M. Winkler (Hrsg.): Return to Troy

Cover
Titel
Return to Troy. New Essays on the Hollywood Epic


Herausgeber
Winkler, Martin M.
Reihe
Metaforms. Studies in the Reception of Classical Antiquity
Erschienen
Anzahl Seiten
X,284 S.
Preis
€ 126,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Kleu, Historisches Seminar I – Alte Geschichte, Universität zu Köln

In der Einleitung (S. 1–15) des Sammelbands legt der Herausgeber Martin M. Winkler zunächst dar, weshalb aus seiner Sicht Bedarf nach einem weiteren Buch zu Wolfgang Petersens „Troy“ (2004) besteht.1 Dazu betrachtet er rückblickend das Erscheinen des Films im Jahr 2004 und die sich daran anschließenden Veröffentlichungen weiterer sich mit der Antike befassenden Kinoproduktionen, bevor er auf den Director’s Cut von „Troy“ aus dem Jahr 2007 eingeht und schließlich einen spannenden Vergleich mit Petersens „Das Boot“ anstellt.

Das erste Kapitel (S. 16–26) gibt ein Interview wieder, das Winkler mit Wolfgang Petersen geführt hat. In Kapitel 2 (S. 27–47) liefert Daniel Petersen, der Sohn des Regisseurs, Einblicke in die Dreharbeiten und die damit verbundenen Probleme. Beide Kapitel sind zu begrüßen, da bei Analyse und Interpretation des Films die Intention der Regieführenden und die Umstände der Filmaufnahmen nicht ausgeblendet werden sollten. So hat sich Winkler in Form des Interviews die Gelegenheit geboten, Petersen vertiefende Fragen zu stellen, wie sie aus naheliegenden Gründen in Medien, die sich nicht an ein Fachpublikum richten, nicht möglich gewesen wären. Passend zum Beitrag über den Dreh des Films folgen im Anschluss 14 Fotografien vom Set.

Mit dem dritten Kapitel (S. 65–85) beginnen schließlich die wissenschaftlichen Untersuchungen, wobei sich Eleonora Cavallini zunächst mit Anachronismen und vermeintlichen Fehlern in „Troy“ auseinandersetzt. Dabei ist es natürlich nicht das Ziel der Autorin, mit erhobenem Zeigefinger aufzuzählen, was die Filmschaffenden in „Troy“ alles falsch gemacht haben. Vielmehr stellt sie zunächst in Anlehnung an Joachim Latacz fest, dass der Film mit seinen Anachronismen und „Fehlern“ in bester homerischer Tradition steht, bevor sie schließlich einige der vorgebrachten Kritikpunkte überzeugend entkräften und anhand literarischer und archäologischer Zeugnisse viele Entscheidungen der Filmschaffenden erklären kann.

In Kapitel 4 (S. 86–107) setzen sich Wolfgang Kofler und Florian Schaffenrath mit Wolfgang Petersens Erzähltechnik auseinander und heben in diesem Kontext unter anderem hervor, wie die Epitheta, mit denen Achilles (schnellfüßig) und Odysseus (einfallsreich) in der Ilias versehen werden, in „Troy“ filmisch umgesetzt worden sind, wobei sie mit Recht darauf hinweisen, dass sich hier teilweise Feinheiten und Anspielungen finden lassen, die sich nur Kennern erschließen. Weitere Schwerpunkte dieses Kapitels bilden Vergleiche der filmischen und der homerischen Darstellung heroischer Duelle, das Anziehen der Rüstungen vor dem Zweikampf zwischen Hektor und Achilles, des Zorns des Achilles sowie des Tods des Patroklos.2

Einer der größten Kritikpunkte, die gegen Wolfgang Petersens „Troy“ vorgebracht worden sind, betreffen die fast vollständige Streichung der Götter und diverse Aussagen der Protagonisten des Films zur Religion. So kann es nicht verwundern, dass Martin M. Winkler sich im fünften Kapitel (S. 108–164) sehr ausführlich mit dieser Problematik auseinandersetzt und dabei aufzeigt, dass manches, was am Film als unhomerisch kritisiert wurde, durchaus mit Ilias und Odyssee in Übereinstimmung zu bringen ist. Darüber hinaus hält Winkler fest, dass einige Aspekte zwar tatsächlich nicht mit der homerischen Dichtung übereinstimmen, dafür aber zumindest teilweise zu den Überlegungen verschiedener griechischer Denker und Philosophen passen, wodurch der Film letztlich der Denkweise der antiken Griechen näherkommt als viele Kritiker wahrhaben wollen.

Es folgen drei Studien, die sich jeweils auf bestimmte Charaktere konzentrieren. Den Anfang macht in Kapitel 6 (S. 165–179) Horst-Dieter Blume mit einer Untersuchung der Darstellung von Achilles und Patroklos, die etwas zu deskriptiv ausfällt und daher leider weniger zur Analyse des Films beiträgt als möglich gewesen wäre. Bruce Loudens Auseinandersetzung mit Odysseus in Kapitel 7 (S. 180–190) führt zu dem Ergebnis, dass die Darstellung des Königs von Ithaka in „Troy“ im Wesentlichen der homerischen entspricht, wobei auch einige Elemente aus der Odyssee eingeflossen sind. Im achten Kapitel (S. 191–202) widmet sich Barbara P. Weinlich der Briseis, deren Charakter im Director’s Cut von „Troy“ im Vergleich zur Kinoversion eine deutliche Aufwertung erfahren hat, die Weinlich unter anderem auch auf die zeitgenössischen politischen Gegebenheiten in den USA zurückführt.

Antonio M. Martín-Rodríguez untersucht in Kapitel 9 (S. 203–223) im Anschluss an spannende Überlegungen zu Antikenrezeption und Populärkultur hinsichtlich der eigentlichen Eroberung von Troja intertextuelle Elemente, wobei er sich einerseits auf Virgils Aeneis und andererseits auf eine Auswahl von Filmen konzentriert, die vor „Troy“ veröffentlicht wurden. Am Ende folgt ein Plädoyer dafür, Werke der Populärkultur nicht zuletzt auch wegen ihrer Massenwirkung wissenschaftlich ernst zu nehmen und zu respektieren.

Jon Solomon zeichnet im zehnten Kapitel (S. 224–254) die Bedeutung der Troja betreffenden Sagen und besonders der Ilias in der Populärkultur ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert nach. Dabei stellt Solomon fest, dass die Ilias zunächst zwar aus naheliegenden Gründen von den Ausgrabungen Heinrich Schliemanns und Wilhelm Dörpfelds profitierte, dadurch aber gleichzeitig entmythologisiert und für künstlerische Ansätze uninteressant wurde. Hinzukommt, dass sich die Ilias mangels einer Lovestory et cetera anders als die Odyssee inhaltlich nicht besonders gut dafür eignete, ein fester Bestandteil der Populärkultur zu werden, was sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts durch verschiedene Filmproduktionen ändern sollte.

Den Abschluss des Bandes bilden schließlich Gedanken Martin M. Winklers zur vielgestaltigen Omnipräsenz Homers im Kino (S. 255–263), eine Bibliographie (S. 265–277), ein Index der erwähnten Filme und TV-Produktionen (S. 278–280) sowie ein allgemeiner Index (S. 281–284).

Besonders bei Winklers Beiträgen wird mehr als deutlich, dass diese aus der Perspektive eines Filmliebhabers geschrieben sind, dem es offensichtlich sehr am Herzen liegt, „Troy“ die Aufmerksamkeit und Anerkennung zukommen zu lassen, die der Film seiner Meinung nach verdient. Diese Begeisterung für das Thema mag dazu geführt haben, dass der Sammelband hier und da vielleicht ein wenig über das Ziel hinausschießt, doch ändert dies nichts daran, dass ein Teil der Untersuchungen wichtige Beiträge zur direkten Analyse und Interpretation des Films bietet, während ein anderer Teil sehr hilfreich ist, wenn es darum geht, „Troy“ rezeptionsgeschichtlich einzuordnen. Somit ist der Sammelband insgesamt betrachtet als durchaus gelungen zu bezeichnen, auch wenn man sich hier und da vielleicht gewünscht hätte, dass die bereits vorhandene Literatur zum Thema etwas intensiver eingepflegt worden wäre.

Wenn ein Film jedenfalls Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einer solchen Vielzahl von spannenden Untersuchungen inspiriert, wie es mittlerweile bei „Troy“ der Fall ist, bleibt nur zu hoffen, dass gelegentlich noch weitere Produktionen von ähnlichem Niveau ins Kino kommen, zumal die Bedeutung dieser Filme hinsichtlich der Vermittlung von mit der Antike verbundenen Thematiken wohl kaum zu überschätzen ist.

Anmerkungen:
1 Winkler hat bereits zuvor einen Sammelband zu „Troy“ veröffentlicht: Martin M. Winkler, Troy. From Homer’s Iliad to Hollywood Epic, Oxford 2007.
2 Es handelt sich bei diesem Kapitel um eine überarbeitete und aktualisierte Form eines Beitrags, der zuvor bereits an anderer Stelle publiziert worden ist: Wolfgang Kofler / Florian Schaffenrath: Petersens epische Technik. Troja und seine homerische Vorlage, in: Stefan Neuhaus (Hrsg.), Literatur im Film. Beispiele einer Medienbeziehung, Würzburg 2008, S. 313–330.

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