D. Hohrath u.a. (Hgg.): Ende reichsstädtischer Freiheit

Titel
Das Ende reichsstädtischer Freiheit 1802. Zum Übergang schwäbischer Reichsstädte vom Kaiser zum Landesherrn. Begleitband zur Ausstellung "Kronenwechsel" - Das Ende reichsstädtischer Freiheit 1802


Herausgeber
Hohrath, Daniel; Weig, Gebhard; Wettengel, Michael
Reihe
Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, Reihe Dokumentation 12
Erschienen
Anzahl Seiten
306 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jutta Nowosadtko, Fachbereich Geschichte, Universität Essen

Mit dem „Ende reichsstädtischer Freiheit 1802“ fokussiert das vorliegende Buch ein Thema, das üblicherweise nicht im Zentrum der Darstellungen über Freie Reichsstädte steht. Traditionell konzentriert sich die Mehrzahl der Publikation bislang eher auf die städtische Blütezeit denn auf das klägliche Finale, dem üblicherweise nur ein schmales Schlusskapitel eingeräumt wird. Mit dem Band aus der Ulmer Schriftenreihe liegt eine solide Dokumentation und gleichzeitig eine interessante Einführung in die komplexe Thematik vor.

Bei der Darstellung handelt es sich um den Begleitband zu einer Ausstellung, die 2002 in Ulm zu sehen war und damit quasi den Reigen vergleichbarer historischer Ausstellungen eröffnete, die in diesem Jahr in vielen Regionen Deutschlands präsentiert wurden. Das Jubiläumsprojekt war in Zusammenarbeit der Stadtarchive von Biberach, Friedrichshafen (Buchhorn), Kaufbeuren, Lindau, Memmingen, Ravensburg und Ulm entstanden. Am Beispiel dieser sieben schwäbischen Reichsstädte werden die unterschiedlichen Voraussetzungen, aber auch die Gemeinsamkeiten und die Begleitumstände konkretisiert, unter denen am Ende des Alten Reiches 45 von ehemals insgesamt 51 reichsfreien Städten sofort ihre Unabhängigkeit einbüßten. Diese Auswahl kann insofern als repräsentativ gelten, als die Mehrzahl der Freien Reichsstädte in Schwaben und Franken lag. Der Katalog besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil bietet mit insgesamt vier Beiträgen eine wissenschaftliche Einführung in die Thematik. Der zweite Teil dokumentiert die Ausstellung und erfreut den Leser durch zahlreiche sorgfältig ausgewählte, farbig reproduzierte und erläuterte Quellen. Kat.-Nr. 63 und Kat.-Nr. 64 stellen beispielsweise einer Darstellung der heiligen Crescentia von Kaufbeuren ein Portrait der vorletzten Fürstäbtissin zu Lindau gegenüber. Deutlicher kann man den Unterschied zwischen den Orden und den freiweltlichen Damenstiften wohl nicht zum Ausdruck bringen.

Der erste Beitrag von Daniel Hohrath und Andreas Schmauder bietet einen knappen Überblick über die wenig komfortable Situation der Reichsstädte am Ende des 18. Jahrhunderts. Die unterschiedlichen Ansätze der älteren und neueren Forschung werden ebenso präzise charakterisiert, wie die wesentlichen Merkmale der reichsstädtischen Verfassung und ihrer Einbindung in das Reichssystem übersichtlich zusammengefasst werden. Neben den offenkundigen Problemen der reichsstädtischen Verfassung, welche sich nicht selten in einer sukzessiven Oligarchisierung der Magistrate und einer wenig transparenten Finanzverwaltung durch den Rat äußerten, kommen auch die besonderen Leistungen der Reichsstädte zur Sprache, deren soziale Einrichtungen im zeitgenössischen Vergleich als vorbildlich gelten müssen. Erwähnung findet auch die konfessionelle Situation in den einzelnen Reichsstädten inklusive des Sonderfalls der Bikonfessionalität in Biberach, Ravensburg und Kaufbeuren.

Der zweite Aufsatz von Stefan Fischer und Daniel Hohrath schildert die politischen Rahmenbedingungen und Ereignisse von der Französischen Revolution bis zum Reichsdeputationshauptschluss, die unmittelbar zur Mediatisierung führten. Georg Wieland beschreibt im dritten Beitrag den Prozess der Integration der Reichsstädte in das badische, württembergische oder bayerische Territorium. Beides, sowohl die Kontinuitäten innerhalb der Verwaltung als auch das Chaotische der Besitzergreifung durch die neuen Herren, kommt in wünschenswerter Deutlichkeit zum Ausdruck. Immerhin änderte sich nur für fünf von 15 Reichsstädten in Oberschwaben die territoriale Zugehörigkeit nicht mehr. Die meisten wechselten zweimal, Lindau sogar dreimal den Besitzer. Die danach einsetzenden Verwaltungsreformen erscheinen sowohl als Fortsetzung als auch als Vorwegnahme des landesherrlichen Bemühens um Vereinheitlichung und Zentralisierung. Wirtschaftlich fiel die Bilanz zunächst ambivalent aus. Durch die Auflösung des sprichwörtlichen Flickenteppichs kleiner Einzelterritorien fielen zwar zahlreiche Zollschranken weg und wurden Maße und Gewichte vereinheitlicht. Diesen Vorteilen standen aber die Restriktionen der napoleonischen Handelspolitik und die Kriegslasten entgegen, die dazu führten, dass die Industrialisierung nur langsam in Gang kam.

Der Ausstellungskatalog stellt zunächst jede einzelne Reichsstädt gesondert vor. In einem zweiten Kapitel werden die Reichsstädte als „Glieder des Reichs“ gewürdigt, d. h. die Rolle des Kaisers als Schutzherr und die Kreisorganisation behandelt. Danach werden die staatlichen Funktionen und ‚policeylichen’ Aufgaben der Reichsstädte behandelt. Es folgt ein sozialgeschichtlicher Abschnitt zum Leben in den Reichsstädten. Daran schließen sich Hintergrundinformationen zu den napoleonischen Kriegen in dieser Region an, die (vgl. die Ausführungen zur Rolle Ulms als Festungsstadt) deutlich erkennen lassen, dass an dem Band ein ausgewiesener Spezialist beteiligt war. Der nächste Abschnitt würdigt die Ulmer Jakobiner exemplarisch am Beispiel der Verurteilung des Säcklermeisters Kaspar Feßlen zu einer sechswöchigen Haftstrafe. Die folgenden Kapitel sind der Mediatisierung, der Etablierung der neuen Herrschaft, dem städtischen Leben im neuen Staat und dem Nachleben der Reichsstädte in der Erinnerungskultur gewidmet.