M. Symonds: Protecting the Roman Empire

Cover
Titel
Protecting the Roman Empire. Fortlets, Frontiers, and the Quest for Post-Conquest Security


Autor(en)
Symonds, Matthew
Reihe
Current World Archaeology
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 251 S.
Preis
€ 84,63; £ 75.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karl Oberhofer, Archäologisches Institut, Universität zu Köln

Der Schutz eines neu in das römische Reich eingegliederten Gebietes ließ sich nicht nur durch einseitig definierte Grenzen mit größeren Truppenkonzentrationen und linearen Wallanlagen bewerkstelligen, es brauchte auch kleinere Strukturen mit beweglicheren Einheiten, um diese Aufgabe zu meistern. Berechtigterweise nennt der Autor Kleinkastelle („fortlets“) bereits im Titel als evidentes Merkmal einer leistungsfähigen Grenzüberwachung und greift einige Aspekte auf, die in der kontinental-europäischen „Limes-Forschung“ – wenn man sie denn so bezeichnen darf – bis dato nur in einem überschaubaren Maße Beachtung fanden. Als Untersuchungsgebiet definiert er „north-west Europe corresponding to modern Britain, the Netherlands, Germany, France and Switzerland“ (S. 3).

In der kompakten Einleitung (S. 1–31) umreißt Matthew Symonds die wesentlichen Elemente einer funktionierenden Sicherung von Grenzgebieten: So spielten Kleinkastelle („fortlets“) und Wachtürme („towers“) eine herausragende Rolle und werden zusammenfassend als „outposts“ bezeichnet. Diese Anlagen besorgten in einer bedarfsorientierten Dichte die Überwachung eines Gebietes, welches keineswegs auf eine Grenzregion im engeren Sinne beschränkt sein musste. Ergänzend erfahren in diesem Kapitel einzelne sozioarchäologische Themen eine Erwähnung – exemplarisch seien hier Bezüge von Truppenangehörigen untereinander und ihre Freizeitgestaltung genannt. Entlang den Grenzen des römischen Reiches versahen in diesen „outposts“ mehrheitlich Angehörige von Hilfstruppen ihren Dienst. Um das Alltagsleben an den Grenzen nachzuzeichnen, werden hauptsächlich die Tabulae Vindolandenses und die Ostraka aus der ostägyptischen Wüste bemüht. Gemeinsamkeiten und Parallelen können vor dem Hintergrund unterschiedlichster soziokultureller Eigenheiten der Soldaten nur summarisch herausgearbeitet werden. Es spricht für den Autor, dass er die Problematik, die mit der Projektion von Erkenntnissen zum nordafrikanisch geprägten Leben an die Außengrenzen der Nordwestprovinzen verbunden ist, selbst erkennt (S. 30).

Der erste Teil des Buches mit der Überschrift „Consolidating Conquest“ (S. 33–92) bietet eine Gliederung des archäologisch Bekannten entlang von Wasser- und Landwegen, wobei vermeintliche Parallelen inner- und außerhalb des definierten Untersuchungsgebiets nicht vollständig wissenschaftlich durchdrungen werden konnten (S. 33f.).1 Ein Grenzabschnitt wird nicht als übergeordnetes Objekt mit seiner gesamten archäologischen Hinterlassenschaft beleuchtet, vielmehr werden „fortlets“ und „towers“ zu entkoppeln versucht und als wesentliche Elemente zur Sicherung von Wasserwegen und Fernstraßen besprochen (Kapitel 2 und 3). Dadurch ergeben sich neue Blickwinkel auf militärhistorisch-operative Zusammenhänge. In Kapitel 2 wird zunächst ein gefälliges Bild der ripae rezipiert und der Autor vergleicht Anlagen entlang des Rheins und der Donau mit dem Fallbeispiel Martinhoe an der Exmore Coast in Südwest-England. In Kapitel 3 werden die Sicherungsanlagen entlang der Fernstraßen thematisiert. Den erreichten Forschungsstand im heutigen Großbritannien vermag die Besprechung dieser Anlagen in Wales, der Gask Ridge Linie im heutigen Schottland, in den Pennines in Nordengland und schließlich im antoninischen Schottland aufzuzeigen, welche mit erfreulicher Tiefenschärfe behandelt werden. Der Autor bezeichnet den Forschungsstand in den germanischen Provinzen und Raetien im Vergleich zum britischen als fragmentarisch (S. 58), was gerade im Hinblick auf die nicht zitierte Literatur kritisch zu sehen ist.2 Die kurze Erwähnung der Walensee-Route in der heutigen Schweiz mit ihren ungleich bekannteren Türmen belegt angesichts der jüngsten vom Autor zitierten Literatur von Rudolf Laur-Belart aus dem Jahre 1962 eine schwerwiegende Unkenntnis der wissenschaftlichen Debatte.3

Der zweite Teil ist der Grenzkontrolle („Border Control“, S. 93–176) gewidmet. Erwartungsgemäß beleuchtet der Autor zunächst in Kapitel 4 den Hadrianswall und erläutert die konzeptionelle Entwicklung dieser Grenze. Eine eingehende, auf den Titel des Werkes ausgerichtete Reflexion des Forschungsstandes führt zu dem bereits aus Obergermanien bekannten Schluss, dass diese starre Grenze durchaus positive Einflüsse auf die im römischen Gebiet liegende ländliche Besiedlungsstruktur hatte.4 In gleicher Art und Weise wird in Kapitel 5 der Antoninuswall einer fundierten, auf umfassenden Forschungen aufbauenden Analyse unterzogen. Dem Autor gelingt es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Architektur und im Funktionieren der Anlagen, insbesondere den „fortlets“, herauszuarbeiten. Der Kenntnisstand zur Grenzkontrolle am obergermanisch-raetischen Limes wird in Kapitel 6 rezipiert. Mehrfach kommt der Autor unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte wie „Outpost Use“ und „Frontier Gates“ zu dem Schluss, dass zwar grundsätzlich Parallelen bestehen, aber im Vergleich zum Hadrians- und Antoninuswall die Intensität des Grenzverkehrs und damit einhergehend die Notwendigkeit zur Überwachung geringer ausfällt (S. 176).

Der dritte Teil des Buches unter dem Titel „Provincial Collapse“ (S. 177–228) beginnt, entgegen der Reihung in den vorhergehenden Teilen, mit einem Kapitel zu den späten Überlandverbindungen („Late Highways“). Nach der Besprechung der Situation im Hinterland des römischen Köln wird die Donau-Iller-Rhein-Linie thematisiert und auf Basis englischsprachiger Literatur ein oberflächliches Bild dieser Grenzlinie wiedergegeben, das im Wesentlichen dem Forschungsstand der späten 1990er-Jahre entspricht. In Kapitel 8 erfahren die Wasserwege der Spätzeit Beachtung, wobei der Rhein mit einigen befestigten Fundstellen behandelt wird. Ergänzend wird hierzu die vergleichbare Anlage von The Nunnery auf Alderney angeführt und der Küstenabschnitt südlich von Middlesbrough mit seinen „Signal Stations“ (S. 203–208) besprochen. Kapitel 9 (S. 213–228) kann als eigentliches Auswertungskapitel angesehen werden, welches die britischen Anlagen synoptisch betrachtet und den eingangs thematisierten historisch-kulturwissenschaftlichen Ansatz weiterführt.

Matthew Symonds kann in seinem Buch „Protecting the Empire. Fortlets, frontiers and the quest for post-conquest security” erfolgreich die Bedeutung kleinerer militärischer Anlagen aufzeigen. Die neuen Blickwinkel auf die Grenzsicherung werden allerdings vielfach getrübt. So suggeriert der Titel eine geographisch umfassende Auseinandersetzung mit diesen „outposts“, wohingegen die Ergänzung „focused on Roman Britain“ den tatsächlichen Inhalt des Buches ungleich präziser umschreiben würde. Auch ist ein bivalenter, wohl auf das Nichtüberwinden sprachlicher Hürden zurückzuführender Umgang mit wissenschaftlichen Quellen nicht von der Hand zu weisen. Die britischen Fundstellen und die entsprechenden Primärquellen erfahren eine themenbezogene Beachtung. Englische Sekundärliteratur wird ebenfalls hinreichend zitiert und die Forschungsdiskussion pointiert zusammengefasst. Das Niveau kann für die Grenzabschnitte der germanischen Provinzen und Raetien nicht gehalten werden und reduziert sich auf grundlegende Zusammenfassungen: Wiederholt zitierte Sekundärliteratur wie zum Beispiel der Exkursionsführer zum XXIII. Internationalen Limeskongress in Ingolstadt 2015, der auch in einer englischsprachigen Ausgabe veröffentlicht wurde5, lässt Sorgfalt beim wissenschaftlichen Durchdringen kontinental-europäischer Vergleiche vermissen. Unzureichende Accuratesse spiegeln auch die nicht maßstäblich wiedergegebenen Grundrisse wieder: Exemplarisch sei hier auf Abb. 41 (S. 143) mit „fortlets“ am Antoninuswall verwiesen, die den Maßstab von 1:952 aufweist und damit anerkannten architekturanalytischen Grundsätzen zuwiderläuft. Der bleibende Eindruck des kleinformatigen Buches leidet auch unter dem hohen Preis, der mehr erwarten ließe als lichtdurchlässiges Papier niedriger Grammatur und verschwommene, kleine SW-Abbildungen.

Anmerkungen:
1 Zu den „fortins“ und „recintos-torre“ im Alto Alentejo (Portugal) vgl. Rui Jorge Lopes Mataloto, Fortins e recintos-torre do Alto Alentejo. antecâmara da "romanização" dos campos, in: Revista Portuguesa de Arqueologia (Lisboa) 5,1, 2002, S. 161–220. Zu den Walenseetürmen vgl. Anm. 3.
2 So fehlen zum Beispiel: Thomas Fischer / Erika Riedmeier-Fischer, Der römische Limes in Bayern. Geschichte und Schauplätze entlang des UNESCO-Welterbes, Regensburg 2008; an dieser Stelle sei auch auf die zweite überarbeitete Auflage (Regensburg 2017) hingewiesen. Des Weiteren: Peter Henrich (Hrsg.), Der Limes vom Niederrhein bis an die Donau. 6. Kolloquium der deutschen Limeskommission, 15./16. März 2011 in Mainz. Beiträge zum Welterbe Limes 6, Stuttgart 2012. In diesem Zusammenhang ist auf eine baldige Publikation der Dissertation „Wachttürme am rätischen Limes“ von Elisabeth Krieger zu hoffen; vgl. dazu: Dies., We are watching you – Die Wachttürme am Raetischen Limes. Der Limes 8/2014, Heft 2, S. 28–31.
3 Rudolf Laur-Belart, Der frührömische Wachtposten auf dem Biberlikopf, SG, in: Ur-Schweiz 26, 1962, S. 35–51. In der „Introduction“ [S. 34] wird in diesem Zusammenhang noch auf Walter Drack / Rudolf Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, S. 320 verwiesen. Vgl. die gut zugängliche Zusammenfassung von: Werner Zanier, Das Alpenrheintal in den Jahrzehnten um Christi Geburt. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 59, München 2006, S. 102–119.
4 Die komplexe Entwicklung ist gerade in Obergermanien mit der Vorverlegung des Limes besonders greifbar. Ähnlich, aber nicht zitiert: Egon Schallmeyer, Der Limes in Obergermanien und Raetien bis zum Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr., in: Ludwig Wamser (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Christof Flügel und Bernward Ziegaus, Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer, Mainz 2000, S. 64–74, bes. S. 71 f.
5 Suzana Matešic / C. Sebastian Sommer (Hrsg.), Am Rande des Römischen Reiches. Ausflüge zum Limes in Süddeutschland. Beiträge zum Welterbe Limes Sonderband 3, Bad Homburg 2015. Dies., At the Edge of the Roman Empire. Tours along the Limes in Southern Germany. World Heritage Site Limes Special volume 3, Bad Homburg 2015.

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