Cover
Titel
Killing and Being Killed. Bodies in Battle. Perspectives on Fighters in the Middle Ages


Autor(en)
Rogge, Jörg
Reihe
Mainzer Historische Kulturwissenschaften 38
Anzahl Seiten
271 S.
Preis
€ 22,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Schaarschmidt, Institut für europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz

Die wohl wichtigste Ressource eines Kämpfers in einer kriegerischen Auseinandersetzung ist sein eigener Körper. Durch ihn kann er sowohl Gewalt erleiden als auch ausüben. Es ist daher nur folgerichtig, die Körper kriegführender Akteure ins Zentrum der Betrachtung zu rücken. Der von Jörg Rogge herausgegebene Sammelband ist das Ergebnis einer vom 16. bis 18. April 2016 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zum gleichen Thema abgehaltenen Tagung. Die Autoren fragen danach, wie die Kombattanten ihren Körper für den Kampf vorbereiteten, in welcher Weise sie ihn im Kampf gebrauchten und wie sie mit dessen Verletzung bis hin zur Gefahr des Todes umgingen. Dabei verweist Jörg Rogge im Vorwort unter anderem auf das methodische Problem, dass diese Erfahrungen niemals unmittelbar, sondern immer über eine narrative Verarbeitung in den Quellen zugänglich sind. Die versammelten Aufsätze möchten damit auch einen Beitrag zur Erforschung der kulturell bedingten Kommunikation über den Schmerz und damit zu einer historischen Emotionsforschung leisten.

Die thematische Bandbreite der Beiträge erstreckt sich über das gesamte Mittelalter. So beschreibt Guido M. Berndt die Goten als eine ‚Gewaltgemeinschaft‘, deren Zusammenhalt sich zentral über den Einsatz von Gewalt definierte. Er zeigt am Beispiel der Goten Fritigern und Theoderich, dass die militärischen Anführer der ‚war bands‘ sowohl individuell als auch gemeinsam mit der militärischen Gefolgschaft Gewalt ausüben mussten, um ihre soziale Stellung zu erlangen und abzusichern. Aber auch die im kriegerischen Kontext erlittene Gewalt konnte Garant für soziales Prestige und verbindendes Element mit den Anhängern sein. So thematisiert Giulia Morosini Verletzung und Verstümmelung des Körpers im Kampf und kann anhand ausgewählter Condottieri des 15. und 16. Jahrhunderts zeigen, dass Narben und bleibende Schäden für die kriegerische Klasse der Renaissance in Italien eine symbolische Bedeutung hatten. Da sie als Nachweis physischer und mentaler Stärke galten, sorgten sie für die visuelle Wahrnehmbarkeit der ‚fortitudo‘ als zentrale Tugend des spätmittelalterlichen Kriegers. Gerade für die Condottieri als militärische Führungsgestalten besaß der Beweis von Tapferkeit und Mut durch das ostentative Aushalten von Schmerzen eine große Relevanz im spätmittelalterlichen Wertesystem.

In einem Überblick über das byzantinische Reich vom 4. bis zum 8. Jahrhundert zeichnet Bogdan-Petru Maleon die Entwicklung einer Praxis der ostentativen Gewalt gegen den Körper des besiegten Feindes und den Einfluss christlicher Vorstellungen nach. Er zeigt, dass die öffentliche Verstümmelung vor allem gegenüber unterworfenen Aufständischen oder Tyrannen – so etwa das Aufpflanzen der abgetrennten Köpfe der Feinde – über den gesamten Untersuchungszeitraum im Umfeld von Siegesfeiern praktiziert wurde. Dies zielte auf Abschreckung der Feinde, auf Verdeutlichung der Sieghaftigkeit des Herrschers, aber auch etwa dann, wenn sich die Gewalthandlungen gegen das Gesicht oder die Geschlechtsorgane richteten, auf das Entziehen der Befähigung zum Herrscheramt ab. Hierbei wird deutlich, dass diese Praktiken bis auf wenige Ausnahmen primär in gesellschaftsinternen Streitigkeiten anzutreffen sind.

Den Körper als Ziel von Gewalt stellt auch Ian MacInnes ins Zentrum seiner Betrachtung. Um die reellen Kriegserfahrung der Kombattanten auszuwerten, nimmt er anhand narrativer Zeugnisse aus dem Umfeld der Kriegführung zwischen Schottland und England im 14. Jahrhundert eine Analyse der nachgewiesenen Verletzungen vor. Im Gegensatz zu Verwundungen des Torsos sind Kopfverletzungen, die auch die militärische Elite in einem hohen Maße betrafen und in einigen Fällen trotz vergleichsweise guter Schutzausrüstung tödlich verliefen, in hoher Quantität vertreten. Diese wertet er als Resultat gezielter Versuche, den Gegner im Nahkampf möglichst schnell auszuschalten, aber auch als Ergebnisse weit weniger präzisen Pfeil- oder Bolzenbeschusses. Verdienstvoll ist es, dass der Autor auch archäologische Funde in die Analyse einbezieht. Diese bestätigen ihm zufolge die chronikalen Quellen in Bezug auf die berichteten Verletzungen und eröffnen eine lohnende Perspektive für ein besseres Verständnis der Realität mittelalterlicher Kriegführung.

Zwei Aufsätze des Bandes thematisieren eingehender das als legitim wahrgenommene Ausmaß von Gewalt im Umfeld spätmittelalterlicher englischer Kriegführung. So nimmt Trevor Russel Smith einen Perspektivwechsel hin zur Ego-Perspektive vor und analysiert am Beispiel englischer Krieger während der Kriege Edwards III. deren Reflektion über eigene Gewalthandlungen. Dabei zeigt er, dass die Krieger ihre Aktionen gegen Nonkombattanten rechtfertigten, indem sie diesen eine zumeist bewaffnete und intentionale Beteiligung am Kriegsgeschehen zuschrieben und sie so in den Rang von Kombattanten erhoben. Verschweigen die Autoren narrativer Texte Gewalthandlungen gegen Kombattanten oder referieren sie diese lediglich im Rahmen wiederkehrender Phrasen, so ist dies Smith zufolge Ergebnis einer intentionalen Selektion, die darauf hinweist, dass sich die Autoren der Amoralität ihres Agierens sehr wohl bewusst waren.

Alastair J. Macdonald fragt danach, wie die in der bisherigen Forschung mitunter als besonders ausgeprägt geltende Brutalität der englisch-schottischen Kriege im 14. Jahrhundert erklärt werden kann. Er legt überzeugend dar, dass sich in Ermangelung grundlegender trennscharfer Kriterien, wie etwa der Irregularität der Truppen, weder eine binäre Teilung in konventionellen Krieg und Guerillakrieg, noch aufgrund fehlender Abgrenzung zweier fundamental unterschiedlicher kultureller Entitäten das Modell eines interkulturellen Krieges eignet. Daher schlägt er vor, den anglo-schottischen Konflikt stärker im Kontext der unterschiedlichen sozialen Zusammensetzung der Heere der Kontrahenten zu sehen und stellt einen höheren Grad an Brutalität grundsätzlich in Frage. Vielmehr seien die spezifischen Umstände der jeweiligen historischen Situation zur Erklärung eines Ausbruchs an Brutalität heranzuziehen.

Erkenntnisse darüber, wie Kombattanten ihre Körper auf den Kampf vorbereiteten und anschließend einsetzten, gewinnen Eric Burkhart und Daniel Jaquet anhand spätmittelalterlicher Fechtbücher. Burkhart kann hier am Beispiel der Fechtbücher Hans Talhoffers nachweisen, dass die darin verwendeten Illustrationen weniger auf Vermittlung unbekannter Kampftechniken angelegt waren, als dass sie sich an Rezipienten richteten, die bereits mit Talhoffers Technik vertraut waren und ihnen so helfen sollten, Eingeübtes zu wiederholen. Dabei verortet er die Werke in einer spezifischen „culture of fighting“ (S.117) und weist auf die methodischen Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion derselben hin, die vor allem darin bestünden, dass diese Techniken durch implizite, nicht schriftlich oder bildlich vermittelbare Lernprozesse anzueignen sind. Jaquet nimmt Fechtbücher des 15. Jahrhunderts in den Blick, welche sich dem Zweikampf vor Gericht als einer Form des ritualisierten Kampfes widmen. Diese beinhalten Ratschläge zur zielgerichteten Vorbereitung durch spezifische Nahrungsaufnahme, Tagesstrukturierung oder körperliches Training und geben so Aufschluss über kulturelle Normen und Verhaltensweisen im Kontext von Kampfpraktiken. Dem Aufsatz schließt Jaquet eine lobenswerte Edition der behandelten Texte Hans Talhoffers und Paulus Kals an. Die ebenfalls angefügten Abbildungen zur Trainingsvorbereitung (S. 163f.), die aus einer Handschrift Hans Talhoffers stammen, hätten dabei ruhig etwas größer ausfallen können.

Auch Judith Mengler widmete sich der Frage nach der Vorbereitung des Körpers für die Schlacht, in ihrem Fall durch die Alimentierung. Am Beispiel der Katalanischen Kompanie behandelte sie die Frage, wie sich eine spätmittelalterliche Söldnertruppe im Zuge ihrer militärischen Aktivitäten ernähren konnte. Mögliche Optionen bestanden im logistisch äußerst anspruchsvollen Mitführen der Versorgung, dem Kaufen bei mitreisenden Händlern und der Alimentierung über kriegerische Raubzüge im Umland.

Wie auch Dominik Schuh in seiner abschließenden Zusammenfassung betont, zeigen die versammelten Beiträge kulturelle Normen und Werte einer Gesellschaft auf, deren Elite sich zumeist aus der Gruppe der Kombattanten rekrutierte. Macht verstand dieses soziale Umfeld oftmals als die Fähigkeit zur Ausübung von Gewalt, deren Grundvoraussetzung ein geeigneter Körper darstellte.

Nicht alle Beiträge schöpfen hier das Potenzial einer auf Körperlichkeit ausgerichteten Fragestellung vollständig aus. Das mindert jedoch nicht das generelle Verdienst des Bandes, einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der mittelalterlichen Kriegerelite geleistet und fruchtbare Impulse gesetzt zu haben. Nicht zuletzt sind anhand verschiedener Einzelstudien lohnende Perspektiven für eine weitere Beschäftigung aufgezeigt worden.

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