Titel
Ralswiek auf Rügen. Die slawisch-wikingischen Siedlungen und deren Hinterland. Teil V. Das Hügelgräberfeld in den "Schwarzen Bergen" bei Ralswiek


Autor(en)
Herrmann, Joachim; Warnke, Dieter
Reihe
Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns
Anzahl Seiten
222 S.
Preis
€ 37,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Fred Ruchhöft, Greifswald

Mit diesem fünften und letzen Band zu den Ausgrabungen auf dem früh- und hochmittelalterlichen Seehandelsplatz in Ralswiek auf Rügen – eine Bearbeitung der so genannten „Südsiedlung“ steht allerdings noch aus – wird das Gräberfeld in den „Schwarzen Bergen“ vorgelegt, welches von dem 2007 nach langer Krankheit verstorbenen Dieter Warnke ausgegraben und nun von Joachim Herrmann abschließend bearbeitet vorgelegt wurde. Dem Gräberfeld kommt eine besondere Bedeutung zu, ist es doch das mit 450 Grabhügeln größte bekannte slawische Hügelgräberfeld mit deutlichen skandinavischen Einflüssen, das zudem zu 75% ausgegrabene ist und zu welchem außerdem große Teile der zugehörigen Siedlung erforscht wurden. In umfassender Form haben sich Herrmann und Warnke mit dem Gräberfeld, den Funden und den Bestattungssitten auseinander gesetzt. Die Ausgrabungsdokumentation und die Funde werden in einem detaillierten Katalog- und Abbildungsteil präsentiert. Innerhalb der neun Gräbergruppen ließen sich mehrere verschiedene Bestattungsformen nachweisen: die Überhügelung des Verbrennungsplatzes mit Scheiterhaufenresten, Leichenbrand und Beigaben, die Einschüttung von Leichenbrand in einen Hügel, die „Gipfelbestattungen“ sowie Körperbestattungen in Hügeln und als Flachgräber. Innerhalb der einzelnen Gräbergruppen waren unterschiedliche Anteile slawischer und skandinavischer Bestattungssitten zu beobachten. Die Zahl der Beigaben wird insgesamt als gering erachtet, ist in der Summe und in der Qualität jedoch beachtlich. Funde wie beispielsweise ein vergoldeter Anhänger aus Grab 72 und eine Streitaxt aus Grab 96 belegen den bereits auf der Siedlung spürbaren starken skandinavischen Einfluss, der auch von den Grabsitten unterstrichen wird. Als herausragende Bestattungen sind ein Bootsgrab mit über 1000 Schiffsnieten (Grab 8) und zwei Gräber mit mehr als 70 bzw. 150 Nieten (Gräber 73, 87), wohl von Wagenkästen, zu nennen. Schließlich gibt es Hinweise auf ein Kammergrab (Grab 57).

In den vier vorhergehenden Bänden werden die Hauptsiedlung, der so genannte „Kultplatz“ sowie der Hafen, die Bootsfunde, die in der Hauptsiedlung geborgenen Funde, von denen dem umfangreichen Hacksilberfund von um 844 ein eigener Band gewidmet ist, aber auch die im Rahmen der Hinterlandforschung untersuchten Burgen am „Rugard“ bei Bergen sowie der „Schlossberg“ von Ralswiek vorgestellt. Trotz des beeindruckenden Fundmaterials und der immensen historischen und wissenschaftlichen Bedeutung dieses Platzes, der dank der Herausgeber und des mit fundiertem Wissen arbeitenden Autors so beispielhaft umfangreich präsentiert wird, bietet er noch reichlich Raum zur wissenschaftlichen Diskussion. Unklar sind nach wie vor die frühe Datierung und die damit verbundene frühe Geschichte des Platzes. Außer dem Schatzfund gibt es kaum Stützen im vorhandenen Material, auch das Gräberfeld, welches kaum zwingend vor das 10. Jahrhundert zu datieren ist, hat diese Lücke nicht schließen können. Die Feldberger Keramik, die diesen Zeithorizont sicher belegen könnte, ist sowohl auf der Siedlung als auch auf dem Gräberfeld nur unterrepräsentiert vorhanden. Weiterhin gibt es ernsthafte Zweifel, ob es sich bei den Befunden im Westen des Strandwalles tatsächlich um einen Hafen handelt, ebenso bieten sich für die Skelettfunde in der Siedlung andere Deutungsmöglichkeiten als „nur“ Kult an.1 Auch muss offen bleiben, ob es zwischen der Burg auf dem „Rugard“ und der Siedlung Ralswiek einen ursächlichen Zusammenhang gibt und ob die Befunde von „Schlossberg“ wirklich genügen, um eine postulierte Datierung in die Völkerwanderungszeit zu sichern.

Trotz aller durchaus noch tief greifender zu diskutierenden Probleme wird die aus fünf Bänden bestehende Ralswiek-Publikation, der letztlich auch noch die eine bereits 1986 erschienene Landschaftsgeschichte der Insel Rügen 2 angehört, ein wichtiges Standardwerk der slawischen Archäologie bleiben. Form und Umfang der Publikation bieten nicht nur eine vorbildliche Vorlage des Materials, sondern zugleich einen wünschenswert fundierten Beitrag, welcher zu einem dem Fach dauerhaft nützlichen wissenschaftlichen Diskurs einlädt.

Wie bei allen Bänden der Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns sind die sorgfältige redaktionelle Bearbeitung, die akribisch hergestellten Grafiken und Fundzeichnungen sowie die hohe Qualität der Fotos als auch die des Druckes insgesamt besonders hervorzuheben.

Anmerkungen:
1 Joachim Herrmann, Ralswiek auf Rügen – frühmittelalterlicher Seehandelsplatz und Transitstation im westlichen Ostseegebiet, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 36, 2008, S. 119-154; Fred Ruchhöft, Fragen an den Seehandelsplatz Ralswiek auf Rügen, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 32, 2008, S. 77-95.
2 Elsbeth Lange / Lebrecht Jeschke / Hans Dieter Knapp, Die Landschaftsgeschichte der Insel Rügen seit dem Spätglazial. Schriften zur Ur- und Frühgeschichte 38, Berlin 1986.

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