J. Torsy (Hg.): Namenstagskalender CD-ROM

Cover
Titel
Der große Namenstagskalender. 3850 Namen und Lebensbeschreibungen der Namenspatrone


Autor(en)
Torsy, Jakob
Erschienen
Freiburg 2002: Herder Verlag
Anzahl Seiten
448 S. mit CD-ROM
Preis
€ 25,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eric Steinhauer, Universitätsbibliothek, Technische Universität Ilmenau

Bücher über Heilige sind populär, ebenso Heiligenlexika und -kalender. In meist frommer Absicht erstellt, haben solche Werke für den Historiker nur einen begrenzten Wert. Es fehlen Literaturangaben und eine kritische Würdigung der Heiligenviten. In die Reihe der mehr populären Lexika gehört auch das hier zu besprechende Werk von Jakob Torsy. Es ist ein Namenstagskalender, der für jeden Tag des Jahres den jeweils liturgisch gefeierten Heiligen in einer Kurzvita vorstellt ohne wissenschaftliches Beiwerk und Literaturangaben. Hier könnte man die Rezension mit dem Prädikat „nicht für den wissenschaftlichen Gebrauch geeignet“ schließen. Das jedoch wäre voreilig. Torsys Werk, das nun in einer von Hans-Joachim Kracht neu bearbeiteten Auflage als Hybrid-Publikation (zugleich Buch und CD-ROM) vorliegt, fußt auf fundierten hagiografischen Studien des ehemaligen Kölner Diözesanarchivars Jakob Torsy (1908-1990). Dessen Forschungsschwerpunkte waren Patrozinienforschung und Heortologie, die Kunde von den liturgischen Festen, besonders den liturgischen Heiligenfeiern 1. Torsy war also ein Experte für Heilige im Glaubensleben und Brauchtum der Kirche. Vor diesem Hintergrund wurde der Namenstagskalender erstellt. Er behandelt nicht nur Heilige im eigentlichen Sinne, sondern auch Selige oder Personen, die auf dem Weg zur Heilig- oder Seligsprechung sind. Die Auswahl der gebotenen Viten ist recht groß, immerhin 1.680, aber mit Blick auf die Gesamtzahl der Heiligen nicht vollständig. Dennoch sind die wichtigsten Heiligen und solche mit gewisser Bedeutung im deutschen Sprachraum enthalten (vgl. S. 8).

Die einzelnen Lemmata geben eine knappe Kurzvita, dann aber auch – freilich nicht durchgängig – Angaben zu Ikonografie und Patrozinium. Ist ein Heiliger in einem deutschsprachigen liturgischen Kalender enthalten, wird durch ein Kürzel, das die jeweilige Diözese kennzeichnet, darauf hingewiesen. War der Heiliger Ordensmitglied, ist dies zu Beginn des Artikels mit dem jeweiligen Ordensakronym gekennzeichnet. So erfährt man, dass der Heilige Morand (gest. um 1115, Fest am 3. Juni) Benediktiner war, als Mönch mit Rebmesser und Traube dargestellt wird, Patron der Winzer ist, gegen Besessenheit angerufen wird und im liturgischen Kalender der Diözese Straßburg enthalten ist. Vergleicht man das bei Torsy Gebotene mit „wissenschaftlichen“ Lexika, so stellt man fest: In der 3. Auflage des Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) sowie im Lexikon des Mittelalters kommt der Heilige Morand gar nicht vor 2, im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL) nennt das einschlägige Lemma den Torsy als Literaturhinweis; zugleich ist dieser Artikel auffallend eng an die Darstellung von Torsy angelehnt.3 Diese kurze Stichprobe mag genügen, um die Solidität der Information zu belegen. Weitere Beispiele ließen sich leicht finden. Als Kurzreferenz kann „Der große Namenstagskalender“ also gut mit anerkannt wissenschaftlichen Werken mithalten, ja wird sogar als zitationsfähig angesehen.

Hervorzuheben ist Torsys Besonderheit beim Nachweis der liturgischen Eigenfeiern in den einzelnen diözesanen Festkalendern, die kein anderes Nachschlagewerk bietet. Hier liegt der liturgiewissenschaftliche Wert des Namenstagskalenders. Ein ausführlicher Registerteil beschließt das Werk. Zunächst findet sich ein Namensregister, um einzelne Heilige gezielt zu finden. Daran schließen sich Literaturhinweise an, die alle gängigen hagiografischen Repertorien nennen, auch grundlegende Werke der Liturgiewissenschaft und Heortologie und recht entlegene Sammlungen, wie das Hagiologion der Präemonstratenser. Auf das neue Martyrologium Romanum wird nicht hingewiesen.4 Zuletzt findet man ein Verzeichnis der Ordensnamen, wo die Ordensakronyme aufgelöst werden. Merkwürdigerweise geht dieses Verzeichnis von den vollständigen Namen, nicht von den Akronymen aus, was für Nicht-Fachleute wenig hilfreich ist. Erwähnt werden soll noch die Einleitung des in Kalenderkunde ausgewiesenen Liturgiewissenschaftlers Philipp Harnoncourt, der für Nichttheologen verständlich die Grundlagen der katholischen Heiligengedächtnisses knapp skizziert (S. 5-7). Soweit zum gedruckten Werk.

Die beigegebene CD-ROM enthält den gesamten Text des Torsy im pdf-Format. Hier gibt es kaum etwas zu besprechen, da der Verlag in die Besonderheiten des elektronischen Mediums nichts investiert hat. Es hätte sich angeboten, vielleicht eine Datenbank mit normierten Einträgen zu schaffen, die eine gezielte Suche nach einzelnen Attributen, Orden, Orten und Zeiträumen ermöglicht hätte. Offenbar ist man der Ansicht, eine durchsuchbare pdf-Version reiche aus. Inwieweit dies zutrifft, soll kurz untersucht werden. Geht man wieder vom Beispiel des Heiligen Morand aus, kann man fragen, welche weiteren Heiligen Patrone der Winzer sind oder gegen Besessenheit angerufen werden. Die gefundenen Ergebnisse sind in kurzer Zeit ausgewertet. Hier war die reine Volltext-Suche im pdf-Text hilfreich und ausreichend. Wenn nach den Heiligen des Straßburger Diözesankalenders gefragt ist, ist das entsprechende Kürzel, also „ST“ zu suchen. Eine zuverlässige Suche über den Volltext setzt voraus, dass die Artikel selbst hinreichend normiert sind. Als Beispiel sollen Heilige der Passionisten gesucht werden. Sucht man mit dem Ordenskürzel „CP“ im Text, so erhält man fünf Treffer. Sind damit alle Passionisten, die im Namenstagskalender enthalten sind, ermittelt? Wenn man mit „Passioni“ sucht, werden keine neuen Passionisten gefunden. Auch Stichproben nach weiteren Passionisten-Heiligen waren erfolglos. Damit darf man sagen, dass beim vorliegenden Beispiel die konsequente Anwendung der Ordensakronyme einen guten Suchkomfort für die digitale Variante des Torsy gewährleistet. Die Suche nach den Passionisten hat aber auch Lücken offenbart. So fehlt der populärste Passionisten-Heilige, der Heilige Gabriel Possenti (1838-1862; Fest am 27. Februar) 5, weniger bedeutende wie der Selige Isidor de Loor (1881-1916) oder der Selige Charles Houben (1821-1893) werden demgegenüber berücksichtigt. Aber das sind Einzelheiten, die den Wert den Werkes nicht schmälern.

Greift man die eingangs getroffene Feststellung auf, der Torsy sei ein eher populäres Werk, ist dies zu revidieren. Er kommt zwar ohne wissenschaftlichen Ballast daher und ist auch für Laien verwendbar, die sich einfach über ihren Namenspatron informieren wollen. Für den wissenschaftlichen Leser aber bietet der Torsy brauchbare und zuverlässige Erstinformation. Die Angaben zu Ikonografie und Patrozinien sind für den Volkskundler nützlich. Die elektronische Version auf der beiliegenden CD-ROM erschließt das Werk zufrieden stellend. Insgesamt ein solides Nachschlagewerk zu einem günstigen Preis für die Handbibliothek des Historikers und Volkskundlers, aber auch des Theologen.

Anmerkungen:
1 Torsy, Jakob, Die Eigenkalender des deutschen und niederländischen Sprachgebietes mit besonderer Berücksichtigung der Erzdiözese Köln (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 14), Siegburg 1977. Vgl. auch Kracht, Hans Joachim, Nachruf Dr. theol. Jakob Torsy (1908-1990), in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 43 (1991), S. 502-504.
2 Wohl aber in der zweiten Auflage des LThK in Bd. VII Sp. 625. Das Fehlen eines Lemma zum Hl. Morand verwundert, da er immerhin in einem deutschsprachigen Diözesankalender erscheint und zu den Hausheiligen der Habsburger gehört.
3 Ekkhart Sauser, Art. „Morand“, in: BBKL XVI (1999), Sp. 1097.
4 Martyrologium Romanum : ex decreto sacrosancti oecumenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatum, ed. typica, Città del Vaticano 2001. Möglicherweise lag es bei Redaktionsschluss des Torsy im August 2001 noch nicht vor.
5 Es gibt mehrere deutsche Darstellungen dieses in Italien außerordentlich populären Heiligen: Hünermann, Wilhelm, Der Tänzer von Spoleto. Das Leben des Heiligen Gabriel Possenti (1838-1862), Neuausgabe, Lauerz am See 2004; Lenzen, Gregor, Gabriel Possenti. Mein Leben ist eine einzige Freude, San Gabriele 1988.

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