M. Casevitz u.a. (Hrsg.): Libanios, Antiochicos

Cover
Titel
Libanios, Discours III. Discours XI, Antiochicos


Herausgeber
Casevitz, Michel; Lagacherie, Odile; Saliou, Catherine
Reihe
Collection des universités de France. Série grecque 524
Anzahl Seiten
CV, 215 S., davon [1]-74 Doppelseiten
Preis
€ 47,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, München

Die „Collection Budé“ stellt die wichtigste Reihe für die Publikation zweisprachiger Quellenausgaben mit wissenschaftlichem Anspruch im französischsprachigen Raum dar und kann bereits eine Vielzahl grundlegender Editionen vorweisen. Während allerdings beispielsweise die dort erscheinende Gesamtausgabe der Historia Augusta gut vorangeht, ist die des Libanios noch immer kaum über ihre Anfänge hinausgekommen1, so dass es besonders erfreulich ist, seit über einem Jahrzehnt nun wieder einen neuen Band der Werke des antiochenischen Sophisten in Empfang nehmen zu können. Dieser vierte Band (der dritte nach der Zählung der Bandangaben) bietet eine Edition und Übersetzung der elften Rede, des Antiochikos, in der Libanios anlässlich der Olympischen Spiele eine Beschreibung der Stadt Antiochia und einen Abriss der Stadtgeschichte bietet.

Ein kurzes Vorwort (S. V) erläutert den Hintergrund der Edition: Deren Ausgangspunkt ist die Dissertation von Odile Lagacherie (Grenoble 1983), die auch an der hier vorliegenden Ausgabe mitgearbeitet hat. Michel Casevitz ist verantwortlich für Text und Übersetzung und Catherine Saliou, die bereits mit einer Vielzahl an Beiträgen zur Geschichte Antiochias hervorgetreten ist (S. XCIII–XCV), verfasste die kommentierenden Anmerkungen. Entsprechend ist auch die Aufteilung in der Einleitung (S. VII–LVII) gestaltet: Im ersten Teil (S. VII–LIV) diskutiert Saliou historische Aspekte wie die Datierung der Rede (sie sei 356 in Antiochia gehalten und bis spätestens 362 überarbeitet und in der vorhandenen Form publiziert worden) und deren Bedeutung als Quelle für die Stadtgeschichte Antiochias, aber auch literarhistorische Themen wie das Genre der Rede, deren Gliederung und Inhalt sowie deren Rezeption bei späteren Autoren (so bei Julian in seinem Misopogon, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomos, Chrorikios von Gaza, Johannes Phokas, Nikolaos Mesarites oder Bessarion), die sich bis auf die Verwendung in modernen Beiträgen zur Stadtplanung (S. LII–LIV) erstreckt. Der von Casevitz verfasste zweite Teil der Einleitung zur handschriftlichen Überlieferung (S. LV–LVII) ist deutlich kürzer gehalten und fasst im Wesentlichen die Ergebnisse der Edition Försters über die 38 bzw. 37 Handschriften (in einem Fall bieten zwei zusammengehörige Handschriften jeweils die Hälfte der Rede) zusammen. Die reichhaltige Bibliographie (S. LIX–CIII), zu der keine wesentlichen Ergänzungen nötig sind2, ist als nützliches Hilfsmittel sehr willkommen.

Ein kritischer Text und eine französische Übersetzung werden dann auf den Doppelseiten 1–74 geboten. Die Übersetzung ist die erste Gesamtübersetzung in französischer Sprache, während bereits Übertragungen ins Englische, ins Deutsche und ins Spanische vorliegen (S. LIV, Anm. 232). Angesichts dessen und da der Text keine umwälzenden Abweichungen gegenüber dem von Foerster zu bieten scheint (eine tabellarische Auflistung der Abweichungen der einzelnen Editionen voneinander wäre noch nützlich gewesen), werden diejenigen Forscher, deren Muttersprache nicht das Fränzosische ist, weiterhin zuerst auf die Ausgaben in ihren eigenen Sprachen zurückgreifen. Dennoch ist die gelungene Übersetzung, die den nicht einfach zu lesenden rhetorischen Text klar und verständlich präsentiert, eine anerkennenswerte Leistung und in jedem Fall auch für den fremdsprachigen Wissenschaftler einen Blick wert.

Im Gegensatz zu vielen Reden und Briefen des Libanios, die im Wesentlichen nur als Quelle für den Autor und seine Zeit zu verwenden sind, lässt sich der Antiochikos auch für andere Fragestellungen nutzen. Libanios bietet in dieser Rede nämlich auch einen Abriss der Stadtgeschichte Antiochias, der von den Anfängen über die Seleukidenherrschaft und Kaiserzeit bis in die Spätantike reicht. Der reichhaltige und gut informierte Kommentar in Form von Endnoten (S. 75–197) wird diesem Umstand gerecht und berücksichtigt dementsprechend die Hauptquellen und Forschungsbeiträge für die jeweiligen Epochen. Auch Malalas als eine weitere zentrale Quelle für die Geschichte Antiochias wird häufig herangezogen, weswegen diese Edition auch für die Erforschung dieses Autors von Interesse ist. Die Indices (S. 199–202 Index nominum, S. 203–205 Index topographicus, S. 207 Index Graecitatis), die nur den Text, nicht aber Einleitung und Kommentar erfassen, fallen hingegen etwas knapp aus; vor allem ein Quellenregister wäre dem Benutzer sehr hilfreich gewesen. Zwei Karten (S. 209–213) schließen den Band ab.

Wie bereits die Vorgängerbände zu Libanios in dieser Reihe wird auch hier eine Rede behandelt, die bereits seit längerer Zeit das Interesse der Forschung geweckt hat. Entsprechend geht es den Herausgebern auch vor allem darum, ein Arbeitsinstrument zu schaffen, mit dem eine Grundlage für weitere Forschungen geboten wird (S. LIV). Im Vergleich mit der im selben Jahr in der „Collection Budé“ erschienenen thesenstarken Edition von Pseudo-Aurelius Victors De viris illustribus3 mag die des Antiochikos auf den ersten Blick eher unspektakulär wirken, sie leistet der Forschung aber mit der erfolgreichen Umsetzung des gesetzten Zieles einen wichtigen Dienst, so dass deren ausgiebige Konsultation jedem, der am Werk des Libanios oder an der Geschichte Antiochias interessiert ist, nur geraten werden kann.

Anmerkungen:
1 Der erste Band erschien 1978 und enthielt die von Jean Martin und Paul Petit herausgegebene erste Rede, im 1988 erschienenen zweiten Band gab Jean Martin die Reden 2–10 heraus, und 2003 folgte die Edition der 59. Rede von Pierre-Louis Malosse.
2 Von Interesse wäre noch John H. W. G. Liebeschuetz, Malalas on Antioch, in: John H. W. G. Liebeschuetz, Decline and change in late antiquity, Aldershot 2006, Nr. V (Vergleich der Beschreibungen Antochias bei Libanios und Malalas, Erstpublikation 2004). Zu dem § 158 (S. 41) erwähnten persischen Angriff hätte noch Wolfgang Seyfarth, Ein Handstreich persischer Bogenschützen auf Antiochia, in: Klio 40 (1962), S. 60–64 genannt werden können. Die aktuellsten Beiträge zu dem § 158–162 (S. 41–43) beschriebenen Usurpator Eugenius (nicht identisch mit dem Gegner des Theodosius) sind die Dissertationen von Tristan S. Taylor, Usurpation in the Roman empire, 60–305 C.E., Diss. Yale 2010, S. 420–421 und Christian Panaget, Les révoltes militaires dans l’empire romain de 193 à 324, Diss. Rennes 2014, S. 626 und öfter (durchsuchbares Dokument unter https://tel.archives-ouvertes.fr/tel-01127558 [15.05.2017]). Anscheinend nicht berücksichtigt sind die textkritischen Beiträge von Henricus van Herweden, Adnotationes ad Libanii orationum editionem Foerstarianam, in: Rheinisches Museum für Philologie 59 (1904), S. 329–345, hier S. 341–345, und von Wilhelm Crönert in einer Rezension zur Edition Foersters in: Göttingische Gelehrte Anzeigen 166 (1904), S. 730–739, hier S. 735–737; auf die Einwände seiner Rezensenten hat Foerster wiederum im dritten Band seiner Libanios-Edition geantwortet (zum Antiochikos S. XXXI–XXXXI). Auch wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, die Argumente für eine Datierung der Rede in das Jahr 360, wie sie von einigen Herausgebern vertreten wird, zu nennen und gegebenenfalls zu widerlegen.
3 Dazu ausführlich die Rezension von Justin A. Stover, in: Bryn Mawr Classical Review 50 (2017) 3, URL: http://bmcr.brynmawr.edu/2017/2017-03-50.html (15.05.2017).

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