Cover
Titel
Mann des gedruckten Wortes. Helmut Schmidt und die Medien


Autor(en)
Birkner, Thomas
Reihe
Studien der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung 10
Erschienen
Bremen 2014: Edition Temmen
Anzahl Seiten
156 S., 44 Abb.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniela Münkel, Abteilung wissenschaftliche Forschung und Bildung, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BSTU), Berlin

Helmut Schmidt und die Medien: da denkt heute jeder an dessen Herausgeberschaft und journalistischen Aktivitäten bei der Wochenzeitschrift „Die Zeit“. Während seiner Zeit als aktiver Politiker, als Bundesverteidigungsminister oder Bundeskanzler, ist Helmut Schmidt im Gegensatz zu Willy Brandt oder Gerhard Schröder nicht als „Medienkanzler“ im Gedächtnis geblieben oder besonders aufgefallen. Im Gegenteil: da beschimpfte er Journalisten schon mal als „Wegelagerer“ oder forderte als volkspädagogische Maßnahme einen fernsehfreien Tag in der Woche.

Thomas Birkner hat sich dem Thema nun im Auftrag der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung gewidmet. Wie der Titel schon andeutet, liegt der Schwerpunkt allerdings auf dem Verhältnis zu den Printmedien. Die audio-visuellen Medien werden zwar thematisiert, allerdings nur sehr marginal – ein Versäumnis, denn es wäre von Interesse, wie Helmut Schmidt sich und seine Politik, vor allem als Bundeskanzler, im Fernsehen in Szene gesetzt hat. So muss man sich mit der Erkenntnis begnügen, dass Schmidts Einstellung zu Radio und Fernsehen ambivalent ist. Sie seien zwar wichtig für die Demokratie, zu ausgedehnter Fernsehkonsum aber schädlich für das gesellschaftliche Miteinander. Schmidt selber, so Birkner, bevorzuge nach wie vor die Printmedien gegenüber dem Fernsehen.

Birkner widmet sich ausführlich den journalistischen Aktivitäten Helmut Schmidts, die bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreichen. Aus den Erfahrungen der NS-Zeit mit einer gelenkten Presse und einer fehlenden freien Öffentlichkeit, zog Helmut Schmidt die Konsequenz, sich aktiv für die Demokratie einzusetzen. Dazu gehörte für ihn auch, seine politischen Ansichten und Anliegen über die Presse zu verbreiten. 1946 trat er in die SPD ein, 1948 veröffentlichte er seinen ersten Artikel in der Hamburger sozialdemokratischen Zeitung “Der Sozialist“ zum Thema Europa. Von da an publizierte er bis heute regelmäßig in unterschiedlichen Zeitungen. Mehrere Jahre, auch während seiner Zeit als Bundeskanzler, hatte er sogar eine eigene Kolumne erst in der „Münchner Abendzeitung“ dann in der „Bergedorfer Zeitung“. Darüber hinaus schrieb er unregelmäßig für alle größeren Blätter wie „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“ oder „Die Zeit“.

Schmidts grundsätzliche Einstellung zur Rolle der Medien in der Demokratie wird im Buch über die Zeitläufte hinweg thematisiert. Er war und blieb ein Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit – was er besonders auch in der Spiegel-Affäre, die auch für ihn persönlich als Hamburger Innensenator ein juristisches Nachspiel hatte, unter Beweis stellte. Als eine Konsequenz aus der Affäre brachte Schmidt dann auch 1964 ein neues Landespressegesetz für Hamburg auf den Weg, dass die journalistische Arbeit in der Hansestadt stützte. Obwohl Schmidt zeitlebens, und besonders auch während seiner Zeit als Bundeskanzler, die Bedeutung der Medien für die Politik hoch einschätzte, wich seine positive Einschätzung von ihrer Rolle in der Demokratie zunehmender Skepsis, die – so Birkner – auf eigenen Medienerfahrungen beruhte.

Dass Helmut Schmidts politischer Aufstieg auch durch eine gezielte Medienpolitik befördert wurde, hebt der Autor zu Recht hervor: „Geschickt hatte er die Medien während der Flutkatastrophe für seine Zwecke genutzt und sich in der Spiegel-Affäre auf die Seite der Pressefreiheit gestellt. Schmidt hatte sich immer wieder über die Medien zu seinen Politikfeldern geäußert und sich entsprechend positioniert“ (S. 50).

Auch das Verhältnis Schmidts zu einzelnen Journalisten wird von Birkner erörtert. Schmidt schätzte vor allem Qualitätsjournalisten und pflegte einen regelmäßigen Meinungsaustausch mit nationalen und internationalen Journalisten. Manchmal nutzte er diese sogar als Informanten und Diplomaten – wie im Falle des ARD-Auslandskorrespondenten Gerd Ruge, der ihm Lageberichte aus China oder der Sowjetunion übermittelte. Wenn sich Helmut Schmidt in einem Zeitungsartikel ungerecht beurteilt oder falsch wiedergegeben fühlte, griff er auch schon mal zur Feder und schrieb verärgerte Briefe an einzelne Journalisten oder Verleger.

Ausführlich sind im Buch Helmut Schmidts Aktivitäten bei der „Zeit“ beschrieben. Immer wieder wird darauf hingewiesen, wie eng die Beziehungen Schmidts zu dieser Wochenzeitschrift und deren führenden Journalisten wie Marion Gräfin Dönhoff oder Theo Sommer schon zu Zeiten seiner aktiven politischen Laufbahn waren. Dem Leser vermittelt sich der Eindruck, Helmut Schmidts Engagement als Mitherausgeber bei der „Zeit“ im Jahr 1983 sei quasi das Ende einer zwangsläufigen Entwicklung gewesen. Das publizistische Oeuvre Helmut Schmidts bei der „Zeit“ wird ausführlich ausgebreitet – bis hin zu einer Auflistung sämtlicher Artikel von 1962 bis 2013. Trotz dieser umfänglichen journalistischen Aktivitäten, kommt Birkner zu dem Schluss, Schmidt sei, „[…] wenn schon kein Journalist durch und durch, dann doch ein politischer Publizist bei einem journalistischen Medium“ (S. 126).

In Thomas Birkners Buch sind Helmut Schmidts Verhältnis zur Presse und seine journalistischen Aktivitäten erstmals systematisch untersucht worden, doch das Thema „Helmut Schmidt und die Medien“ ist damit noch nicht erschöpfend erforscht. Mit der stiefmütterlichen Behandlung der Rolle des Fernsehens hat der Autor einen wichtigen Aspekt des Themas verschenkt. Zudem wäre es wünschenswert gewesen, wenn er etwas mehr Abstand zu seinem Untersuchungsgegenstand gehabt hätte. Eine übergroße Sympathie für seinen Protagonisten kann er nicht verbergen, Kritisches sucht man vergeblich.

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