U. van Loyen (Hrsg.): Der besessene Süden. Ernesto de Martino

Cover
Titel
Der besessene Süden. Ernesto de Martino und das andere Europa


Herausgeber
van Loyan, Ulrich
Erschienen
Wien 2015: Sonderzahl
Anzahl Seiten
279 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rosemary Snelling, Ruhr-Universität Bochum

Der vorliegende Band beschäftigt sich mit Ernesto de Martino, dem bekanntesten italienischen Ethnologen des 20. Jahrhunderts. Seine philosophischen Reflexionen zum Bewusstsein und zahlreiche Feldforschungsexpeditionen in den Süden Italiens führten ihn zu den großen Fragen der Moderne, nach dem Da-Sein, dem Irrationalen und dem Kontrollverlust, dem Fremden und der westlichen Kultur. Der Band enthält elf religionswissenschaftlich sowie kulturanthropologisch profilierte Textbeiträge, sowie einen Bildessay zu einer neapolitanischen Prozession. Ergänzt werden die Beiträge durch ein aufgezeichnetes Gespräch zu „Liminalität und Macht“, das der Herausgeber mit Erhard Schüttpelz führt, sowie zwei kurze Originaltexte De Martinos zur Tarantella „Land der Gewissenspein“ und zu apokalyptischen Vorstellungen in der westlichen Kultur.

Eines der Verdienste des Bandes ist es sicher, verschiedene Aspekte eines in der deutschsprachigen Kulturwissenschaft vernachlässigten Ethnologen zu präsentieren und dem Leser seinen Blick vom Süden Italiens auf die ‚Süden aller Welt‘ zu öffnen.

Der süditalienische Raum wird gemeinhin seit dem 16. Jahrhundert als kulturelles Faszinosum, als das ,Andere‘ einer ansonsten (vermeintlich) recht homogenen italienischen Kultur wahrgenommen: das berühmte Diktum „Un paradiso abitato di diavoli – Ein von Teufeln bewohntes Paradies“, wie es im 16. Jahrhundert bei einem Dantekommentator über Neapel hieß, wurde schnell und bis heute auf den gesamten Süden übertragen; religiöse Riten und Geisterbeschwörungen, Besessenheit, Trancezustände und Zauber, kurz eine von dynamistischen Survivals und Archaismen durchsetzte Religion und ihre sozialen Auswirkungen sind Gegenstand magischer Anziehungskraft in der kulturellen Aneignung des Südens, und das nicht erst seit Carlo Levis unfreiwilligem Aufenthalt in der Basilikata und seinem berühmtem Roman „Cristo si è fermato a Eboli“ von 1945. Wenn auch Neapel und Sizilien zumindest noch zum Kanon der klassischen Bildungsreise gehörten und vom noch südlicheren ,afrikanischen Süden‘ getrennt erscheinen, missfällt bereits Goethe im vorwiegend aus künstlerischer oder geologischer Perspektive rezipierten Sizilien die „pallagonische Raserei“, die er als Gegenstück zur klassischen Kunst immer wieder mit den Begriffen des Wahnsinns und des Wucherns, des Zufälligen und des aus der Form Gebrachten in Verbindung bringt.1 Seit dem Risorgimento sowie im neuen Staat Italien seit 1861 wird es immer wichtiger, dieses Ungeordnete, Urtümliche und Wilde in politischen Kategorien zu greifen; geographische und geologische Extremheit, die kulturologisch oder sozialpolitische Ordnung einer dem Kapitalismus schwer zugänglichen Latifundienstruktur, eine familial, akephal geprägte Organisation, Armut, Elend und eine kulturelle Rückständigkeit, die sozialpsychologisch mit der unabänderlichen Melancholie der Bevölkerung und später anthropologisch in einem „biologistischen Reduktionismus“ – so u.a. noch 1901 der Lombrososchüler Niceforo (Silla, S. 33) – und mit der afrikanischen Herkunft begründet wird, gehören zu den politischen Aussagen über den Mezzogiorno.

Insofern stellt zwar die binnenethnologische Europaentdeckung zu Beginn des 20. Jahrhundert eine wissenschaftliche Besonderheit dar, aus italienischer Perspektive ist eine ethnologische Beschäftigung mit dem Süden kulturgeschichtlich aber nicht überraschend. Wenn C.G. Jung zu Beginn des 20. Jahrhundert von einer Erfassung Europas durch den Osten gesprochen hat2, so ist diese Suche nach dem eigenen „,Primitiven‘ als verkehrtes Spiegelbild der Moderne“3 mit dem Augenmerk dieses Bandes verbunden, der Ernesto de Martino nicht nur als italienischen Ethnologen, sondern vor allem als europäischen Kulturanthropologen zeigt.

Das zentrale Thema des Bandes ist das Konzept der „inversen Ethnologie“, des „inversen Primitivismus“.4 So geht es in allen Artikeln grosso modo um Rückwirkungen: um Rückwirkungen der Entdeckung des Südens auf die ethnologische Wissenschaft und deren Grundlage einer westlichen europäischen Kulturhoheit und mediale Rückwirkungen des Beobachteten auf das Beobachtete und dessen Darstellung, dessen Performanz und um Rückwirkungen auf den Beobachter selbst.

Das Gespräch zwischen dem Herausgeber und Erhard Schüttpelz über „Liminalität und Macht“ lässt sich dabei für den Befund des Bandes selbst fruchtbar machen: was hier in beispielhafter und äußerst kohärenter Art und Weise in den Blick genommen wird, sind Liminalitäten, Schwellen zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Gegenstand und Beobachter, zwischen Inhalt und Darstellung, die in unterschiedlicher Weise ausgelotet werden und deren Fluchtpunkt nichts weniger ist als die mythisch-rituelle Reintegration einer zyklischen Beziehung zwischen Sein und sich Verändern. Wenn De Martino sich an dieser Schwelle abarbeitet, ist diese vielleicht nicht nur eine universale Schwelle, sondern vor allem auch eine spezifisch moderne Konstante der Ambivalenz zwischen Entstehen und Vergehen, zwischen Geschichte und Jetzt.

De Martino lässt sich in dieses Paradigma der Moderne zwischen geschichtsphilosophischer und/oder historistischer Absicht und einer komparatistisch-phänomenologischen Betrachtung einordnen, dies zeigen einige disziplingeschichtlich-epistemisch interessierte Beiträge des Bandes. Mit Tatiana Sillas Aufsatz enthält der Band auch die erste, komplexe Entwicklungen konzis zusammenfassende, „disziplinäre Genealogie“ der italienischen Kulturanthropologie.

Bei van Loyen „begleitet die Ethnologie die Geschichtsphilosophie in ihrem Scheitern“ und fordert ihre neue Formierung als „historisch informierte Sozialanthropologie“ (S. 16), welche in der Lage sei, verschiedene Bewusstseinsstufen der Menschheit auf einer idealistisch-diltheyanischen Weltvorstellung als Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zu denken, Besessenheit als Blick in das eigene Fremde in der (modernen) Welt zu verstehen und ihre Historisierung beschreibbar zu machen. Deshalb will De Martino Rettung und Korrektur der Geschichtsphilosophie sein, der nach einer „Historisierung der westlichen Kategorien“ und einer „phänomenologisch-philologischen Rekonstruktion der Kategorien“ (S. 16) strebt, um so einen Zugewinn an Humanität im Sinne eines „etnocentrismo critico“ (S. 13), also einer Problematisierung der westlichen Kulturhoheit hervorzubringen. Disziplinär bereitet in Italien vor allem Raffaele Pettazzoni mit seiner „terza via“ (S. 38) zwischen historistisch-idealistischer und phänomenologischer Prägung, zwischen philologisch-historisierender und phänomenologisch-komparatistischer (typologisierender) Methode, zwischen Religionsgeschichte und folkloristischer Anthropologie einer neuen Anthropologie kulturkritischen Zuschnitts den Weg, die unter De Martinos Diktum des ,kritischen Ethnozentrismus‘ die westliche Kulturgeschichte auf ihre Begriffe und Leitgültigkeiten hin befragt, sich aber deren Wert als Konzeptquelle disziplinärer Ursprungskategorien der Ethnologie durchaus bewusst bleibt.

Kurz, es geht De Martino um eine postkoloniale Perspektive für die Ethnologie: auch wenn die westliche Welt und Kultur und Wissenschaft erst die Erforschung anderer Kulturen möglich gemacht hat, darf nicht schlicht eine Übertragung der eigenen Denkmuster und Begriffe stattfinden oder eine Haltung hegemonieller Vormachtstellung an den Tag gelegt werden, vielmehr ist eine Bewusstmachung der eigenen Geschichtlichkeit und der der Begriffe selbst notwendig. Dieser ,neue Humanismus‘ will analog dem Renaissancehumanismus durch einen Zugewinn an Wissen einen Zugewinn an Humanität leisten, dies aber auf der Basis der „kulturhistorischen Entwicklung der gesamten Menschheit“ (Silla, S. 46) und steht damit in einem Gegensatz zur aufklärerischen Tendenz der westlichen Kulturhoheit, die ja ethnologisch bereits sehr früh – man möchte an Montesquieu denken – zumindest bildlich aufgerufen wird. Durch diese neuhumanistische Historisierung wird das vermeintlich Ahistorische, das Fremde des Südens seiner Fremdheit enthoben und eröffnet dem „modernen Europäer“ Blicke nicht auf ein Primitives, sondern auf das eigene Bewusstsein, was aber nicht die Aufhebung, sondern die Konsolidierung ebender Subjektkultur, die die Grundlage des modernen Denkens bildet, nach sich ziehen soll. An der Stelle der Gefahr, die das Subjekt in der Moderne durch die Entfremdung erfährt, verortet Roselli daher De Martinos progressive Folklore, welche durch „mythisch-rituelle Funktionseinheiten“ (Roselli, S. 79) dem Menschen neue Handlungsmöglichkeiten einer „humanen (und nicht mehr religiösen!) Selbstbehauptung“ (Roselli, S. 86) erschließt. Die Begriffe der crisi della presenza, des etnocentrismo critico, des etos della trascendenza oder der folklore progressivo bzw. des simbolismo civile sind Begriffe, die die Ethnologiegeschichte weiterhin prägen und die auch in den konkret an Beispielen der Besessenheit arbeitenden Beiträgen dieses Bandes immer wieder ihre Belastbarkeit beweisen. Was die Beispiele indes gemein haben, ist, dass in irgendeiner Weise das „Magische“ als Objekt Macht über das Subjekt der vorgestellten Texte, Filme oder Rituale gewinnt.

Der Filmer ist ,verzaubert‘ vom „italieninternen Exotismus“ (Faeta, S. 198), steht zwischen „Passion und Poetik des Wahren“ (Schäuble); der Literat Pavese strebt indes ein doppeltes Ziel an: „erzählend-erklärende Zugänge zu Ethnologie und Mythologie“ zu schaffen, das Wilde als Inhalt und Form literar-ethnologisch zu entwickeln und die Dichtung durch „Wiederholung“ zum Mythos zu machen. Erstaunlich ist, dass De Martino Paveses Werk, trotz der Zusammenarbeit in der Collana viola, erst lange nach dessen Tod würdigt, ging es doch beiden um einen „Ursprung in der Geschichte“ sowie um den Kampf um das Sein in der Welt: was bei De Martino „Magie“ und das „Drama um die Existenz“ ist, ist bei Pavese die „Mythologie“ und das „Wilde“ bzw. das „Mysterium“ (vgl. Bauschulte, S. 102). Ob es möglicherweise De Martinos Bewusstsein um die eigene Gefährdung durch die Archaik war, die er selbst verdrängte und aus seinen Erklärungen verbannte, bleibt zu vermuten. An einem ganz anderen Beispiel zeigt Grünwedel jedoch, dass das Ergriffensein durch das Primitive und eine Expertise, die Liminalitätsexperten zukommt, auch De Martinos Werk nicht fremd ist. Ohne es zu wollen situiert sich De Martino damit selbst an der oben genannten Schwelle und wird als Ethnologe zu einer Figur, die kulturellen Phänomenen, die geschichtslos und daher gewissermaßen ohne Status sind, einen Status zuweisen kann und damit eine gewisse Macht erlangt, mit der er Passivität und den Kontrollverlust an der Schwelle der Moderne zum Primitiven eindämmen kann.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch der Bildessay dieses Bandes, „Beklagen, Berühren, Bereuen. Eine Wallfahrt zur Madonna dell’Arco am Ostermontag“, in dem die Dokumentarfilmerin Anja Dreschke durch farbig und schwarz-weiß-Fotographie die festen Elemente der Adepten der Prozession zur Madonna dell’Arco in Sant’Anastasia von den individuellen Trancezuständen vor dem Heiligtum unterscheidet. Präsentische Momente in Form von Abbildern vollbrachter Wunder auf den Flaggen sowie akrobatischen Darbietungen auf dem Weg der Prozession scheinen zunächst farblich auf die schwarz-weiß gehaltenen entrückten Zustände vorzubereiten; schwarz-weiß erscheint jedoch auch ein Blick auf die Kirche, die den Ort scheinbar selbst entrückt, sowie farbig eingeschoben die Darbringung einer Flagge und ein zweigeteiltes Foto, in dem Anbetung und präsenzverlustiges Heraustragen eines Menschen auf einer Bahre nebeneinander stehen (vor der Schwelle und nach der Schwelle). Eine klare Trennung von Schwellen wird in den Bildern dadurch immer wieder subtil blockiert, sowie auch der historische und/oder präsentische Anteil der von De Matteis so genannten Maske nicht deutlich als Schichten zu ,demontieren‘ sind. Die Frage nach der Historisierung der Besessenheit kann schließlich auch von De Matteis nur vage und durch Übergänglichkeiten oder ,Doppeltheiten‘ beantwortet werden, wenn die „zwei verschiedenen Masken“ eine „doppelte Fiktion und eine doppelte Funktion“ erfüllen und stets auch in einer „doppelte Beziehung“ stehen. Griffiger ist da De Martinos „mythisch-ritueller Symbolismus“ (De Matteis, S. 176). Eine prägnantere Theorie findet Martin Zillinger in seiner ähnlichen, aber medienanthropologisch ausgerichteten Untersuchung, wenn er aus gutem Grund wieder Van Genneps „Rites de passage“ (1909) und Victor Turners Weiterführung der Liminalität aufruft. Eine weitere Differenzierung gewinnt er durch ein an Schüttpelz modelliertes Ebenenmodell, dessen vier Ebenen, vom Körper zu synästhetischen „körpernahen Medien“, zu öffentlichen Plätzen, zu „beweglichen Medien“, sich heute, so der Verfasser, eine fünfte Ebene hinzufügen lässt: die der digitalen Medien, die „soziale Situationen durch Raum und Zeit medientechnisch gestalten und neue Formen der Interaktion kooperativ hervorbringen und verwalten“ (Zillinger, S. 161). Dieser Schwelle eignet ein aktives, und damit meines Erachtens De Martinos „Ethos der Überschreitung“ vielleicht am nächsten kommendes, Potenzial, vorherige Schwellen verändern zu können und kulturelle Techniken über Grenzen lokal begrenzter „Narrative“ hinaus verbreiten zu können.

Trancepraktiken verbreiten sich einerseits als „Reinigungsarbeit“ durch ihre bereitgestellte Möglichkeit zu „authentischen Erfahrungen“ global, zum Beispiel in Form von Internetvideos oder bei Festivals, andererseits erfährt von institutioneller Seite der Trancemediumismus, das heißt die Eigenschaft einer Person oder einer Gemeinschaft, die Trance kontrollieren und als Warenwert anbieten zu können, eine Veränderung und wird über Personen zum Interesse einer neuen „Trance-medialen Öffentlichkeit“. Deutlich wird an dieser aktualistischen Studie aus dem ergiebigen Forschungsgebiet Zillingers vor allem die außerordentliche Produktivität des religiösen Konzeptes der Trance / Besessenheit / Präsenzkrise, das seit De Martino in seiner historischen, mediterranen Ausprägung, jenseits des Begriffsinstrumentariums der Religionswissenschaften (wie zum Beispiel des Dionysischen oder des Schamanismus) untersucht wird.

Gelungen rundet Charuty die Komposition der Beiträge ab und macht De Martinos epistemische Relevanz im 20. Jahrhundert noch einmal klar, wenn im intellektuellen Feld Foucault als anders gearteter Denkgenosse De Martinos erscheint, der sich ebenso wie De Martino über den „naturalistischen Imperativ“ etwa des marxistischen Determinismus hinaus erhebt: wie De Martino die Ethnologie erneuert, gründet Foucault die klinische Psychologie neu. So wird in dieser gemeinsamen Bewegung zwischen Phänomenologie und Psychoanalyse die „imaginäre Anthropologie“ (Charuty, S. 214) entdeckt, die – ich möchte es mit Latour sagen – den Untersuchungsgegenständen „Natur, Diskurs, Gesellschaft“ ein gemeinsames, nahtloses Fundament geben soll. Auch Foucaults „spekulatives Anliegen“ (Charuty, S. 215) blickt auf die Verbindung von Wahn und Moderne im Sinne einer Universalisierung. Mag die „Dekadenz des Abendlandes“ den Ethnologen und sein Bestreben nach einer „reformierten Ethnologie“ auf den Plan gerufen haben, das Ergebnis oder die Richtung dieser neuen Ethnologie weist – bei De Martino wie bei Foucault – über die Disziplinen hinaus und deckt einen „Universalismus“ des Wahns auf, der vom Süden Italiens als Dionysisches der westlichen Kultur in „alle Süden der Welt“ zeigt (Charuty, S. 217).

Der Band zeigt vor allem, dass und wie produktiv De Martino ein Forschungs- und Begriffsinstrumentarium entworfen hat, das im mediterranen Raum Denkanstöße gegeben hat und bis heute gibt. Des Weiteren versucht er schlaglichtartig zu erkunden, ob es am ,Ende‘ ein „tragischer Ethnozentrismus“ oder mit Todorov gesprochen ein „todbringendes Verstehen“ ist, das mit der Emanzipation der Subalternen auch die Abschaffung ihrer Kulturen mit sich bringt, oder ob die Kultur „aller Süden der Welt oder der gesamten Menschheit“ sich nicht mit Hilfe ihrer Kolonisatorin emanzipiert und in der Lage ist, neue produktive Wege für alle zu gehen. Dies kann in der Neuerschaffung, Veränderung und Verbreitung von Kulten zu beobachten sein, wie zum Beispiel der Tarantella oder in einer Bewusstwerdung und Ausstellung der eigenen Kultur, wie es der Süden Italiens offensichtlich auch im großen Rahmen vorhat: gleich zwei süditalienische Städte werden in kurzer Zeit zu Kulturhauptstädten Europas, Palermo 2018 und Matera, die Geburtsstadt ebenjenes Ernesto de Martino, im Jahr 2019. In wie weit diese kulturellen Ereignisse dann wieder rückwirken und in welche Richtung, ob als Erzeugnisse der Kunst oder als wissenschaftliche Dokumente bleibt auch 50 Jahre nach De Martino ambivalent. Der vorliegende Band arbeitet sich an diesen Ambivalenzen bewusst reflektierend ab und ‚entdeckt‘ und fixiert auf überaus anregende Weise zentrale Dimensionen des De Martino’schen Werkes für die deutschsprachigen Kulturwissenschaften.

Anmerkungen:
1 Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, Frankfurt am Main 1998, S. 317ff.
2 Dazu zählt Jung auch die Konjunktur gnostischer Philosophien, die Anthroposophie Steiners, spiritualistische Richtungen, asiatische Kulte („der Osten fasst uns von innen“ 10,108), welche den Glauben durch den Versuch der Erkenntnis ersetzten. An die Stelle von Glauben tritt der Versuch, Urerfahrung aus Wissen zurückzugewinnen. (Vgl. 10,100; C.G. Jung, Das Seelenproblem des modernen Menschen, in: ders., Zivilisation im Übergang, Gesammelte Werke Bd. 10, hrsg. von Lilly Jung-Merker / Elisabeth Rüf, Düsseldorf 2011.
3 Herbert Ührlings, Inverser Primitivismus. Die ethnographische Situation als dialektisches Bild von Kafka bis Hubert Fichte, in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6 (2015), S. 31–50, S. 32.
4 Ührlings, Inverser Primitivismus, S. 31–50.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension