St. Knetsch: Das konzerneigene Bankinstitut

Titel
Das konzerneigene Bankinstitut der Metallgesellschaft im Zeitraum von 1906 bis 1928. Programmatischer Anspruch und Realisierung


Autor(en)
Knetsch, Stefanie
Reihe
Beiträge zur Unternehmensgeschichte 6
Erschienen
Stuttgart 1998: A. Francke Verlag
Anzahl Seiten
VII+306 S.
Preis
DM 96,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reinhold Zilch, Berlin

Die hier vorzustellende Bonner philosophische Dissertation aus dem Jahre 1997 beschreitet in der Finanzgeschichtsschreibung Neuland: einmal ist es die erste monographische Darstellung des unter dem Namen Berg- und Metallbank bzw. später nur Metallbank firmierenden eigenen Bankinstituts der Metallgesellschaft, und zum anderen wird erstmals ausführlich der Typus der sog. Konzernbanken als eine eigene Unternehmensgruppe untersucht. Dabei ist es entsprechend dem Untertitel der Arbeit Anliegen der Autorin, den vom Firmengründer Wilhelm Merton formulierten programmatischen Anspruch bei der Schaffung einer Firmentochter der Metallgesellschaft zur Deckung ihres hohen Kapitalbedarfs sowie zur zentralen Kontrolle vor allem der Bergbau- und Börsenaktivitäten des Konzerns der tatsächlichen Geschäftsentwicklung gegenüberzustellen.

Der Einleitung, die Fragestellung, Methodik und Aufbau der Arbeit sowie Forschungsstand und Quellen beschreibt (S. 1-17), schliesst sich das "Banktheoretischer und bankhistorischer Kontext" genannte 2. Kapitel (S. 18-22) an. So erfreut auch ein Nichtspezialist grundlegende Erläuterungen zur Kenntnis nehmen wird, ist zu fragen, ob nicht manche Definition aus allgemein zugänglichen Handbüchern hätte gespart werden können. Anzumerken bleibt schliesslich ein sich vom Duktus der übrigen Arbeit absetzender, dozierender Stil mit einigen Begriffsbestimmungen, die einen Zeithorizont von hunderten Jahren haben und damit über das didaktische Ziel weit hinausschiessen.

Im 3. Kapitel werden "Entwicklungshintergrund und geschäftspolitische Zielsetzungen des konzerneigenen Bankinstituts der Metallgesellschaft" (S. 23-52) analysiert. Hierzu gehören faktengesättigte Ausführungen zur Vorgeschichte und Gründung der Metallbank selbst sowie die Erläuterung der Vorstellungen Mertons. Diese Passagen fussen vor allem auf mehreren programmatischen Schriften von ihm, und es ist verdienstvoll, daß drei Dokumente im Anhang ediert werden (S. 251-263).

Das zweigeteilte 4. Kapitel "Die Umsetzung der Gründungsziele der geplanten Konzernbank" macht den Hauptteil der Arbeit aus (S. 53-226). Auf rund 50 Seiten wird "Die Berg- und Metallbank in ihrer Funktion als Holdinggesellschaft (1906 bis 1910)" von der direkten Gründung über die Börseneinführung bis hin zur Geschäftsführung in den ersten fünf Jahren beschrieben und schlüssig mit innerer Logik herausgearbeitet, warum die Entwicklung der Firma nicht voll den Intentionen ihres geistigen Vaters entsprach und am Ende eines intensiven Meinungsbildungsprozesses eine Reform zu einer Industriegesellschaft in Form der Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft stand. Deren Schicksal vor allem auch während des Ersten Weltkriegs und in der Nachkriegsinflation sowie unter den Verhältnissen der Stabilisierung in der Weimarer Republik wird auf den Seiten 106 bis 226 eingehend beschrieben. Das 5. Kapitel schliesslich (S. 227-241) ist der finanzwissenschaftlichen Debatte zwischen Merton und dem unter Zeitgenossen gut bekannten Ökonomen Robert Liefmann um die Rolle von Konzernbanken in der Entwicklung von Finanzkapitalismus und Imperialismus gewidmet. Dabei vermag die Autorin aufgrund ihrer genaün Materialkenntnis einige Details in den Darstellungen Liefmanns zu präzisieren (z. B. S. 239).

Die Monographie beruht auf einer breiten Quellenbasis. Neben der Literatur zur Metallbank sowie über Wilhelm Merton ist vor allem die erstmalige breite Auswertung des heute im Hessischen Wirtschaftsarchiv Darmstadt verwahrten umfangreichen Firmenarchivs zu nennen. Vor allem die Gegenüberstellung der veröffentlichten Bilanzen zu den internen gewährt dabei sehr aufschlussreiche Einblicke in die konkrete Arbeitsweise solcher Grossfirmen, und es liest sich spannend, wenn verschiedentlich vor allem aus dem Schriftwechsel Mertons Aussagen zu den tatsächlichen Motiven für konkrete Geschäfte oder derartige Bilanzmanipulationen mitgeteilt werden. In anderen Fällen wirken einzelne Passagen jedoch mehr wie eine Aneinanderreihung von Beschreibungen zu den einzelnen Bilanzposten.

In der Konzentration auf den beschriebenen Quellenfundus sowie auf die Person Mertons liegen nun aber nicht nur Vorzüge der Arbeit, sondern auch Grenzen. Diese sind vor allem darin zu sehen, daß die Entwicklung der Metallbank, wie bereits formuliert, im wesentlichen schlüssig und mit innerer Logik aus sich selbst heraus unter Berücksichtigung der Entwicklung des Gesamtkonzerns sowie der Ideen und Pläne Mertons erklärt wird, das volkswirtschaftliche Umfeld jedoch zu wenig Berücksichtigung findet. So wird die Gründung Ende 1905/Anfang 1906 im Zusammenhang mit einer Krise der Metallgesellschaft dargestellt (v. a. S. 41f.). Dabei bleiben aber nicht nur die Hintergründe ziemlich unterbelichtet, sondern es dominiert die Sichtweise Mertons über die von ihm kritisierten Fälle von Korruption, unfairem Verhalten usw., ohne daß die Autorin hierauf näher eingeht. Es reicht nicht, wenn weitere Details dem edierten Exposé von 1906 entnommen werden können, denn dessen Verfasser ist ja gerade Merton. Es ist nicht erkennbar, ob nicht wenigstens der Versuch unternommen wurde, unabhängige Quellen zur Verifizierung heranzuziehen. Darüber hinaus wird das Umfeld der Gründung recht vernachlässigt und nicht die Frage gestellt, inwieweit z. B. die in jener Zeit sich zunehmend überhitzende Konjunktur mit steigenden Diskontsätzen und damit zusammenhängenden allgemeinen Kapitalbeschaffungsproblemen hierauf Einfluss hatte. Die Auswirkungen des russisch-japanischen Krieges, die ebenfalls in der Wirtschaftspresse breit diskutiert wurden, finden weder Berücksichtigung als Faktoren, die die Ökonomien der beiden Länder sowie ihrer Hauptgläubigerstaaten belasteten, noch als Impulse vor allem auf dem Metallmarkt für Ersatz-, Nach- und Aufrüstungen der ehemals Kriegführenden sowie der grossen Bündnissysteme. Die Frage nach einer konjunkturellen Zwischenkrise für 1907 wird nicht diskutiert, wie auch die Bilanzdaten von 1913/14 mit denen der Vorjahre verglichen werden, ohne auf die Abschwächungen im Wachstum, die sich ab dem Jahreswechsel nachweisen lassen, zu verweisen.

Wenn nun für die Jahre 1914 bis 1918 versucht wird, die volkswirtschaftlichen, genauer kriegswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu skizzieren, so bleibt dieser Versuch unbefriedigend. Eine Aussage wie jene, daß "schon in den ersten Kriegsmonaten eine derart schnelle Steigerung der Metallpreise" einsetzte, "daß sich der Staat der Preisfestsetzung annahm und Höchstpreise für Metalle festlegte", ist ebenso unpräzise wie jene, daß die Kriegsmetall AG von Kriegsministerium gegründet wurde bzw. "im April 1915 eine allgemeine Bestandsanmeldung und Beschlagnahme der Metalle", von der zunächst "Zink und Blei sowie deren Legierungen nicht betroffen waren", erfolgte (S. 140f.).

Gerade für die Kriegszeit ist es bedauerlich, daß die archivalische Quellenbasis auf Deutschland beschränkt geblieben ist und anscheinend auch nicht der Versuch unternommen wurde, den zahlreichen, von der Autorin dokumentierten ausländischen Tochterunternehmen der Metallgesellschaft nachzuspüren. Ihr Schicksal wird allein aus der Überlieferung des Zentralarchivs der Metallgesellschaft beschrieben. Als feindliches Eigentum wurden sie aber in den Ententestaaten umfassend beobachtet, und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß es hierüber in den Staatsarchiven von Belgien, Frankreich, Grossbritannien, den USA und Canadas Akten gibt. Schliesslich ist die Frage zu stellen, ob es nicht sogar von den Tochtergesellschaften noch Akten oder Archivteile gibt, unter Umständen bei den ehemaligen Zwangsverwaltern oder neuen Eigentümern.

Der Band soll nicht aus der Hand gelegt werden, ohne auf einen in ihm enthaltenen, leider etwas verborgenen Schatz aufmerksam zu machen: Für nahezu alle wichtigen Persönlichkeiten in den Leitungen von Metallbank und Metallgesellschaft werden in Anmerkungen breit recherchierte Kurzbiographien geboten. Damit wird das Wissen über zahlreiche führende Industrielle und Bankiers des Wilhelminischen Deutschland sowie der Weimarer Republik erfreulich erweitert. Leider fehlt jedoch ein Personenregister, das einen schnellen Zugang ermöglicht.

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