I. Dolezalek: Arabic Script on Christian Kings

Cover
Titel
Arabic Script on Christian Kings. Textile Inscriptions on Royal Garments from Norman Sicily


Autor(en)
Dolezalek, Isabelle
Reihe
Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Beihefte 5
Erschienen
Berlin 2017: de Gruyter
Anzahl Seiten
XX, 255 S.
Preis
€ 89,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Theresa Jäckh, Transkulturelle Studien, Universität Heidelberg

In vorliegender Studie widmet sich Isabelle Dolezalek den arabischen Inschriften der normannisch-staufischen Herrschergewänder, die als Herzstücke der Reichskleinodien in der Kaiserlichen Schatzkammer zu Wien aufbewahrt werden. Die 2013 an der Freien Universität Berlin angenommene Doktorarbeit versteht sich als „case study“ für die Ansätze und Methoden der transkulturellen Kunstgeschichte (S. XIVf.). Die arabischen Textilinschriften werden dabei als transkulturelles Ornament begriffen, das durch Mobilität innerhalb höfischer Netzwerke des islamischen und christlichen Mittelmeerraumes gekennzeichnet ist, ohne dabei auf die Frage seines Ursprungs reduziert zu werden. Die Leitfrage der Analyse zielt darauf, die Kontexte und Funktionen arabischer Schrift auf den normannischen Königsgewändern zu erörtern.

Das erste und umfangreichste Kapitel ist in einen deskriptiven (S. 1–50) und einen rezeptionsgeschichtlichen (S. 51–71) Teil gegliedert. Beschrieben werden neben den Königsgewändern mit ihren arabischen und lateinischen Inschriften die Grabgewänder mit nicht identifizierbaren Inschriften, die 1781 in den Sarkophagen der Kathedrale von Palermo entdeckt wurden. Daneben führt die Autorin einige weitere Textilien sizilischer Provenienz auf, wobei der sogenannte Bamberger Reitermantel mit seiner arabischen Inschrift überraschender Weise nicht auftaucht, bevor sie einen Blick auf arabische Textilinschriften in europäischen Kirchenschätzen wirft, die aus dem islamischem Raum importiert und durch ihren Gebrauch in liturgischen Kontexten „christianisiert“ wurden (S. 46–50).

Wahrnehmungen der normannisch-staufischen Gewänder und ihrer arabischen Inschriften werden anhand ausgewählter Beispiele im zweiten Teil des Einstiegskapitels erkennbar. Erwähnenswert ist hierbei die Arbeit des Christoph Gottlieb von Murr, der das Arabische um 1790 bereits kompetent übersetzt hatte, während die Inschriften – und zwar arabische wie lateinische – in einer Reproduktion der Gewänder kurz zuvor zu schierem Ornament degradiert worden waren (S. 58–61). Von Murrs Interpretation, dass die Inschriften Zeugnis eines christlichen Sieges über die „Sarazenen“ seien und das Arabische womöglich als fremdes Eindringen in königliche, das heißt christliche Repräsentation verstanden wurde, lehnt die Autorin als eindimensional ab (S. 64). An dieser Stelle könnte man anmerken, dass Titel und Einleitung des vorliegenden Buches auf eine ähnliche Rezeptionspraktik beim heutigen Betrachter und Leser anspielen.

Im zweiten Kapitel der Studie kontextualisiert die Berliner Kunsthistorikerin die Produktionsumstände normannisch-arabischer Textilinschriften. Dafür blickt sie in den südlichen Mittelmeerraum, genauer gesagt in das fatimidische Ägypten, um textile Inschriften innerhalb des Kairiner Hofes zu verorten. Dass die Fatimiden ein lohnenswerter Referenzpunkt bei der Auswertung arabischsprachigen Materials aus dem normannischen regnum darstellen, ist besonders durch die umfangreichen Studien Jeremy Johns’ deutlich geworden.1 Das Ergebnis ist für die textilen Quellen Siziliens ähnlich: die normannischen Gewänder und ihre Inschriften weisen stilistische und inhaltliche Ähnlichkeiten mit fatimidischen Beispielen auf, allerdings lässt sich keine konsequente Vorbildnahme nachweisen (S. 92–102). Vielmehr spielen Adaption und Aktualisierung an die lokalen Bedürfnisse eine Rolle, die mitunter die Kreation normannisch-arabischer Titulaturen betreffen.2 In den Ausführungen zu den Funktionen fatimidischer Textilinschriften, hat die Autorin einige weniger bekannte Zeugnisse aus verschiedenen, keineswegs nur höfischen Kontexten aufgetan, die auf eine weite Verbreitung textilen (arabischen und koptischen) Schreibens in religiöser und herrschaftlicher Praxis verweisen (S. 105–118). Durch den Reichtum fatimidischer Textilbefunde zeigt sich in der vergleichenden Perspektive wie spärlich die Quellenlage für die normannisch-sizilischen Textilien ist.

Im nächsten Schritt weitet die Autorin daher ihren Fokus, indem sie andere, vorwiegend Palermitaner Inschriften in ihre Untersuchung miteinbezieht. Hier grenzt sich die Studie davon ab, die siculo-normannische Kunst als passive Reflexion sozio-politischer Hintergründe zu verstehen (S. 126f.), und folgt dem Ansatz, Dreisprachigkeit als bewusst getroffene Entscheidung innerhalb des normannischen Hofes zu begreifen. Nach der Schau einiger arabisch- und mehrsprachiger Inschriften, beschreibt die Autorin Raum und Anlass, in dem die königlichen Gewänder gestanden haben könnten. Als Eckpfeiler nennt sie hierbei die Torre Pisana des Palastes und die Cappella dell’Incoronata (S. 142–147), die nördlich der Kathedrale liegt. Daran anschließend werden die textilen Inschriften in die von der Forschung diskutierten Fragen von Lesbarkeit und Unlesbarkeit eingefügt und um die Kategorie des Hörens ergänzt: das Versmaß der Mantelinschrift deutet auf eine klanglich-rhythmische Rezeption, während die Inschrift des Schwertgürtels auf gesprochene, liturgische Formeln verweist (S. 156–160). Da diese Befunde an die Bedingung einer regelmäßigen und (teil-)öffentlichen Sichtbarkeit gebunden sind, müssen sie jedoch vage bleiben: neben dem Krönungsordo gibt es keine Textquellen, die Zeremonien oder Prozessionen belegen. Zudem wurde das architektonisch-topographische Arrangement noch während der normannischen Herrschaft stark überformt. So datiert die Loggia dell’Incoronazione nicht auf das 12. Jahrhundert (S. 145 mit Abb. 69), sondern frühestens auf nach 1296.3

In den Kapiteln vier und fünf diskutiert Isabelle Dolezalek die Funktionen der Inschriften auf Mantel (4) und Alba (5) und kommt damit zum Kern der eingangs aufgeworfenen Leitfrage. In beiden Fällen deutet die Autorin die Verwendung arabischer Inschriften auf den königlichen Gewändern als Reaktion auf ein politisches Bedürfnis: die Bekräftigung einer unabhängigen Position des normannischen Herrschers gegenüber dem Papsttum (S. 187–189, 204f.). Hinsichtlich der Mantelinschrift geschehe dies, indem die kufischen Lettern an eine vor-normannische Tradition arabischer Epigraphik in Sizilien und Ifrīqiya anknüpften. Durch diesen Rückgriff habe Roger II. Kontinuität herstellen und seine Herrschaftslegitimation unterfüttern wollen. Wie andere Beispiele normannischer Epigraphik aber zeigen, ist der inschriftliche Gebrauch von kufī bis in die frühen 1140er-Jahren üblich, bevor die diplomatische und inschriftliche Praxis mit der Einrichtung des königlichen dīwān aktualisiert wurde.

Bezüglich der arabisch-lateinischen Albainschrift Wilhelms II. betont die Verfasserin ebenfalls die Visualisierung von herrscherlicher Autorität und Kontinuität. Ein Akzent liegt hier auf der Interpretation der Alba als (Rechts-)Dokument, wobei auf enge Übereinstimmungen der Titulatur der textilen Inschrift und der arabisch-lateinischen Grenzbeschreibung (ǧarīda) von 1182 für Santa Maria di Monreale hingewiesen wird. Weiter thematisiert die Autorin die performative Bedeutung, die Rechtstexten und -akten zukam und nennt als Beispiel die Gründungsurkunde von Monreale, die am Altar der Kathedrale ausgelegt wurde. Dolezalek stellt dann zur Diskussion, ob das Gewand der Alba solcher Performanz diente. Verwunderlich ist nun, dass dieser auffälligen Verdichtung um Monreale nicht weiter nachgegangen, sondern der Entstehungskontext der Alba auf den Tod Alexanders III. und die „bevorstehenden Verhandlungen mit […] dem Nachfolger“ (S. 203) bezogen wird. Lohnenswert wäre hier eine Kontextualisierung mit Monreale als neue Gründung und erdachte Grablege Wilhelms II., mit den so umfangreichen Schenkungen (ǧarā’id) von 1178, 1182 und 1183 und schließlich mit der Erhebung zum Erzbistum gewesen.

In einem bündigen Schluss fasst Isabelle Dolezalek ihre Ergebnisse zusammen (S. 211–218). In Rückbindung an die Einleitung wird die Eignung der arabischen Inschriften für eine Fallstudie hervorgehoben, die auf Grund ihres transkulturellen Charakters dem Aufweichen „traditioneller Grenzen“ diene und für eine Kontextualisierung von Objekten und Artefakten plädiere. In dieser Umrahmung liegt ein Kritikpunkt der Arbeit, da die zu Tage geförderten Ergebnisse auf ein – nicht ganz neues – Paradigma verengt werden. Dafür scheinen Grenzen bisweilen als Dichotomien betont, um unter Rückgriff auf „Transkulturalität“ wieder dekonstruiert zu werden. Aus der regionalen Perspektive des zentralen Mittelmeerraumes bestünde weit weniger eine „Notwendigkeit, die empfundene Inkongruenz arabischer Formen in christlichen Kontexten zu erklären“ (S. 212).

Trotz dessen überwiegen Verdienst und Gewinn der Untersuchung: Isabelle Dolezalek fügt ein gut aufbereitetes Korpus arabischer Inschriften des normannischen Sizilien4 sorgfältig zusammen und bindet es in unterschiedliche „nationale“ und disziplinäre Forschungstraditionen ein. Die daraus resultierenden, gedankenreichen Analysen werden Diskussionen über inschriftliche Praxis und herrschaftliche Repräsentation im mittelalterlichen Mediterraneum anregen.

Anmerkungen:
1 Siehe dazu grundlegend Jeremy Johns, Arabic Administration in Norman Sicily: The Royal Dīwān, Cambridge 2002.
2 Jeremy Johns, I titoli arabi dei sovrani normanni di Sicilia, in: Bollettino di Numismatica 4,1 (1986), S. 11–54.
3 Vincenzo Di Giovanni, La topografia antica di Palermo dal secolo X al XV, Bd. 2, Palermo 1890, hier: S. 221–237.
4 Edition und Übersetzungen der Inschriften von Tarif al-Samman, Arabische Inschriften auf den Krönungsgewändern des Heiligen Römischen Reiches, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 78 (1982), S. 7–34; zuletzt Jeremy Johns, The Arabic Inscriptions of the Norman Kings of Sicily. A Reinterpretation, in: Nobiles Officinae: Perle, filigrane e trame di seta del Palazzo Reale di Palermo (Palermo, Palazzo Reale, December 2003–March 2004), hrsg. von Maria Andaloro, Catania 2006, S. 324–337.