D. Schwartz: Life and Letters of Philipp Jaffé

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Titel
Between Jewish Posen and Scholarly Berlin. The Life and Letters of Philipp Jaffé


Autor(en)
Schwartz, Daniel R.
Erschienen
Berlin 2016: de Gruyter
Anzahl Seiten
XIV, 380 S.
Preis
€ 89,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus Herbers, Department Geschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Philipp Jaffé verbindet sich für jeden Historiker und jede Historikerin mit den "Regesta Pontificum Romanorum", einer Dokumentation zur Papstgeschichte bis 1198 (der Zeit, zu der die päpstlichen Registerserien weitgehend geschlossen einsetzen), die Jaffé in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals vorlegte. Sein Name evoziert aber gleichzeitig auch ein Gelehrtenschicksal des 19. Jahrhunderts, das Daniel R. Schwartz in den Blick nimmt. Das Buch gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile: die Lebensgeschichte Philipp Jaffés von 1819 bis 1870 (S. 3–88) und die Edition zahlreicher Briefe von Philipp Jaffé, die dieser in den Jahren 1838 bis 1870 geschrieben hat (S. 91–356).

Die Lebensabschnitte unterteilt Schwartz in vier große Absätze. Im ersten Teil wird die Geschichte Jaffés zwischen Posen und Berlin dargestellt. Der in einem jüdischen Elternhaus 1819 bei Posen geborene Jaffé wuchs zunächst in eine jüdische Gemeinschaft hinein, wenngleich sich nach Schwartz keine spezifische jüdische Frömmigkeit in den Briefen erkennen lasse (S. 12). Ein Beleg, dass Jaffé das Abitur ablegte, ist nicht bekannt; 1838 wechselte er den Wohnort und begann in Berlin eine Arbeit in der Wirtschaft sowie ein nebenberufliches Studium und wurde ab 1840 Vollzeitstudent. Insbesondere beeindruckten ihn die Seminare des Leopold von Ranke. Insofern stellt Schwartz für diese Lebensphase bis 1850 fest, dass sich in dieser Zeit Jaffés Interessen von einer zunächst auf das Judentum ausgerichteten Geschichte auf die allgemeine Geschichte des Mittelalters und insbesondere die Papstgeschichte verlagerten. Nach dem Vorbild von Johann Friedrich Böhmers "Regesta Imperii" (erster Band 1839) und wahrscheinlich durch Rankes monumentales Werk über die römischen Päpste (1844) angeregt, bereitete er seit Ende der 40er Jahre das schon genannte Verzeichnis päpstlicher Urkunden vor, das dann 1851 erschienen.

Im zweiten Abschnitt beleuchtet Schwartz die Arbeit Jaffés in den Jahren 1850 bis 1854, die positive Resonanz – sogar aus Rom – auf die "Regesta Pontificum Romanorum", seine verschiedenen Aktivitäten und das Arbeitsangebot bei den Monumenta Germaniae Historica (MGH), die damals Georg Heinrich Pertz leitete. Das dritte Kapitel schildert diese Zeit bei den MGH als eine gewisse Hochzeit des jüdischen Gelehrten, der im preußischen Wissenschaftsbetrieb als Jude wenig Aufstiegschancen besaß. Schwartz charakterisiert Jaffé als den Star der MGH, beschreibt seine Reisen in die verschiedenen Archive und seine verschiedenen Angebote zu Tätigkeiten, beispielsweise in Italien. Ein großer Teil dieses Kapitels (S. 33–41) betrifft eine Frage, die im Zusammenhang mit der Lebensgeschichte Jaffés immer wieder erörtert worden sind: Inwiefern hat Pertz gegen Jaffé intrigiert, etwa deshalb, weil er seinen Sohn Karl Pertz als Nachfolger bei den MGH sehen wollte? In der Abgrenzung zu Pertz entwickelte sich eine enge Verbindung zwischen Jaffé und Mommsen, jedoch kam es 1862/63 zur Kündigung und anschließenden freiberuflichen Tätigkeiten Jaffés.

Dies wird im vierten Kapitel thematisiert, das von allen vier Teilen das längste ist ("From Independent Scholarship to Lonely Suicide"). Die Tätigkeit Jaffés, der durch Intervention Mommsens ein Extraordinariat erhielt, zeigte sich vor allen Dingen in den verschiedenen hilfswissenschaftlichen Vorlesungen, die er an der Berliner Universität vortrug, aber auch in seiner mehrbändigen "Bibliotheca rerum Germanicarum", die Schwartz als „Antimonumenta“ (S. 46) charakterisiert. Diese Quellenedition war nach Themen geordnet, berücksichtigte erstmals in stärkerem Maße auch Briefe und dokumentierte die produktive editorische Phase Jaffés. Gleichwohl verschärften sich durchaus Konflikte in den ausgehenden 1860er Jahren. Die Anerkennung seines Werkes war nicht uneingeschränkt, einige Personen, darunter auch Neider, schienen ihm in vielfacher Hinsicht nicht wohlgesonnen. Nach dem Tod des Vaters 1866 ließ sich Jaffé ein Jahr später taufen (auf den Namen Otto), die Motive für diesen Religionswechsel bleiben im Dunkeln. Es wird weiterhin der Konflikt mit Georg Waitz geschildert, der zwei Monate vor dem Selbstmord Jaffés eskalierte. Die Kritik am vierten und fünften Band der "Bibliotheca rerum Germanicarum", die vernichtende Kritik in den "Göttingischen Gelehrten Anzeigen" und die Diskussion um seine Thesen zum Papstwahldekret 1059 dürften, so Schwartz, am Selbstwertgefühl Jaffés gezehrt haben. Trotzdem bleibt unsicher, warum er schließlich am 22. März 1870 (?) den Freitod in Wittenberge suchte. Schwartz bleibt in diesem Falle spekulativ, kann aber deutlich machen, dass der 22. März 1870 der Geburtstag des preußischen König Wilhelm gewesen sei und Jaffé vielleicht noch beim Festakt in Berlin teilgenommen habe. Anschließend sei vielleicht nach einem Konflikt bei dieser Gelegenheit der Entschluss zum Selbstmord gereift. Jedoch bleiben Fragen offen, denn woher Jaffé die Waffe erhielt, warum er Wittenberge wählte, oder warum das Testament offensichtlich vorbereitet war, ist letztlich nicht zu klären.

Der zweite Teil des Buches wird immer wieder in den Fußnoten der Darstellung zitiert, es sind die 229 Briefe, die Schwartz neu gefunden oder aufbereitet hat und seinem Buch beigibt. In der Einleitung zu dieser Briefedition verweist er auf andere Überlieferungen zu Jaffé und dankt auch zahlreichen Personen, die diese Transkriptionen für ihn erledigt oder durchgesehen haben (S. 92–94).

Ein Verzeichnis der Empfänger zeigt, dass in Jaffés erhaltener Korrespondenz neben seinen Eltern nicht sehr viele Gelehrte und andere Personen eine Rolle spielten (S. 95–96). Dennoch machen diese Briefe deutlich, was ein jüdisches Gelehrtenleben im 19. Jahrhundert prägen konnte und geprägt hat. So war es sicherlich eine gewisse Isolation Jaffés, die zum tragischen Ende geführt hat. Außerdem ist aus diesen Briefen aber auch ersichtlich, dass nicht alles den sogenannten Intrigen der Monumentisten anzulasten ist. Insofern bleiben manche Fragen an das Leben Jaffés auch nach der Lektüre dieses Werks bestehen. Dennoch zeigt die Lebensgeschichte sehr deutlich, was Gelehrsamkeit eines Juden in der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem preußischen Umfeld überhaupt erreichen konnte. Die Arbeit bei den MGH, das Extraordinariat in Berlin, die schließlich erfolgte Taufe 1868 und der Selbstmord 1870 waren Stationen, die vielleicht nicht typisch waren, aber eine solche Karriere begleiteten.

Das wissenschaftliche Werk Philipp Jaffés hat Maßstäbe gesetzt. Nicht zuletzt wurden die "Regesta Pontificum Romanorum" unter der Aufsicht seines ihm gewogenen Freundes Wilhelm Wattenbach in den 1880er-Jahren neu bearbeitet und mit einer zweiten Edition aufgelegt. In jüngster Zeit sind die "Regesta Pontificum Romanorum" unter der Leitung des Rezensenten schließlich sogar zu einer dritten Auflage gekommen.1

Anmerkung:
1 Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum MCLXXXXVIII, edidit Philippus Jaffé. Editionis tertiae emendatae et auctae tomum primum iubente Academia Gottingensi sub auspiciis Nicolai Herbers curavit Marcus Schütz cooperantibus Victoria Trenkle, Iudith Werner, itemque Catharina Gowers, Waldemaro Könighaus, Cornelia Scherer, Thorstano Schlauwitz (a S. Petro usque ad a. DCIV), Göttingen 2016; Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum MCLXXXXVIII, edidit Philippus Jaffé. Editionis tertiae emendatae et auctae tomum secundum iubente Academia Gottingensi sub auspiciis Nicolai Herbers curaverunt Waldemarus Könighaus, Thorstanus Schlauwitz cooperantibus Cornelia Scherer, Marco Schütz (ab a. DCIV usque ad a. DCCCXLIV), Göttingen 2017; Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum MCLXXXXVIII, edidit Philippus JAFFÉ. Editionis tertiae emendatae et auctae tomum tertium iubente Academia Gottingensi sub auspiciis Nicolai Herbers curavit Iudith Werner cooperante Waldemaro Könighaus (ab a. DCCCXLIV usque ad a. MXXIV), Göttingen 2017.