Titel
"Die rote Gefahr". Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950-2000


Autor(en)
Körner, Klaus
Erschienen
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 15,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Stöver, Historisches Institut, Universität Potsdam

Der im Hamburger Konkret Verlag erschienene Band "'Die rote Gefahr', Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik 1950-2000" hat sich zum Ziel gesetzt, den aus Westdeutschland betriebenen Propagandakrieg gegen die DDR zu analysieren. Die Zäsurensetzung, die auf den ersten Blick etwas rätselhaft erscheint, klärt sich relativ schnell. Die Hauptintention des Buches wird in der Einleitung noch einmal unterstrichen: Es geht dem Autor um die Analyse von Kalter-Kriegs-Propaganda, vor allem auch um den "Beweis" von Kontinuitäten über das Ende des Kalten Krieges 1991 hinaus.

Die Forschung, so insinuiert Körner, habe es bislang versäumt, sich die Produkte der antikommunistischen Propaganda anzuschauen. Deren Analyse komme immer zu kurz. Selbst wenn es so wäre, eine eingehende Analyse der Propagandaprodukte ist diese Arbeit eben gerade nicht. Sie ist eher ein Überblick über einen Teil der Organisationen, die vor allem in der Frühzeit des Kalten Krieges mit westdeutschen, alliierten oder Geldern aus anderen Quellen unterhalten wurden und antikommunistische Broschüren herstellten und vertrieben. Das wohl größte Problem der Arbeit ist aber ein anderes: Körner definiert an keiner Stelle, was er eigentlich unter dem Begriff "Antikommunismus" versteht. Wenn man der Argumentation des Buches folgt, so ist wohl zu vermuten, dass er unter diesem Begriff eigentlich alles subsumiert, was aus seiner Sicht gegen den DDR-Staatssozialismus gerichtet war. Insofern fällt unter "Antikommunismus" bei Körner sowohl die Propaganda des Kalten Krieges, wie sie zum Beispiel aus der Bundesrepublik und den USA heraus betrieben wurde, aber auch zum Beispiel die wissenschaftliche DDR-Forschung und vor allem die Dissidenten in der DDR wie Biermann, Bahro, Havemann. Dass die DDR-Dissidenten weit davon entfernt waren, Antikommunisten zu sein, sondern ihre Kritik in der Regel als Weg sahen, zu einem "besseren Sozialismus", zu einer "besseren DDR" zu kommen, spielt in seiner Argumentation keine Rolle. Insofern ist bei ihm alles in einem antikommunistischen Topf: Dissidenten, antikommunistische Hardliner der Fünfziger-Jahre, auch "Der Spiegel", wenn er z.B. in den Siebziger-Jahren Dissidenten-Texte abdruckte, Wissenschaftler, wenn sie sich kritisch zur DDR äußerten, wissenschaftliche Institute, die sich nach 1990 mit der DDR-Geschichte beschäftigen etc. pp.

Der Kalte Krieg war tendenziell ein "totaler", in dem mit Ausnahme der atomaren Waffen, die sich aufgrund ihres langfristigen Zerstörungspotenzials als nicht einsetzbar erwiesen, alles Verfügbare von beiden Seiten zum Einsatz kam, um diesen Konflikt zu gewinnen. So weit kann man sich wahrscheinlich einigen. Den Kalten Krieg kann man deshalb als eine politisch-ideologische, ökonomische, technologisch-wissenschaftliche und kulturell-soziale Auseinandersetzung interpretieren, die ihre Auswirkungen auf beiden Seiten bis in den Alltag hinein zeigte. Nur in der Dritten Welt wurde der Kalte Krieg schließlich auch als konventionelle militärische Auseinandersetzung geführt. Die Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg war in diesem Konflikt immer auch eine Doppel- und Konkurrenzgeschichte der asymmetrisch verflochtenen Teile Bundesrepublik und DDR. Die "feindlichen Brüder" bekämpften sich in diesem Krieg mit einer Vielzahl von Waffen, in der die Propaganda nur eine war. Wahrscheinlich wird es niemals mehr zu rekonstruieren sein, wie viele Druckschriften etwa mit Ballons, über Kuriere, über den Postweg usw. von einem Staat in den anderen transportiert wurden, um die Bevölkerung im gewünschten Sinne zu überzeugen. Es waren Millionen von Einzelexemplaren. Körner zeigt für die fünfziger Jahre durchaus anschaulich, wie dieser "Krieg" von Ost und West geführt wurde. Hinzu kamen viele weitere Instrumente, von denen die wichtigsten das Radio und das Fernsehen waren.

Beteiligt waren eine Vielzahl von Organisationen, die in der Bundesrepublik im Gegensatz zur DDR aus den unterschiedlichsten politischen Richtungen kamen: Von ganz rechts bis ganz links, von gemäßigt bis radikal. Der Autor nennt einen Teil von ihnen: Insbesondere der Volksbund für Frieden und Freiheit (VFF) und seine Arbeit in den Fünfziger-Jahren nimmt in der Darstellung eine prominente Rolle ein. Zu Recht weist der Autor darauf hin, dass es mit dem Goebbels-Propagandisten Eberhart Taubert tatsächlich eine personelle Kontinuität zum Dritten Reich gab. Die Radikalen von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), die zum Teil aus dem Widerstand gegen Hitler kamen und die DDR als die zweite, als die "rote Diktatur" verstanden, gehörten natürlich auch dazu wie Körner zeigt. Ein Teil dieser Organisationen in Westdeutschland schloss sogar Kooperationen mit ausländischen Gruppen, so konstituierte sich der "Freibund für Deutsch-Russische Freundschaft" am 13.5.1951 aus der deutschen KgU und dem russischen NTS. Der NTS wiederum hatte bereits eine rechtsradikale Vorgeschichte, die auf das Jahr 1930 zurückging und im Zweiten Weltkrieg in einer Zusammenarbeit mit den NS-Behörden gipfelte. Solche internationalen Verbindungen und Kooperationen werden in dem Band allerdings nur selten erwähnt, obwohl sie für die Leitthese wichtiges Material geliefert hätten. Eher die Ausnahme ist daher auch eine kurze Erwähnung des amerikanisch-europäischen "Congress for Culturell Freedom" (CCF), der bis in die Sechziger-Jahre aktiv war und tatsächlich auch große Namen für sich gewinnen konnte: George Orwell, Arthur Koestler, Manés Sperber, Bertrand Russell und Ignazio Silone.

Körners Darstellung konzentriert sich trotz des Titels vor allem auf die Fünfziger-Jahre, die im Buch etwa zwei Drittel des Textes beanspruchen. Erst auf den letzten sechzig Seiten geht es im Eiltempo und teilweise nur polemisch durch die nächsten vier Jahrzehnte. Entsprechend wenig Zeit bleibt natürlich für das Belegen der Behauptungen. Nun hat auch die bereits länger vorliegende wissenschaftliche Literatur zum Thema gezeigt, dass mit dem Beginn der Entspannungspolitik und der "Neuen Ostpolitik" der Antikommunismus in der Bundesrepublik nicht schlagartig abbrach. Im Gegenteil: Konservative Lobby-Gruppen arbeiteten in den Siebziger und Achtziger-Jahren zum Teil massiv gegen jede Entspannung, die sie als Schwächung des Westens empfanden. Vertreter von Vertriebenenorganisationen suchten in den USA Kontakt zu den dortigen Gegnern der "Neuen Ostpolitik". Dennoch: Die Entspannungspolitik war auf vielen Feldern erfolgreich und gerade der Broschürenvertrieb in den Osten ging weit zurück, nicht zuletzt, weil viele der alten Kampforganisationen am Ende der Sechziger-Jahre auf der Strecke geblieben waren.

Körner allerdings konstatiert einen weitgehend ungebrochenen Antikommunismus, wobei nun doch auffällt, wie problematisch es ist, keine Definition zu haben: Unter anderem fällt nun auch "Der Spiegel" darunter, der die Thesen von DDR-Dissidenten abdruckte. Auch die Proteste gegen die Biermann-Ausbürgerung 1976 werden hier als Belege für die Kontinuität in der antikommunistischen Agitation aufgeführt, ebenso der Vertrieb etwa von Solschinizyn-Werken. Nicht nur hier verwundert die Methode und die daraus hervorgehende Pauschalität der Urteils.

Die Verwunderung des Lesers nimmt noch zu, sobald sich der Autor dem Versuch zuwendet, die in den Neunziger-Jahren zur Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte und der internationalen Zeitgeschichte neu gegründeten wissenschaftlichen Einrichtungen als Fortsetzung der antikommunistischen Propagandaarbeit einzuordnen: Ausdrücklich erwähnt werden in diesem Zusammenhang die Abteilung Bildung und Forschung des/der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU), das Hannah-Arendt-Institut in Dresden (HAIT) und das Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF). Auch hier reicht es nur für ein ebenso pauschales wie falsches Urteil: "Für die Abrechnung mit der DDR-Vergangenheit waren nicht nur die gereinigten Historischen Institute der ehemaligen DDR-Universitäten zuständig, es wurden neben der wissenschaftlichen Abteilung der Gauck-Behörde weitere Forschungsinstitute geschaffen, so das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden und das Institut für Zeithistorische Studien in Potsdam" (S. 182).

Fazit: Es bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück. Der Band wäre wahrscheinlich besser gelungen, wenn der Autor ihn auf die Fünfziger und Sechziger-Jahre beschränkt hätte, die ohnehin den Hauptteil seines Buches ausmachen. Für ein differenziertes Urteil über Kontinuität und Diskontinuität des Antikommunismus reicht er nicht aus.

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