D. Goetze: Die kaiserlichen Korrespondenzen 1648–1649

Cover
Titel
Die kaiserlichen Korrespondenzen 1648–1649.


Herausgeber
Goetze, Dorothée
Reihe
Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. A, 10
Erschienen
Münster 2015: Aschendorff Verlag
Anzahl Seiten
CXVII, 754 S.
Preis
€ 118,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lena Oetzel, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg

Fast fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bandes der kaiserlichen Korrespondenzen des Westfälischen Friedenskongresses findet diese Reihe nun mit der von Dorothée Goetze bearbeiteten Edition ihren wohlverdienten Abschluss.1 Damit lässt sich jetzt die Innenperspektive der kaiserlichen Partei, wie sie die Korrespondenzen der kaiserlichen Gesandten untereinander, mit dem Kaiserhof sowie die zum Teil ebenfalls aufgenommenen Gutachten der kaiserlichen Räte darstellen, für den gesamten Zeitraum der Beratungen in Münster und Osnabrück von 1643 bis 1649 erhellen. Für Fragen nach der Art und Weise, wie über Krieg und Frieden in der Frühen Neuzeit verhandelt wurde, ist dies eine exzellente Grundlage.

Der Band reicht vom September 1648 bis zur Ratifikation der Verträge am 18. Februar 1649 und deckt damit zwei verschiedene Phasen ab: Die erste Phase verlief bis zur Unterzeichnung der Verträge am 24. Oktober 1648, während die zweite Phase vom Warten auf die Ratifikation geprägt war. Entsprechend gliedert Goetze auch ihre umfangreiche und detaillierte Einleitung in zwei Teile, die die militärische und politische Lage, die zentralen Akteure und den Verhandlungsgang beleuchten.

Der Band macht deutlich, dass der Kongress mitnichten mit der Unterzeichnung der Verträge im Oktober 1648 endete, wie die gefeierten Jubiläen, die sich auf dieses Datum konzentrieren, oft suggerieren – letztmals 1998. Vielmehr bildete erst die Ratifikation im Februar 1649 den Abschluss, und auch dann dauerte es noch geraume Zeit, bis alle Gesandten aus Münster und Osnabrück abgereist waren, auch wenn dies in dem vorliegenden Band nicht mehr dokumentiert wird. Gerade in dieser letzten Phase vor der Ratifikation ging es aber noch einmal verstärkt um die Frage der Demobilisierung sowie die Zession des Elsass. Auch rückten die nicht abgeschlossenen spanisch-französischen Verhandlungen wieder in den Fokus, die aber innerhalb dieser Edition nicht berücksichtigt wurden, da die Bearbeiterin sie als „thematisch eigenständig“ (S. CVI) wertet; dennoch liefert sie in der Einleitung einen Überblick über den Verlauf. Dieses Vorgehen erscheint angesichts des großen Umfangs des Bandes sinnvoll.

In einer qualitativen und quantitativen Auswertung der Korrespondenzen (vgl. die Tabelle auf S. CXII–CXVII) bestätigt Goetze, wie sehr sich die kaiserliche Partei in dieser Schlussphase der Unterredungen ins „Verhandlungsabseits“ (S. LXXI) begeben hatte. So weist Goetze nach, dass trotz eines augenfällig hohen Weisungsbedarfs von Seiten der Kongressgesandten deutlich weniger inhaltlich substantielle Schreiben vom Kaiserhof abgingen, man also die Gesandten nicht entsprechend instruierte, so dass diese den Reichsständen die Verhandlungsinitiative überlassen mussten (S. LXXIf.). Eine solche quantitative Betrachtung der Korrespondenz erweist sich damit als eine sinnvolle Ergänzung zur qualitativen Analyse. Beides ermöglicht diese Edition.

Bedenkt man die schwierige Position der kaiserlichen Gesandtschaft, die eben nicht mehr das Verhandlungsgeschehen mitbestimmte, sondern auf die Informationen Dritter angewiesen war, wird die begrenzte Perspektive evident, die die Quellengattung der kaiserlichen Korrespondenzen liefert. Entsprechend lässt sich, wie Goetze betont, diese letzte Verhandlungsphase auch nur schwer aus den Korrespondenzen ablesen (S. LXXI). Für die Forschung ist dies als Aufforderung zu verstehen, sich verstärkt mit den Grenzen und Erkenntnispotentialen, also der Medialität diplomatischer Korrespondenzen auseinanderzusetzen: Das dominierende Bild des Kongresses ist stark durch die vorliegenden Editionen der Acta Pacis Westphalicae geprägt, vor allen Dingen eben durch die nunmehr zehn Bände der kaiserlichen Korrespondenzen. Dies kann aber zu einer Einengung der Perspektive und damit des Erkenntnispotentials führen. Umso wichtiger ist es, die Quellen zu kontextualisieren, beispielsweise mit den bereits edierten Protokollen des Fürstenrates Osnabrück oder mit Diarien von Gesandten.2

Editionstechnisch schließt der vorliegende Band an den hohen Standard der Reihe an. Folglich finden sich auch wieder das bewährte chronologische Register, das es dem Nutzer erlaubt, über die Edition hinaus einen Blick auf den Umfang der unedierten Archivbestände zu werfen, sowie das mehrstufige kombinierte Personen-, Orts- und Sachregister. Im Vergleich zu vorherigen Bänden weicht dieser allerdings in einigen wesentlichen Punkten von den bisherigen Editionsregeln ab. So wurden bewusst Militaria, Persönliches und Finanzen aufgenommen, anstatt diese wie bisher üblich zu registrieren. Goetze will hiermit den „gewandelten Forschungsinteressen […] Rechnung […] tragen“ (S. CV). Dies ist ausdrücklich zu begrüßen. Die Kommentierung ist gewohnt umfangreich und hilfreich.

Tatsächlich erweisen sich gerade die Fußnoten als wahre Fundgrube, wenn man versuchen will, die angesprochenen perspektivischen Grenzen der kaiserlichen Korrespondenzen zu durchbrechen. An dieser Stelle sei nur ein Beispiel genannt: So stellt Goetze der kaiserlichen Beschreibung der Ratifikation der Verträge in einer Fußnote die entsprechende Beschreibung des braunschweigischen Gesandten Jakob Lampadius gegenüber (Nr. 175, S. 618f., FN 11). Überhaupt enthält der Band viele Details, die im Sinne der Neuen Diplomatiegeschichte einen Einblick in die Alltags- und Arbeitswelt der Gesandten ermöglichen, wie etwa ein Faksimile, anhand dessen erkennbar wird, wie der kaiserliche Gesandte Isaak Volmar versuchte, einen aus Versehen verloren gegangenen Chiffreschlüssel zu rekonstruieren. Goetze bezeichnet Volmars Randzeichnung als frühe Form der heutigen „Telefonkritzeleien“ (S. LXVI, CXI).

Schließlich bleibt noch zu wünschen, dass auch dieser Band mittelfristig in das Portal APW-digital3 integriert oder zumindest online zugänglich gemacht wird. Erst dann lässt sich das enorme Potential, das sich mit dem Abschluss der Reihe der kaiserlichen Korrespondenzen und deren weitgehender digitaler Zugänglichkeit und Durchsuchbarkeit bietet, voll ausschöpfen.

Anmerkungen:
1 Der erste Band erschien 1969: Wilhelm Engels (Bearb.), Acta Pacis Westphalicae, Serie II A: Die kaiserlichen Korrespondenzen, Bd. 1: 1643–1644, Münster 1969. Die Reihe der schwedischen Korrespondenzen liegt bereits abgeschlossen vor. Es wäre wünschenswert, dass auch die Edition der französischen Korrespondenzen, bei denen nur noch der letzte Band fehlt, fertiggestellt würde, da dann die Korrespondenzen der drei Signatarmächte der Instrumenta vom 24. Oktober 1648 vorlägen.
2 Maria-Elisabeth Brunert (Bearb.), Acta Pacis Westphalicae, Serie III A: Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück, Bd. 3/1–7, Münster 1998–2013. Zwar sind in der Reihe Acta Pacis Westphalicae, Serie III C: Diarien ausgewählte Diarien ediert, allerdings sind noch diverse reichsständische Diarien vorhanden, deren Edition lohnenswert wäre.
3 Acta Pacis Westphalicae: <http://apw.digitale-sammlungen.de> (11.12.2015).

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