A. M. Wu: From Christ to Confucius

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Titel
From Christ to Confucius. German Missionaries, Chinese Christians, and the Globalization of Christianity, 1860–1950


Autor(en)
Wu, Albert Monshan
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 335 S.
Preis
$ 85.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claudia von Collani, Würzburg

Auf den ersten Blick hin erscheint der Titel merkwürdig. Normalerweise, so nimmt man an, müsste es heißen: von Konfuzius zu Christus, d.h. vom chinesischen Konfuzianismus zum Christentum. Doch die auf den ersten Blick verblüffende Umkehrung ist als Programm sehr bewusst gewählt, zeigt sie doch einen gewissen Lernprozess von Seiten der Europäer gegenüber der chinesischen Kultur und der chinesischen Christen gegenüber den politischen Verhältnissen in ihrem Land an. Der Verfasser des Buches, Albert Monshan Wu, Assistant Professor für Geschichte an der American University of Paris, präsentiert daher mit seinem Buch einen Paradigmenwechsel. Seine These lautet, dass entgegen der modernen Missionsgeschichtsschreibung die Missionare der verschiedenen Kirchen und Denominationen den chinesischen Philosophen Konfuzius als Prototypen des Repräsentanten einer „heidnischen“ Religion keineswegs immer als negativ betrachteten, sondern dass sich sein Bild in ihren Augen im 20. Jahrhundert wandelte. Verständlicherweise nimmt Wu seine Beispiele aus der Chinamission der Zeit von 1860 bis 1950, wobei er deutsche Chinamissionare einsetzt. Es sind dies Missionare aus der protestantischen Berliner Missionsgesellschaft (BMS) und aus der katholischen Missionskongregation der Steyler Missionare (SVD = Societas Verbi Divini). Gegenüber den Missionaren der englischsprachigen Missionen in China wurde ihre Tätigkeit häufig übersehen, wahrscheinlich vor allem wegen Mangels an Deutschkenntnissen, vielleicht auch wegen der fehlenden Anerkennung Deutschlands, das einer der Verlierer des 1. Weltkrieges war. Während die Steyler Missionare, 1875 während des Kulturkampfes gegründet, mit Josef Freinademetz und Johann Baptist Anzer 1881 in Süd-Shandong ankamen, gelangten Mitglieder der Berliner Missionsgesellschaft, gegründet 1824, im Jahr 1882 nach China.

Gemeinhin wechselte in der Missionsgeschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts die Darstellung der zu bekehrenden Völker von einer Beschreibung als unwissende Heiden, denen die guten, heroischen Missionare unter vielen Opfern den rechten Glauben bringen bis hin zu einer recht kritischen Betrachtung der Missionstätigkeit der Neuzeit. Meist wird in dieser neueren Geschichtsschreibung die Mission der Jesuiten von Ende des 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts als Paradebeispiel einer gelungenen kulturellen Anpassung der Mission bis hin zu einem Wissenschafts- und Kulturaustausch auf gleicher Ebene beschrieben, wobei die eigentliche Missionstätigkeit dann sogar etwas in den Hintergrund rückt. Die Missionstätigkeit des 19. Jahrhunderts wurde dagegen als unter dem Imperialismus und Kolonialismus der Westmächte stehend interpretiert, woran die Mission letztendlich gescheitert sei. Wu setzt dem seine eigene These entgegen. Zwar waren die Missionare katholischer und protestantischer Prägung zunächst sehr von ihrer Sendung überzeugt, den armen, unwissenden Heiden den wahren Glauben zu bringen und sie so vor der Verdammnis zu retten, doch durchliefen sogar einzelne Missionare während ihres Chinaaufenthaltes einen Lernprozess. Die chinesischen Kirchen wurden unter dem großen Druck der politischen Umwälzungen in China und mit starker Förderung der Propaganda Fide in Rom zu einheimischen Kirchen.

Der chinesische Philosoph Konfuzius wurde schon im 17. Jahrhundert von den Jesuiten in China für das Abendland „entdeckt“. Seine Bedeutung und Rolle für den chinesischen Staatskonfuzianismus war überragend, kein Weg führte an ihm vorbei. Seine Verehrung wurde von den Jesuiten nicht als religiös, sondern als rein säkularer Akt der Dankbarkeit interpretiert, weshalb chinesische Christen der Oberschicht Konfuzianer und Christen zur gleichen Zeit sein konnten. Allmählich deuteten die Jesuiten ihn dann zu einer Art Vorläufer und Künder des (später kommenden) Christentums um, um so den Chinesen den Weg zum Christentum zu erleichtern. In der europäischen Aufklärung wurde er dann wieder zu einem rein säkularen, doch hoch moralischen Philosophen, der bewies, dass Werte und Ethik auch ohne Christentum möglich sind. Mit dem Beginn der Sinophobie Ende des 18. Jahrhunderts wandelte sich das Bild Chinas in Europa wiederum. China wurde zu einem verkrusteten, engstirnigen Reich, das sich jeder Öffnung widersetzte. Dabei wandelte sich auch die Rolle des Konfuzius wieder. Für die seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Schutz der Westmächte neu ankommenden Missionare wurde er zum Paradebeispiel des verpönten, primitiven Heidentums schlechthin. Seine Verehrung sei, so die Missionare, reiner, unwissender Aberglaube. So äußerten sich katholische und protestantische Missionare, wie der Steyler Missionar Georg Stenz (1869–1928) im Jahr 1902 und der protestantische Missionar Carl Johann Voskamp (1859–1937) von der Berliner Missionsgesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Erstaunlicherweise änderte sich jedoch diese Einstellung nach dem 1. Weltkrieg. Die Berichte über Konfuzius und seine Nachkommen wurden von den Steylern durchweg positiv gesehen, es entwickelte sich sogar eine religiöse sinisierte Kunst bei den Steylern. Die Gründe für diese Wandlung zum Positiven sind nach Wu vor allem die Entdeckung neuer Bedrohungen für die Mission, nämlich durch Säkularismus, Materialismus, Faschismus und Kommunismus. Gegen diese erschien Konfuzius als ein geeigneter Verbündeter, d.h. man wollte sich nun bewusst an die chinesische Kultur anpassen. So waren die Missionare, als sie 1950 China verlassen mussten, zu eifrigen Verteidigern des Konfuzianismus geworden. Vor allem die chinesischen Christen selbst suchten nach Übereinstimmungen, denn sie sahen sich mitverantwortlich für das Schicksal ihrer Nation. Diese Wandlung ging einher mit einem Paradigmenwechsel dessen, was Mission bedeutet.

Nach dem 1. Weltkrieg und mit der Enzyklika „Maximum Illud“ Benedikts XV. aus dem Jahr 1919 gab es nun auch von Seiten des Hl. Stuhls neue Anreize, aus der chinesischen Mission eine chinesische Kirche zu bilden. Obwohl die europäischen Missionare nicht immer davon überzeugt waren, dass die Zeit für eine chinesische Kirche schon reif sei, gingen jedoch, befördert von der Propaganda Fide, immer mehr Teile der Mission in die Hände von Chinesen über. Zwei chinesische protestantische Theologen, nämlich Ling Deyuan, Pastor der Berliner Missionsgesellschaft, und der Gelehrte Chen Yuan dienen dem Autor als Beispiele, den schwierigen Weg des chinesischen Christentums in den Zeiten des Umbruchs nachzuvollziehen, wobei die Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei mittels der Drei-Selbst-Bewegung notwendig wurde. Chen Yuan arbeitete vor allem mit der Fu Jen-Universität in Beijing zusammen, die seit 1933 von den Steyler Missionaren geleitet wurde; er war bis zu ihrer Schließung 1952 Präsident der Universität. Diese förderten besonders die chinesisch-westliche Zusammenarbeit, etwa in der wissenschaftlichen Zeitschrift Monumenta Serica, an deren Leitung Chen beteiligt war. Beide Theologen mussten sich mit verschiedenen Gegnern aus ihrer Umgebung auseinandersetzen, mit radikalen, politisch aktiven Gruppierungen, mit den ausländischen Missionaren, die meist noch die Geldgeber waren, und mit einer nationalistischen Regierung, der die Aktivitäten der beiden suspekt waren.

Mit seinem Buch will Albert Monshan Wu zeigen – was ihm auch ausgezeichnet gelingt – dass die Missionsarbeit und das chinesische Christentum der modernen Zeit auch positive Züge hatte. Die Missionare waren nicht ausschließlich arrogante, überhebliche Ausländer, die mit dem Imperialismus nach China gekommen waren und dann die Chinesen bevormundeten, sondern auch sie waren lernbereit und versuchten einen neuen Zugang zur chinesischen Kultur zu bekommen. Die chinesischen Christen wiederum mussten ihren Platz in einer Gesellschaft mit vielen Umbrüchen suchen, und ebenso ihren Platz in der Weltkirche. Beides gelang ihnen trotz aller Schwierigkeiten. Damit kann das chinesische Christentum des 20. Jahrhunderts keineswegs als Fehlschlag betrachtet werden, sondern es konnten sich trotz oder wegen aller Widerstände lebendige Kirchen entwickeln.