Cover
Titel
Epideictic Rhetoric. Questioning the Stakes of Ancient Praise


Autor(en)
Pernot, Laurent
Reihe
Ashley and Peter Larkin Series in Greek and Roman Culture
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 166 S.
Preis
$ 50,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jonas Scherr, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Laurent Pernot zählt zweifellos zu den renommiertesten Kennern antiker Rhetorik. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat er diverse bedeutende Veröffentlichungen auf diesem Themengebiet vorgelegt.1 Mit dem hier zu besprechenden Band knüpft er daran an. Er erhebt dabei den Anspruch, gleichermaßen eine übersichtliche Einführung wie eine auch für Spezialisten interessante und am Puls der Forschung befindliche Synthese des weiten Feldes der epideiktischen Rhetorik zu bieten. Einerseits aktualisiert und subsummiert er damit gewissermaßen seine eigenen, älteren Arbeiten zu diesem Gegenstand, andererseits verwertet er zugleich die Ergebnisse eines Seminars, das er 2012 bei der Rhetoric Society of America in Philadelphia abgehalten hat (vgl. S. XIf.).

Das Buch besteht im Kern aus vier Kapiteln, deren Inhalt hier zunächst in Kürze wiedergegeben sei: Das erste trägt den Titel „The unstoppable rise of epideictic“ (S. 1–28). Darin stellt Pernot die Geschichte der epideiktischen Rhetorik von der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. bis in die Spätantike dar, mithin von den athenischen Epitaphioi bis zu den Panegyrici Latini. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung von einem eher randständigen Phänomen zu dem vielleicht wichtigsten Bereich der Rhetorik, der in den Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit geradezu omnipräsent gewesen sei, was Pernot hauptsächlich mit der Veränderung der politischen und sozialen Rahmenbedingungen erklären möchte.

Im zweiten Kapitel befasst sich Pernot unter der Überschrift „The grammar of praise“ mit dem theoretischen und praktischen Rüstzeug, auf dem antike Epideiktik und insbesondere Enkomiastik basierten (S. 29–65). Vorwiegend anhand der Schriften des sogenannten Menander Rhetor, aber auch anderer antiker Handbücher und Lehrwerke behandelt er dabei die Einsatzmöglichkeiten, Methoden und Stilmittel, mit deren Hilfe Lob- und Schmähreden gestaltet wurden. Daran schließt mit Kapitel drei („Why epideictic rhetoric?“) eine nähere Untersuchung der Funktionen antiker Epideiktik an (S. 66–100). Pernot konstatiert sehr plausibel, dass die zentrale Wirkung solcher Rhetorik in der Stabilisierung der soziokulturellen Ordnung der Gesellschaft bestanden habe: im Hintergrund jeder Lob- oder Schmährede stehe als mindestens implizite Referenz stets ein Idealbild, an dem das rhetorisch behandelte Objekt der Rede gemessen werde.

Das vierte Kapitel „New approaches in epideictic“ dürfte für Fachleute das interessanteste sein (S. 101–120). Hier geht es Pernot um neuere Forschungsansätze und Überlegungen, die zur Untersuchung antiker Epideiktik von Nutzen sein können und teilweise in der näheren Vergangenheit auch bereits gewesen sind. Insbesondere befasst er sich hier mit Überlegungen zu unterschwelligen, impliziten oder versteckten Aussagen antiker Enkomiastik.2 Aber auch die Frage nach dem ‚Publikum‘ und dessen Reaktionen sowie weiterführende Gedanken zu komparatistischen Ansätzen in der Erforschung antiker Rhetorik finden hier ihren Platz. Der Band wird von einem kurzen, sehr allgemein gehaltenen Epilog, dem knappen Endnotenapparat, einer 21-seitigen Bibliographie und einem allgemeinen, nicht weiter untergliederten, aber recht ausführlichen Index beschlossen.

Bemerkenswert ist die geradezu apologetische Perspektive auf antike Epideiktik und insbesondere Enkomiastik, der Pernots Ausführungen verpflichtet sind. Immer wieder betont er, dass es sich keineswegs um ‚leeres Gerede‘ oder ‚rhetorischen Tand‘ handle, wie dies nur allzu oft proklamiert worden sei, sondern dass wir es hier vielmehr mit einem integralen Bestandteil antiker Geistes-, Bildungs- und Literaturgeschichte zu tun hätten, mithin mit einer Quelle ersten Ranges, ohne die die Mentalitäten der Bildungseliten speziell der Prinzipatszeit kaum recht verstehbar seien (vgl. speziell S. 66–69 u. S. 78–100). Auch wenn die genannten Negativpositionen heutzutage kaum mehr ernsthaft vertreten werden, sind die Appelle Pernots daher dennoch richtig und wichtig.

Insgesamt handelt es sich um ein Buch, das seinem Anspruch absolut gerecht wird. Sowohl für jene, die als Neulinge auf das Feld der antiken Epideiktik stoßen, als auch für Leser und Leserinnen, die selbst auf diesem Feld forschen, wird es sich dabei um eine lohnenswerte und anregende Lektüre handeln. Gerade für erstere dürfte allerdings möglicherweise der eher spärliche Umgang mit Referenzen auf Forschungsliteratur weitere, eigene Recherche notwendig werden lassen. Doch ohnehin handelt es sich nicht um eine umfassende Gesamtdarstellung, sondern um genau das, was Pernot in seinem Vorwort vorgelegt zu haben verspricht: eine knappe Einführung, die weiterführende Gedanken und Überlegungen enthält. In redaktioneller, satz- und verlagstechnischer Hinsicht ist das Buch sehr ansprechend und hochwertig gestaltet; Satz- und Schreibfehler sind fast völlig absent.

Abschließend lässt sich sagen, dass Pernots Buch allen an antiker Rhetorik und allgemein an antiker Geistes- und Sozialgeschichte interessierten Lesern und Leserinnen sehr zu empfehlen ist.

Anmerkungen:
1 Siehe besonders: La rhétorique de l’éloge dans le monde gréco-romain, Paris 1993 und La rhétorique dans l’Antiquité, Paris 2000 sowie seine Éloges grecs de Rome. Discours traduits et commentés, Paris 1997.
2 Derartige Ansätze hat Pernot andernorts auch bereits erfolgreich zur Anwendung gebracht, vgl. etwa seinen Beitrag zu Aelius Aristides’ Romrede: Aelius Aristides and Rome, in: William V. Harris / Brooke Holmes (Hrsg.), Aelius Aristides between Greece, Rome, and the Gods, Leiden 2008, S. 175–201.

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