile 16 ergänzt Soldati nachvollziehbar pleísten t]imèn. Der Zeilenbeginn der Urkunde ist an keiner Stelle erhalten, jedoch kann man anhand der guten Abbildung (Tav. XVI) und im Abgleich mit anderen Zeilen davon ausgehen, dass noch ein weiterer Raum von mindestens zwei bis drei Buchstaben vor pleísten vorhanden gewesen sein muss. Auch Zeile 15 ist fragmentarisch, hier haben sich lediglich die Worte è t]èn esoménen […] erhalten bzw. sind zu ergänzen. Am rechten Rand fehlen, wie ein Vergleich mit der Abbildung nahelegt, mindestens drei oder mehr Buchstaben. Der fehlende Raum in beiden Zeilen kann also nicht sicher abgeschätzt werden. Dennoch darf man Soldatis Edition in den Zeilen 15 und 16 ergänzen: Hier dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit die durchaus weitverbreitete Formulierung è t]èn esoménen [en té agorâ pleísten t]imèn vorliegen. Wo der Zeilenumbruch anzusetzen ist, bleibt natürlich ungewiss. Die bisher bekannten Belege – z.B. P.Amh. 47,13f., P.Amh. 44,11 oder P.Amh. 46,103 – legen aber die hier angegebene Ergänzung nahe. Irritierend ist die Übersetzung von Zeile 16, die „il prezzo m[aggiorato“ lautet. In Übereinstimmung mit dem griechischen Text müsste man eigentlich „il [p]rezzo [maggiorato]“ angeben. Auch andernorts irritieren die diakritischen Zeichen in der Übersetzung in ähnlicher Weise. Für die fragmentarische Zeile 13 in P.Tebt.Pad. 16 hat Soldati im Zeilenkommentar die überzeugende Ergänzung timè]n ektíso hek[ástes artábes vorgeschlagen. Diese hätte man auch in der Transkription angeben können. Leider ist durch den Textverlust die Preisangabe in Zeile 13 und 16 verloren. Vermutlich bezog sich die Angabe auf den in den Zeilen 6 und 12 genannten Weizen. Man kann hier ergänzen, dass aus dem 1. Jahrzehnt v.Chr. bisher nur wenige Belege für Weizenpreise vorliegen. Diese schwanken zwischen 9,3 und 1,9 Drachmen pro Artabe4; der niedrigste bisher bekannte Beleg stammt aus Tebtynis (P.Tebt. 2/459, 6/5 v. Chr.) und ist bis dato auch der einzige Preisnachweis für Weizen aus dem Ort in dem besagten Jahrzehnt. Es wäre also sehr interessant, wenn geklärt werden könnte, was im Fall von P.Tebt.Pad. 16 mit „prezzo maggiorato“ gemeint gewesen ist.

Der Geschäftsbrief P.Tebt.Pad. 24 aus dem 2./3. Jahrhundert n.Chr. bietet inhaltlich nichts Neues, es geht um geschäftliche Transaktionen mit Getreide. Interessant ist aber die ausgesprochen kurze Präskriptformel, die lediglich aus dem Namen des Adressaten im Dativ besteht. Zudem bietet der Brief einen weiteren Beleg für das lateinische Lehnwort ároulla (Z. 16) sowie mit próeima (Z. 4) eine „nuovo testimone della scrittura próimos“ (S. 98). Am Beginn von Zeile 17 hat der Papyrus einen Ausbruch bzw. Buchstaben sind auf dem Blatt verloren gegangen, erhalten sind nach der Transkription die Buchstaben k … omia. Reste von drei Buchstaben sind laut Transkription ersichtlich. Die Lücke bietet Raum für etwa drei bis vier Buchstaben. Auf der sehr guten Abbildung des Papyrus (Taf. XXIVa) ist ein kurzer buchstabenfreier Raum erkennbar, es sollte sich hier also um zwei Wörter handeln. Soldati hat im Zeilenkommentar die Ergänzung kaì psomía vorgeschlagen, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in der Lücke gestanden hat. Deshalb hätte man die Ergänzung auch durchaus in der Transkription wiedergeben können.

Von besonderem inhaltlichen Interesse sind die Texte P.Pad.Tebt. 9–15, die in das 2. und 1. Jahrhundert v.Chr. datieren. Diese Urkunden stammen von laarchoi, militärischen Befehlshabern, die ansonsten relativ selten in den Papyri bezeugt sind (LSJ 1021; WB III 214; WL 396). Die Laarchen kommandierten indigene ägyptische Soldaten, die auf sogenannten Soldatenlehen angesiedelt waren. Bei den Texten handelt es sich um Briefe (P.Pad.Tebt. 9, 11–13), Petitionen (P.Pad.Tebt. 10 und 15) sowie die bereits angesprochene „Richiesta di pagamento del prezzo di una schiava“ (P.Pad.Tebt. 14). Die Papyri bieten neue Einblicke in das Leben der Soldaten in Tebtynis. Jede zukünftige Beschäftigung mit den laarchoi hat zwingend von Soldatis ausführlicher Einleitung zu den Texten (S. 37–44) auszugehen, in der auch der Forschungsstand einschlägig referiert wird.

Abgeschlossen wird der Band durch einen ausführlichen Index-Teil, der alle für eine papyrologische Edition üblichen Indici umfasst (S. 109–116), sowie einen hervorragenden Tafelteil, der sehr qualitätsvolle Abbildungen sämtlicher Papyri bietet. Nur kleine Versehen können korrigiert werden: P.Tebt.Pad. 19 hat in Zeile 11 agrámmtos. Das Wort ist im „Indice generale“ fälschlich unter 17,11 verzeichnet.5 Sehr lobenswert sind die „Correzioni a testi editi“ (S. 117), die Soldati neben der Aufarbeitung der neuen Papyri aus Padova zu den Urkunden BGU 6/258, P.Fay. 91, P.Lips 2/130, P.Mert. 3/113, P.Ross.Georg. 2/12, P.Soter. 22, P.Strasb. 1/91, P.Strasb. 8/706, SB 20/15089, SPP 17 p. 49 und SPP 20/1 bietet.

Abschließend ist festzuhalten, dass der erste Band der Tebtynis-Papyri aus Padova inhaltlich viele neue Einblicke bietet und durch eine hervorragende Edition überzeugt. Man darf sich auf den zweiten Band freuen!6

Anmerkungen:
1 Claudio Gallazi, Ostraka da Tebtynis della Università di Padova, Milano 1979.
2 Heikki Koskenniemi, Studien zur Idee und Phraseologie des griechischen Briefes bis 400 n. Chr., Helsinki 1956, S. 78f. u. 195–197.
3 Für weitere Belege vgl. WB I 424.
4 Hans-Joachim Drexhage, Preise, Mieten / Pachten, Kosten und Löhne im römischen Ägypten bis zum Regierungsantritt Diokletians. Vorarbeiten zu einer Wirtschaftsgeschichte des römischen Ägyptens I, St. Katharinen 1991, S. 11–18.
5 Literaturtitel können zu zwei Urkunden ergänzt werden: In der Kommentierung der neunten Zeile von P.Tebt.Pad. 6, ein „ordine di rifornimento“ aus dem 3. Jahrhundert v.Chr., sind neben den genannten Titeln auch Hans-Joachim Drexhage, Einige Bemerkungen zu Geflügelzucht und -handel im römischen und spätantiken Ägypten nach den griechischen Papyri und Ostraka I: Hühner, in: Münstersche Beiträge zur antiken Wirtschaftsgeschichte 20 (2001), S. 81–95; Einige Bemerkungen zu Geflügelzucht und -handel im römischen und spätantiken Ägypten nach den griechischen Papyri und Ostraka II: Gänse, in: Laverna 12 (2001), S. 14–20 heranzuziehen. In der Einleitung von P.Tebt.Pad. 19 („Sottoscrizioni a didaskaliké“) aus dem 2. Jahrhundert n.Chr. kann der Aufsatz von Louisa Thomas / Sandra Cebula, didaskalikaí – Überlegungen zu Lohnverhältnissen in Lehrverträgen aus dem römischen Ägypten, in: Marburger Beiträge zur antiken Wirtschaftsgeschichte 32 (2014), S. 209–226 und in der Kommentierung zur achten Zeile Kai Ruffing, Die berufliche Spezialisierung in Handel und Handwerk. Untersuchungen zu ihrer Entwicklung und zu ihren Bedingungen in der römischen Kaiserzeit im östlichen Mittelmeerraum auf der Grundlage der griechischen Inschriften und Papyri, Bd. 2, Rahden 2008, S. 642–647 ergänzt werden.
6 Anhand der Datenbank „PSIonline – PLAURonline – PPadonline – PPRAGonline“, in der die bisher nicht publizierten Texte der Sammlung mit knappen allgemeinen Informationen und einer hochwertigen Fotographie aufgelistet sind, kann man sich bereits einen ersten Eindruck verschaffen: <http://www.psi-online.it/documents?utf8=%E2%9C%93&segnatura=Tebt.+Pad.+&origin=&istit=&sup=&cont=0&typl=¬e=&dtst=0&dted=0&commit=Avviap;dtst=0&dted=0&commit=Avvia> (23.03.2016).