K. Welch (Hrsg.): Appian's Roman History

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Titel
Appian's Roman History. Empire and Civil War


Herausgeber
Welch, Kathryn
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 403 S.
Preis
£ 62,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kordula Schnegg, Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik, Universität Innsbruck

Die Römische Geschichte des Appian aus Alexandrien stellt eine Besonderheit in der römischen Historiographie dar. Unabhängig davon, ob man Appian eher als „Abschreiber“ oder aber als „eigenständigen Historiographen“, als „ungenau arbeitenden Autor“ oder „innovativen Literarten“ bewertet, die Zusammenstellung des Stoffes (mit Fokus auf das Römische Reich als Einheit ohne die Stadt Rom zum Zentrum der Erzählung zu machen) und die Autorintentionen machen deutlich, wie stark sich die Römische Geschichte des Ägypters etwa von der senatorischen Geschichtsschreibung eines Tacitus oder eines Cassius Dio unterscheidet.1 Für die Forschung ist Appians Werk von großem Wert, bietet es doch Einblicke in den Umgang mit der Vergangenheit eines „Weltreiches“ aus der Sicht eines Ägypters, der sich für seine Geschichtsdarstellung der griechischen Sprache bedient und für den die Alleinherrschaft im Römischen Reich ausnahmslos positiv ist.2

Die Forschungsposition, dass Appian einen innovativen Ansatz in seinem historiographischen Werk verfolgt, vertreten alle Autor/innen des hier zu besprechenden Sammelbandes, der aus der internationalen Tagung zum Thema „Appian and the Romans“ (veranstaltet an der University of Sydney im Juni 2010) hervorging. In sechzehn Beiträgen wird den Vorstellungen Appians vom Römischen Reich als politische Macht bzw. von den Bürgerkriegen als notwendige Voraussetzung für die Kaiserzeit nachgegangen.3 Die Autor/innen des Sammelbandes zeichnen sich als renommierte Appian-Forscher/innen und profunde Kenner/innen der antiken Historiographie aus bzw. sind als Spezialisten für europäische Ideengeschichte zu bezeichnen (siehe etwa Andrew G. Bonnell, A ‚very valuable book‘: Karl Marx and Appian, S. 15–21).

Der Sammelband präsentiert sich als wohldurchdachte Komposition. Dies zeigt sich etwa in der Anordnung der einzelnen Beiträge: Die Publikation wird mit einer Erörterung neuer Perspektiven für die Appian-Forschung eröffnet (Kathryn Welch, Appian and the Roman History: a reappraisal, S. 1-13) und mit einer auf das Leben Appians konzentrierten Beitrag geschlossen (Kai Brodersen, Epitaphios: Appianos and his treasured Eutychia thesaurizein ten eutychian, S. 341–350). Die Reflexionen über die Appian-Forschung und über Appian als historische Person und Autor bilden gleichsam eine Klammer, welche die weiteren Detailstudien in ihren spezifischen Fragestellungen und methodischen Herangehensweisen umfassen. Der Herausgeberin gelingt es dabei dem Spannungsverhältnis zwischen dem Anliegen einer gewissen Einheitlichkeit für den Sammelband und der notwendigen Eigenständigkeit der einzelnen Beiträge Rechnung zu tragen (Preface, S. IXf.), indem alle Detailstudien auf zwei übergeordnete Fragestellungen Bezug nehmen, nämlich was Appian zu erzählen hatte und wie Appian die Erzählung gestaltete. Die Behandlung dieser Fragen erfolgt zunächst im Hinblick auf die Quellen, die Appian für seine Darstellung verwendete (erörtert etwa von Richard Westall, The sources for the Civil Wars of Appian of Alexandria, S. 125–167). Darüber hinaus wird die Position Appians in der antiken Historiographie diskutiert, so etwa von Josiah Osgood (Breviarium totius imperii: the background of Appianʼs Roman History, S. 23–44), Jonathan J. Price (Thucydidean stasis and the Roman Empire in Appianʼs interpretation of history, S. 45–63), John Rich (Appian, Polybius and the Romansʼ war with Antiochus the Great: a study in Appianʼs sources and methods, S. 65–123) und Kathryn Welch (Programme and narrative in Civil Wars 2.118–4.138, S. 277–304). Ebenso geht es um die Frage nach den Möglichkeiten, die Appians Werk den Forschenden zur (Re-)Konstruktion historischer Ereignisse und Prozesse bietet, so etwa diskutiert von Fiona Tweedie (Appianʼs characterisation of Scipio Aemilianus, S. 169–184), Eleanor Cowan (Deceit in Appian, S. 185–203), Luke Pitcher (The erotics of Appian, S. 205–219), Martin Stone (Tiberius Gracchus and the nations of Italy, S. 221–234), Kit Morrell (Appian and the judiciary law of M. Livius Drusus [tr. pl. 91], S. 235–255), Tom Stevenson (Appian on the Pharsalus campaign: Civil Wars 2.48–91, S. 257–275) und Bronwyn Hopwood (Hortensia speaks: an authentic voice of resistance?, S. 305–322). Schließlich wird auch der Einfluss der Editoren und der Übersetzer des antiken Textes auf die historische Deutung des Werkinhalts diskutiert (so von Anton Powell, Appian: canary in the mine of Roman history? Modern translations, and the history of the triumviral period, S. 323–340).

Die von der Rezensentin eingangs formulierte ambivalente Einschätzung des Appianschen Werkes wird auch im Sammelband thematisiert, jedoch wird diese weder auf zwei Extrempositionen (im Sinne von nützlich versus nutzlos für die altertumswissenschaftliche Forschung) reduziert, noch werden die einzelnen Bewertungen als konträr und sich gegenseitig ausschließend betrachtet.4 Vielmehr steht das Werk Appians als Ganzes im Vordergrund, das eben verschiedene Qualitäten aufweist. So werden etwa die Erzählstrategien des Autors und sein Umgang mit den Quellen in den Detailstudien kritisch beleuchtet. Dabei werden Ungenauigkeiten hinsichtlich der Darstellung von Ereignissen deutlich zur Sprache gebracht, aber auch die innovativen Ansätze im Hinblick auf die Gesamtkomposition benannt.5

Mit dem Blick auf das Gesamtwerk wird es möglich, Appian als Griechisch schreibenden Historiographen der Kaiserzeit erfassen und seine spezielle Geschichtsauffassung skizzieren zu können6 – um es mit den Worten der Herausgeberin deutlich zu machen: „Appian chose to examine the creation of his world by way of its component parts […] His unique method of narrating the history of Rome allowed him to develop a scientific approach to the unification of the world.“ (S. 10) Der exzellent gestaltete Sammelband bietet neue Erkenntnisse vor allem in Hinblick auf Appians Werk als Produkt seiner Entstehungszeit und in Hinblick auf die Darlegung der römischen Geschichte in griechischer Sprache. Er stellt eine Bereicherung für die Forschungen zu Appian und zur römischen Geschichtsschreibung dar.

Anmerkungen:
1 Appian bringt einzelne Ungenauigkeiten (hinsichtlich der römischen Namen und der fehlenden Zeitangaben) in seinem Werk selbst zur Sprache, siehe dazu etwa Pr. 13,50–52. Der Autor hält schon zu Beginn seines Werkes fest, was ihn zur Darlegung seiner Römischen Geschichte bewegt hat: Es ist sein besonderes Interesse an der römischen Tüchtigkeit, die er „mit der jedes einzelnen anderen Volkes“ genau vergleichen will (Pr. 12,48); da er zudem davon ausgeht, dass auch andere Personen aus dieser Perspektive über die römische Geschichte informiert werden wollen, fasst er sein Werk „nach einzelnen Völkern gesondert ab“ (Pr. 13,49; deutsche Übersetzung nach: Appian aus Alexandria, Römische Geschichte, Bd. 1: Die römische Reichsbildung, übers. v. Otto Veh, durchgesehen, eingeleitet und erläutert v. Kai Brodersen, Stuttgart 1987). Für die Bücher über die Bürgerkriege macht Appian darüber hinaus deutlich, dass er für diese Phase der römischen Geschichte den Blick auf den „maßlosen Ehrgeiz von Menschen, ihre fürchterliche Herrschsucht, ihre unermüdliche Hartnäckigkeit und die zahllosen Erscheinungsformen des Bösen“ lenkt (E1 6,24. Die deutsche Übersetzung erfolgt nach: Appian aus Alexandria, Römische Geschichte, Bd. 1: Die römischen Bürgerkriege, übers. v. Otto Veh, durchgesehen, eingeleitet und erläutert v. Wolfgang Will, Stuttgart 1989).
2 Deutlich wird dies im Proömium (Pr. 7,26–11,44). Thematisiert im Sammelband u.a. von Osgood, Breviarium, S. 23f.
3 Siehe App. Pr. 7,24 und E1 2,5–3,9; 6,24. Thematisiert im Sammelband u.a. von Welch, Programme, S. 277–304; Westall, sources, S. 125–167.
4 So zu finden vor allem in der älteren Forschungsliteratur, was im Sammelband von Welch, S. 1–13, besprochen wird.
5 Siehe z.B. Welch, reappraisal, S. 9f.; Rich, sources, S. 69–72.
6 Damit reiht sich die Publikation in ein Forschungsfeld, das Appian primär als zeitgebundenen Historiographen und Literaten begreift und das etwa seit den 1980er-Jahren Konjunktur hat (die Literatur dazu ist umfangreich aufgelistet in der Bibliographie des Sammelbandes, S. 351–376).

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