K. Hurlock u.a. (Hrsg.): Crusading and Pilgrimage

Cover
Titel
Crusading and Pilgrimage in the Norman World.


Herausgeber
Hurlock, Kathryn; Oldfield, Paul
Erschienen
Woodbridge 2015: Boydell & Brewer
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 74,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Larissa Düchting, Department Geschichte, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg

Die Beschäftigung mit den Kreuzzügen ist in der historischen Forschung ein verbreitetes Thema, wobei in den letzten Jahren verschiedene Schwerpunkte ausgemacht werden konnten, etwa bei der Untersuchung von Gender und Kreuzzug oder auch im Rahmen transkultureller Studien.1 Die Auseinandersetzung mit einzelnen Kreuzzugsbeteiligten und -führern bringt es mit sich, dass man eine Gruppe in den Fokus rücken kann, wie im vorliegenden Sammelband, der die Normannen als Kreuzfahrer und Pilger zum Thema hat. Wie die Herausgeber in ihrer Einleitung aufführen, besteht dringender Forschungsbedarf, was einzelne Untersuchungen bezüglich der Normannen und ihrer Beteiligung am Kreuzzug beziehungsweise ihre Pilgerbereitschaft betrifft. Der Band versteht sich als „a first step“ (S. 2) und will zu weiteren Beschäftigungen anregen.

Dem vorangestellten Abkürzungsverzeichnis folgt eine Zeitleiste, welche die wichtigsten Daten der normannischen Geschichte und der Kreuzzüge beinhaltet, woran sich eine Karte mit Hervorhebung der normannischen Ländereien und Besitzungen anschließt, die für die folgenden Beiträge zur geographischen Orientierung hilfreich ist.

Die Einleitung (S. 1–10) bietet neben der Forschungsdiskussion und Hinweisen auf Forschungsdesiderate (S. 1f.) einen Überblick über die Expansion der Normannen und deren Eroberungen sowie einen Abriss der Geschichte der Kreuzzüge. Hieran schließt sich eine Zusammenfassung der folgenden vier Abschnitte an, in die das Werk thematisch untergliedert ist.

Der erste Abschnitt behandelt inhaltlich vor allem charakterliche Eigenschaften der Normannen, heldenhaftes Verhalten und die Unterwanderung des Kreuzzugs durch Flucht. In den Aufsätzen von William M. Aird (S. 13–29) und Alan V. Murray (S. 31–47) untersuchen die Autoren menschliches Verhalten im Angesicht ungeahnter Gefahren. So wird von Aird bereits in seiner Überschrift „Norman Courage and Cowardice on the First Crusade“ deutlich gemacht, dass sowohl Wagnis als auch Flucht im Ersten Kreuzzug eine bedeutende Rolle zukam. Um zu zeigen, wie sich dies in den Quellen widerspiegelt, rückt der Autor einige Personen in den Fokus der Betrachtung, wie beispielsweise Stephan von Blois, dem vorgeworfen wurde, den Kreuzzug aus Feigheit verlassen zu haben. Dabei bedient sich Aird neuer Forschungsmethoden und -felder, wenn etwa die Emotionsforschung fruchtbar gemacht wird. Von ihm wird aufgezeigt, dass die Normannen nicht mehr oder weniger mutig waren als die übrigen Kreuzzugsteilnehmer. Demgegenüber befasst sich Murray mit Bohemund von Tarent, einem der erfolgreichen Kreuzfahrerherren, dem es gelang, in Antiochia ein Fürstentum zu errichten. Dadurch trat er in Konkurrenz zum byzantinischen Reich, was sich in mehreren Schlachten ausdrückte. Aufgrund dieses Verhaltens und des eigenständigen Agierens des süditalisch-normannischen Heeres stellt Murray die These auf, dass Bohemund als Opportunist des Kreuzzuges gesehen werden kann, der lediglich seine eigenen Ziele im Blick hatte.

Thematisch rückt der zweite Abschnitt die Herkunftsländer der Normannen sowie die Beteiligung an anderen kriegerischen Unternehmungen jenseits der Kreuzzüge ins Zentrum. So beschäftigt sich Joanna Drell (S. 51–63) mit den italischen Normannen und deren Beziehung zu Kreuzzug und Heimat, hier als ‚homefront‘ bezeichnet. Sie fragt zunächst danach, warum nur wenige Normannen aus Süditalien am Kreuzzug teilnahmen. Drell begründet dies damit, dass die Normannen ihre in Süditalien erst kurz zuvor eroberten Gebiete nicht in Gefahr bringen wollten, indem sie sie temporär verließen, und auch ihre Handelsbeziehungen mit den Muslimen durch eine Kreuzzugsbeteiligung nicht verschlechtern wollten. Weiterhin zeigt sie, dass Süditalien selbst einem starken Einfluss durch den Kreuzzug ausgesetzt war, da die vermehrte Anzahl von Pilgern auf dem Weg in den Osten die Region durchzog und neue Handelskontakte mit der nun lateinisch beherrschten Levante aufgebaut wurden. Von Italien aus geht es im folgenden Beitrag nach England und Wales, wo Kathryn Hurlock (S. 65–79) die dortige normannische Beteiligung an den Kreuzzügen und deren Wirkung auf das Heimatland in Augenschein nimmt. Sie stellt heraus, dass es sich bei den Normannen nicht um eine einheitliche Gruppe handelte, auch wenn dies in den Quellen so dargestellt wurde. Eher gab es regionale Unterschiede, was sich auch im Kreuzzug zeigte, an dem nicht alle Normannen gleichermaßen interessiert waren. So waren die englischen Normannen erst ab dem Zweiten Kreuzzug in größerer Zahl beteiligt und vor allem beim Dritten Kreuzzug, der von ihrem König, Richard Löwenherz, angeführt wurde. Weiterhin werden von David S. Spear (S. 81–102) die Säkularkanoniker der Normandie in ihrem Bezug zum Kreuzzug analysiert, wobei er darauf verweist, dass in der Forschung die französischen Normannen nur selten in den Blick genommen wurden (S. 81f.). Von ihm wird Arnulf von Chocques, der Robert von der Normandie als Kleriker auf den Kreuzzug begleitete, in den Mittelpunkt seines Beitrages gestellt. Als erstem Patriarchen von Jerusalem kam ihm eine besondere Rolle zu. Im letzten Beitrag dieses Abschnittes wird von Lucas Villegas-Aristizábal (S. 103–121) die normannische und anglo-normannische Beteiligung an der Reconquista vor und nach dem Ersten Kreuzzug näher beleuchtet. Er wendet sich der Frage zu, wie sich die Ziele und Motive der Kämpfer durch den Ersten Kreuzzug auf der Iberischen Halbinsel veränderten und welche Rolle dabei die Einnahme Jerusalems spielte. Die Beteiligung der Normannen sei in dieser Ära lange Zeit sehr stark gewesen und erst in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts zurückgegangen.

Mit der Pilgerfahrt und der Beteiligung an den Kreuzzügen durch die Earls von Chester beschäftigt sich Andrew Abram (S. 125–138) im dritten Abschnitt, der allgemein dem Thema des Pilgerns gewidmet ist. Zunächst wird ein Überblick über die Beteiligung aus dieser Region gegeben, um im Anschluss auf lokale Begebenheiten einzugehen, die die Umstände des jeweiligen militärischen Engagements beeinflusst hätten. So kann festgestellt werden, dass nur wenige Personen aus dieser Gegend an den Kreuzzügen teilnahmen, was damit erklärt wird, dass man seine lokalen Herrschaftsansprüche nicht durch Abwesenheit in Gefahr bringen wollte. Paul Oldfield (S. 139–156) legt die Vor- und Nachteile des Pilgerns ins normannische Italien dar. Dabei stellt er heraus, dass die normannischen Herrscher in ihrer Politik unterschiedlich mit den Pilgern umgingen. Zum einen versuchten sie, diese durch Unterkunft, Ausbau der Straßen und Weitertransport zu unterstützen, zum anderen waren sie aber auch daran interessiert, ihre eigenen finanziellen Interessen mittels der Pilger zu bedienen.

Zuletzt enthält der vierte Abschnitt eine Auseinandersetzung mit dem Heiligen Land, Wundern, die eine Beschreibung dieses Landes beinhalten, und der Eigenwahrnehmung der Normannen. So bietet Emily Albu (S. 159–175) einen Überblick über das normannische Antiochia. Hierbei wird von ihr auch wieder Bohemund von Tarent, dessen Agieren gegen Byzanz und die Bedeutung des Fürstentums für die Bestrebungen der Kreuzfahrer in den Blick genommen. Leonie V. Hicks (S. 177–193) zieht erzählende Quellen zurate, um anhand dieser die Beschreibung von Pilgerlandschaften in Wunderberichten näher zu analysieren. Der letzte Beitrag des Bandes von Natasha Hodgson (S. 195–213) nimmt sich der Konkurrenzsituation während des Kreuzzugs an. Dabei untersucht sie vor allem den Aspekt der Maskulinität der Kreuzfahrerführer in den verschiedenen Kreuzfahrerchroniken, wodurch sie verschiedene ideale Kreuzfahrertypen ausmacht, je nachdem welchen Status und welche Rolle der jeweilige Kreuzfahrer innerhalb des Kreuzzuges einnahm.

Den Aufsätzen folgen ein gemeinsames Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 215–222), das auch einige unpublizierte Arbeiten aufführt, bei denen zumindest bei den neueren auf eine baldige Publikation zu hoffen ist, und ein Register (S. 223–234), das die Suche nach Namen, Orten und Schlagwörtern ermöglicht.

Seinem Anspruch, einen ersten Schritt zur Erforschung der Beteiligung der Normannen an den Kreuzzügen zu bieten, kommt das vorliegende Werk vollständig nach. Es wird deutlich aufgezeigt, dass das in der Forschung lange Zeit vorgeherrschte Bild eines einheitlichen Normannentums nicht haltbar ist und man bei einer Untersuchung der Normannen die geographische Herkunft und die einzelnen Zusammenschlüsse berücksichtigen muss. Die Einzelstudien zeigen wichtige Gesichtspunkte der normannischen Kriege und Herrschaftsetablierung, aber auch der Frömmigkeit auf, die sich etwa durch Pilgerfahrten verdeutlicht. Zugleich weist der Sammelband auf Forschungslücken hin, die es zu schließen gilt, wie etwa im Bereich der Mentalitätsgeschichte. Nicht zuletzt dadurch ist der Band für die Wissenschaftswelt von großem Interesse.

Anmerkung:
1 Siehe exemplarisch Ingrid Baumgärtner / Melanie Panse (Hrsg.), Kreuzzug und Gender, Berlin 2016; Heinz Halm, Kalifen und Assassinen. Ägypten und der Vordere Orient zur Zeit der ersten Kreuzzüge, 1074–1171, München 2014; Paul M. Cobb, Der Kampf ums Paradies. Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge, Darmstadt 2014; Kristin Skottki, Kulturkontakte zwischen Christen und Muslimen auf dem Ersten Kreuzzug in historischer und historiographiegeschichtlicher Perspektive, Rostock 2011.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch