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Titel
The German 1918 Offensives. A Case Study of the Operational Level of War


Autor(en)
Zabecki, David T.
Reihe
Strategy & History Series
Erschienen
London 2006: Routledge
Anzahl Seiten
408 S.
Preis
£ 75,00
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Michael Epkenhans Otto von Bismarck-Stiftung, Friedrichsruh

Der Erste Weltkrieg hat Historiker von jeher interessiert und immer wieder zu neuen Arbeiten angeregt. Nachdem in den 1970er und 1980er-Jahren zunächst eher klassische politikgeschichtliche, wirtschafts- und sozialgeschichtliche, dann kultur-, mentalitäts- und alltagsgeschichtliche Fragestellungen im Mittelpunkt der Forschung gestanden haben, gibt es seit einigen Jahren auch wieder ein ausgeprägtes Interesse für militärgeschichtliche Aspekte des Ersten Weltkrieges. Trotz mancher Ängste, in längst überwundene Zeiten zurückzufallen, und schwieriger methodischer Probleme ist auch der Stellenwert operativer Studien im Rahmen einer modernen Militärgeschichte inzwischen unbestritten.

David T. Zabecki, ein US-General mit viel Erfahrung auf zahlreichen Kriegsschauplätzen, hat es sich zum Ziel gesetzt, die deutschen Westoffensiven des Jahres 1918 insgesamt näher in den Blick zu nehmen. Bekannt sind eigentlich nur die „Operation Michael“, das heißt die Frühjahrsschlacht 1918, und das Ende des Krieges. Die verschiedenen Operationen im Frühjahr und Sommer 1918 mit geschichtsmächtigen und sagenumwobenen Namen wie „Mars“, „Georgette“, „Blücher“, „Görz“, „Yorck“, „Gneisenau“, Hammerschlag, „Marneschutz-Reims“, „Hagen“ und „Kurfürst“ sind eher etwas für „Insider“. Genau diese Operationen stehen im Mittelpunkt von Zabeckis Studie, die auf ausgiebigen Archivrecherchen beruht und die erstmals lange verschollene bzw. unbekannte deutschen Akten mit einbezieht, die entweder in russischem oder auch in US-Gewahrsam verborgen waren.

Im Mittelpunkt von Zabeckis Studie stehen freilich nicht die Operationen an sich; ihm geht es vielmehr um „operational art“. Was versteht er darunter? „The purpose of tactics“, so heißt es einleitend in dem entsprechenden Kapitel, „is to win battles. The purpose of strategy is to win wars. The purpose of the operational art is to win the campaigns, which are based upon battles and which in turn contribute to strategic victory. Put quite simply, then, the operational art is the vital link between tactics and strategy.” (S. 11f.) Dies klingt einleuchtend, ist für einen militärischen Laien freilich schwere Kost. Dies gilt erst recht, wenn man Zabeckis weitere Ausführungen darüber in den Blick nimmt, denn wer kann schon mit der „FM 00-5“-Doktrin der US-Streitkräfte aus dem Jahre 1993 etwas anfangen? Wie dem auch sei: Lässt man diese keineswegs unwichtigen Teile beiseite, dann enthalten Zabeckis weitere Ausführungen in vieler Hinsicht neue Fakten und Erkenntnisse. Dies betrifft sowohl die stärker strukturgeschichtlichen Kapitel 2-5, in denen er quasi das „Gerüst“ der deutschen Offensiven („The tactical problem“, „Fire and manoeuvre“, „Technology“, „Air Power“ usw.) bzw. die „Strategic Reality („Ludendorff and strategy“, „Transportation“, „Allied manpower“ usw.) systematisch analysiert als auch die Kapitel, die sich den einzelnen Offensiven widmen. Das Schema der Analyse ist dabei aus Gründen der Vergleichbarkeit immer dasselbe: „Plans“, „Preparations“, „Execution“, „Assesssment“ und „Result“. Diese klare Gliederung erleichtert zwar einerseits die Lektüre, andererseits ist sie aber auch geeignet, den Leser nicht zuletzt wegen der sehr militärischen Sprache und Argumentation ein wenig zu ermüden.

Was ist nun das Ergebnis dieser Ausführungen? „At the end of Ludendorff’s offensives in July 1918,” so die These, “the greatest string of tactical success in World War I had failed to produce any significant operational advantage, much less strategic victory.” (S. 311) Im Gegenteil, so Zabecki, die deutsche Armee sei im Sommer 1918 schwächer und auch strategisch in einer schlechteren Position gewesen als wenige Monate zuvor. Allein strategisch sei die Offensive von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, da die – temporäre – zahlenmäßige Überlegenheit zu gering, die Zahl der Reserven zu klein, das Material verschlissen und der verfügbare Nachschub knapp gewesen seien. Die taktische Überlegenheit in vielen Bereichen wiederum hätte einen Erfolg durchaus möglich machen können, wenn es klar definierte operative Ziele gegeben hätte. Doch genau daran habe es gemangelt. Ludendorff, so Zabecki, habe die besondere Verwundbarkeit des britischen Expeditionskorps nicht erkannt. Hätte er die für dessen Versorgung wichtigen Knotenpunkte Amiens und Hazebrouck angegriffen, hätte er dieses durchaus von der französischen Armee trennen, vielleicht sogar vom Kontinent vertreiben können. Stattdessen habe „einfach ein Loch in die Front hauen wollen“ in der Hoffnung, dass sich alles Weitere dann von selbst ergeben würde. Doch, so argumentiert Zabecki in Anlehnung an ein entsprechendes Diktum des Stabschefs der US-Streitkräfte aus dem Jahre 1990 zu Recht: „Hope is not a method.“ (S. 310) Zwar habe die deutsche Armee aus Ludendorffs Fehlern in den 1920er-Jahren zu lernen versucht, wie die „Heeresdienstvorschrift 487: Führung und Gefecht der verbundenen Waffen“ (1921) und die „Heeresdienstschrift 300, Truppenführung“ belegten. Doch auch während des Zweiten Weltkrieges habe die Wehrmacht ähnliche Fehler gemacht wie die kaiserliche Armee 1918. Diese These erscheint plausibel, und es wäre mehr als reizvoll, sie einmal in einer Längsschnittstudie zu vertiefen. Dann dürfte sich auch zeigen, ob Zabeckis Urteil über Ludendorff nicht auch auf die Wehrmachtführung 1939-1945 insgesamt zutrifft: „He [Ludendorff] was a reflection of the German Army as a whole in the first half of the 20th century: tactically gifted, operationally flawed, and strategically bankrupt.“ (S. 328) Trotz gelegentlich mühseliger Lektüre handelt es sich um ein anregendes und lehrreiches Buch, weitere ähnliche Studien sollten daher folgen.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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