G.R. Ueberschär u.a.: 1945. Das Ende des Krieges

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Titel
1945. Das Ende des Krieges


Autor(en)
Ueberschär, Gerd R.; Müller, Rolf-Dieter
Erschienen
Darmstadt 2005: Primus Verlag
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Kunz, Bundesarchiv, Außenstelle Ludwigsburg

Der überaus große mediale Widerhall, den der 60. Jahrestag des Kriegsendes 1945 in Deutschland ausgelöst hat, ist inzwischen weitgehend abgeklungen. Auch wenn die in den Buchhandlungen eingerichteten Büchertische überquollen, so boten sie doch, von Ausnahmen abgesehen, kaum neue Erträge der wissenschaftlichen Forschung zum Thema. Und auch die Neuerscheinungen im Segment der historischen Lesebücher, die sich in erster Linie an ein nichtwissenschaftliches Publikum richten, blieben überschaubar.

Zu letzteren kann auch die Neuauflage der von Gerd R. Ueberschär und Rolf-Dieter Müller bereits im Jahr 1994 präsentierten Gesamt- bzw. Überblicksdarstellung des Epochenjahres 1945 gezählt werden.1 Hält sich deren Überarbeitung und Erweiterung nach Auffassung des Rezensenten auch in Grenzen, so rechtfertigt der genannte Jahrestag des historischen „Großereignisses“ dennoch eine Neuauflage.

Ueberschär und Müller bieten ihren Lesern einen profunden Überblick zu den Ereignissen im letzten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Darstellung folgt unterschiedlichen Perspektiven: Neben Politik und Kriegsführung (sofern man von einer solchen überhaupt noch sprechen kann), Kriegsanstrengungen und der Mobilisierung materieller, personeller und ideeller Ressourcen werden die Strukturen der deutschen Zusammenbruchsgesellschaft sowie Charakteristisches aus dem Alltag von Soldaten, Zivilisten, aber auch der Opfer der nationalsozialistischen Rasse- und Vernichtungspolitik nachgezeichnet. Parallel dazu werden die Anti-Hitler-Koalition und die alliierten Kriegsziele beschrieben.

Konzise ordnen die Autoren die Niederlage des „Dritten Reichs“ in den Kontext des vom NS-Regime losgetretenen, rasseideologisch motivierten Eroberungs-, Raub-, Versklavungs- und Ausrottungskrieges ein. Ueberschär und Müller führen eindringlich vor Augen, wie sich der entfesselte Furor der in der Agonie liegenden NS-Herrschaft unterschiedslos gegen die im Machtbereich des Regimes befindlichen Individuen richtete, unabhängig davon, ob es sich dabei um Männer, Frauen oder Kinder, um Ausländer oder Deutsche handelte. Die Darstellung überwindet die jahrzehntelang vorherrschende Täter-Opfer-Dichotomie und veranschaulicht erneut, was Richard von Weizsäcker vor nunmehr 20 Jahren als gesellschaftspolitisches Deutungsmuster formuliert hat: den 8. Mai 1945 retrospektiv als einen Tag der Befreiung aller Deutschen von der menschenverachtenden Unrechts- und Terrorherrschaft des Nationalsozialismus zu verstehen. In Kombination mit ihrer guten Lesbarkeit stellt die Darstellung somit vor allem einen respektablen Beitrag für die historisch-politische Bildungsarbeit dar. Sie verharrt überdies nicht in der Beschreibung der Ereignisse in Deutschland, sondern macht strukturelle Kontinuitäten wie Brüche transparent, nimmt die europäische und die globale Dimension des Jahres 1945 in den Blick und thematisiert schließlich die Grundzüge des beginnenden Atomzeitalters.

Die Komplexität des historischen Großereignisses 1945 mit angemessener Differenzierung und thematischer Ausgewogenheit anschaulich zu vermitteln ist keine geringe Leistung. Fraglich ist allein, ob die Auswahl der im Anhang präsentierten Dokumente zweckmäßig ist, bleibt diese doch hinter dem gelungenen multiperspektivischen Ansatz der Darstellung zurück. Auf Stimmungsberichte, Tagebuchaufzeichnungen oder Feldpostbriefe beispielsweise, die dazu geeignet sind, ein möglichst facettenreiches Bild des historischen Geschehens zu vermitteln, wurde leider völlig verzichtet. Im Falle einer weiteren Neuauflage könnte ein breiter angelegter Quellenanhang den Gebrauchswert des Buches noch steigern.

Allen, die sich einen kompakten und soliden Überblick über die Ereignisse und historischen Zusammenhänge des Kriegsendes 1945 verschaffen wollen, kann die Darstellung von Ueberschär und Müller uneingeschränkt empfohlen werden.

Anmerkung:
1 Vgl. Ueberschär, Gerd R.; Müller, Rolf-Dieter, Kriegsende 1945. Die Zerstörung des Deutschen Reiches, Frankfurt am Main 1994.

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