Th. Krüger: Liebesverhältnisse der olympischen Götter

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Titel
Die Liebesverhältnisse der olympischen Götter mit sterblichen Frauen. Strukturanalyse und Interpretation


Autor(en)
Krüger, Thorsten
Reihe
Germanistik 29
Erschienen
Münster 2006: LIT Verlag
Anzahl Seiten
135 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Holger Müller, Seminar für Alte Geschichte, Universität Mannheim

Schon seit jeher fesseln antike Mythen, insbesondere die griechischen, die Menschen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Zum einen liegt dies an der hervorragenden Quellenlage, die auch als Indiz für das große Interesse der Zeitgenossen zu sehen ist, zum anderen aber an der "Menschlichkeit" der Protagonisten. Trotz ihrer Unsterblichkeit und ihrer übermenschlichen, da göttlichen, Macht haben die griechischen Götter neben ihrer menschlichen Erscheinung Wesenszüge, die auch den Sterblichen anhaften. Sie haben Hunger und Durst, streiten und zürnen, können Leid und Freude empfinden, hassen und lieben. Aufgrund ihrer Göttlichkeit nehmen diese Gefühle natürlich andere Dimensionen als beim Menschen an. Allerdings sind letztere oftmals in die göttlichen Gefühlsausbrüche involviert. So führen zum Beispiel die Menschen Krieg, weil Götter sich streiten (der Trojanische Krieg ist nur eines von vielen Beispielen). Auch sexuell fühlen sich die antiken Götter oft zu Menschen hingezogen. Diese "Liebesverhältnisse" stießen schon in der Antike, wie der Autor in seiner Einleitung zeigt (S. 5), auf großes Interesse und nehmen deshalb in den uns vorliegenden mythologischen Quellen viel Raum ein.

In seiner 2005 eingereichten Dissertation möchte Torsten Krüger diese Liebesverhältnisse olympischer Götter mit sterblichen Frauen einer Strukturanalyse und Interpretation unterziehen. Dabei zeigt schon der Titel, dass Krüger den Verhältnissen von Göttinnen mit Menschen (etwa Aphrodite mit Anchises) keinen Platz einräumt. Aufgrund der Vielzahl der Liebesverhältnisse (vor allem Zeus und Apollon stechen hierbei hervor) sieht sich Krüger gezwungen eine Auswahl zu treffen. Daher beschränkt er sich in seiner Arbeit auf die Verhältnisse zu 27 Frauen, ohne diese Wahl genau zu begründen. Seine dreigliedrige Arbeit beginnt mit dem mit "Fragestellung und Methodik" überschriebenen Forschungskapitel. Die Auseinandersetzung mit den originalsprachlichen Fachtermini, die für eine Arbeit dieser Art von immenser Bedeutung sind, verschiebt Krüger allerdings auf spätere Kapitel. Er begnügt sich an dieser Stelle mit den in der modernen Forschung benutzten Begriffen und einer Aufzählung der in den Quellen genannten Termini, ohne diese allerdings genauer zu interpretieren oder zu analysieren. In der Folge stellt Krüger kurz fünf Deutungsmöglichkeiten göttlicher Liebesverhältnisse vor. Zwar weist er auf die mögliche Unvollständigkeit dieser Liste hin (S. 10), nennt aber seine Auswahlkriterien nicht. Im zweiten Teil seines Forschungskapitels gibt Krüger einen kurzen Überblick über die Mythen- und Märchenforschung. Anschließend erläutert er die von Walter Burkert definierten Elemente der "Mädchentragödie". Diese wird von Burkert zu den Urmythen gezählt und anhand von 5 Elementen charakterisiert, die sich in den Beziehungen zwischen Göttern und sterblichen Frauen finden lassen. Burkerts Elemente werden von Krüger untersucht und erläutert. Für seine eigene Analyse erweitert er sie zudem um ein sechstes.

Das zweite Kapitel, welches Krügers Strukturanalyse enthält, ist geprägt von tabellarischen Übersichten. Dies erscheint in Hinblick auf die Analyse durchaus sinnvoll, leider nehmen diese Tabellen aber oftmals mehr Raum als die eigentlichen Analysen ein. Krüger bemüht sich, neben der Herstellung von Parallelen zur "Mädchentragödie" in seinen kurzen Analysen intensiv auf Forschungsmeinungen einzugehen. Dabei läuft er Gefahr, dass seine eigenen Erkenntnisse untergehen; auch deshalb, weil er viel Raum für die Wiedergabe der Quelleninhalte verwendet. Insgesamt erscheint der gewählte oder von dem Verlag zugestandene Raum als zu gering für diese Untersuchung.

Der dritte und letzte Abschnitt der Arbeit widmet sich schließlich den Quellen mit dem Ziel, den Widerhall der Mädchentragödie bei einigen "herausragenden Dichtern der Antike" (S. 72) aufzuzeigen. Die Wahl der Dichter fiel auf Homer, Hesiod, Euripides und Ovid. Obwohl diese Auswahl nicht näher begründet wird, erscheint sie schlüssig, da diese Dichter einen Großteil der antiken Mythen überliefert haben. Im Folgenden werden Textstellen dieser Dichter im Hinblick auf die im zweiten Abschnitt dargelegten Strukturelemente interpretiert. Krüger liefert dem Leser die Textzitate sowohl in der Originalsprache als auch in Übersetzung. Seine Interpretationen sind, wenn auch sehr kurz, meist überzeugend. Allerdings fällt auf, dass Krüger den Interpretationen des Euripides und Ovid wesentlich mehr Raum als denen von Homer und Hesiod zubilligt. Dies spiegelt allerdings kaum die Bedeutung der Autoren für die Überlieferung griechischer Mythen allgemein und göttlicher Liebesverhältnisse speziell wider. Somit kann das Ungleichgewicht nicht an fehlendem oder für die Fragestellung interessantem Textmaterial liegen. Trotzdem geht Krüger bei den Verfassern der Epen einzig auf das Element der "Königstochter" ein, während er bei Euripides und Ovid alle von ihm im zweiten Teil herausgearbeiteten Elemente findet und in seine Interpretation eingliedert. Krüger kommt zu dem Schluss, dass die von ihm behandelten Dichter bei ihren Erzählungen der Mädchentragödien jeweils andere Intentionen verfolgten (S. 128f.).

Krügers Ziel, die von Walter Burkert aufgezeigten und vom Autor erweiterten Elemente der "Mädchentragödie" auf die Liebesverhältnisse der olympischen Götter zu übertragen, wurde im Großen und Ganzen erreicht. Problematisch erscheinen aber die stark eingeschränkte und nicht begründete Beispiel- und Materialauswahl sowie die teilweise sehr knappen Ausführungen des Autors. Obwohl Krüger stets überzeugend argumentiert, wird man seinen Ergebnissen schwerlich Allgemeingültigkeit zubilligen können. Es ist aber zu hoffen, dass durch diese Arbeit der Anstoß zu weiteren und dann hoffentlich ausführlicheren und umfangreicheren Studien gegeben wurde. In Hinblick auf den aktuellen Forschungsstand und die wichtigste Literatur liefert Krügers Arbeit eine ausgezeichnete Grundlage.

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